Statistik 2021
Ältere Menschen hatten seltener Verkehrsunfälle als Jüngere
2. März 2023, 10:22 Uhr aktualisiert am 2. März 2023, 14:12 Uhr
Die Statistik klingt erst einmal erfreulich: Ältere Menschen waren im Jahr 2021 - gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung - seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, waren in dem Jahr 66.812 Menschen ab 65 Jahren an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Das waren 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und mehr lag dagegen bei 22,1 Prozent.
Die geringere Unfallbeteiligung dürfte unter anderem daran liegen, dass ältere Menschen nicht mehr regelmäßig zur Arbeit fahren und so seltener als jüngere am Straßenverkehr teilnehmen, wie es hieß. Im hohen Alter gehe dann auch die Nutzung von Auto oder Fahrrad zurück.
Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, betrachtet die Statistik allerdings mit Bedenken. "Zum einen gibt es in der Altersgruppe weniger Führerscheinbesitzer, vor allem bei den Frauen über 75, zum anderen fahren Senioren häufig nicht so viel beziehungsweise nicht so lange Strecken", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bezogen auf die Fahrleistung sei Senioren daher eine ähnliche Unfallhäufigkeit zuzurechnen "wie der Hochrisikogruppe der 18- bis 25-Jährigen".
Hinzu komme: Die Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen zeige in der Regel noch keine Auffälligkeiten im Vergleich zu jüngeren Autofahrern. "Die Dramatik steigt ab 75 Jahren", sagte Brockmann zu den Erkenntnissen der Unfallforschung. Das seien allerdings rein statistische Werte: "Es gibt auch 80-Jährige, die super fahren können, und 65-jährige, die bereits Schwierigkeiten haben."
Die Folgen bei Unfällen mit älteren Menschen sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes allerdings häufig schwerwiegender. So verunglückten mehr als 45.000 Menschen im Alter von 65 oder mehr Jahren im Straßenverkehr. 868 von ihnen wurden getötet und 11.169 schwer verletzt. Dabei betrug der Anteil der Seniorinnen und Senioren an allen Verunglückten 13,9 Prozent, bei den Todesopfern war er mit 33,9 Prozent wesentlich höher. Auch wurde fast ein Viertel der verunglückten älteren Menschen schwer verletzt, während bei den unter 65-Jährigen der entsprechende Anteil mit 15,7 Prozent deutlich geringer war.
Hier spiegele sich zum einen die mit zunehmendem Alter nachlassende physische Widerstandskraft wider, hieß es zur Begründung. Zudem nehmen ältere Menschen häufiger als ungeschützte Fußgängerinnen und Fußgänger am Verkehr teil und sind daher einem größeren Risiko für schwerwiegendere Verletzungen ausgesetzt.
"Senioren im Auto sind eher die Verursacher von Unfällen, als Fußgänger sind sie vielfach diejenigen, die einen Unfall erleiden", sagt Unfallforscher Brockmann. Das wird auch durch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2021 bestätigt: In 68,2 Prozent der Fälle trugen Senioren hinter dem Steuer bei Unfällen die Hauptschuld. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar drei von vier unfallbeteiligten Autofahrerinnen und -fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen.
Die Unfallursachen unterscheiden sich dabei von denen in jüngeren Altersgruppen. Häufiger wurde älteren Autofahrerinnen und Autofahrern vorgeworfen, die Vorfahrt missachtet zu haben. Auch Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren war häufiger als bei Jüngeren. Dagegen wurde älteren Menschen deutlich seltener zur Last gelegt, den Abstand nicht eingehalten zu haben oder mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein. Auch Alkohol am Steuer war deutlich seltener ein Thema als bei Jüngeren.
Insgesamt spielen auch Einschränkungen beim Sehen und Hören bei Senioren eine größere Rolle bei Unfällen, so Heiner Sothmann, Sprecher der Deutschen Verkehrswacht. Autofahrern in fortgeschrittenem Alter könne der Schulterblick schwerer fallen, die Reaktionsgeschwindigkeit falle bei Senioren häufig langsamer aus. Insofern gelte es auch mit Blick auf den Verkehr, Senioren "fit zu halten".
Gefragt sei aber auch Fingerspitzengefühl: "Mobilität führt auch zu mehr Teilhabe", betonte Sothmann. Es gelte dann, Alternativen aufzuzeigen. So könne der Stadtverkehr mit zahlreichen stressigen Situationen schon vermieden werden, wenn etwa ein Park-and-Ride-Parkplatz angesteuert und die weitere Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortgesetzt werde.
Auch mit Hilfe von Technik könne vieles erleichtert werden, sagte Sothmann. "Ein Notbrems- oder Einparkassistent machen schon ganz viel aus." Unfallforscher Brockmann sieht bei allem, was darüber hinausgeht, allerdings eher negative Aspekte für Senioren, etwa bei intelligenten Tempomaten. "Wenn innerhalb von Sekunden vom Assistenten auf eigenes Situationsbewusstsein gewechselt werden muss, ist das für viele Senioren zu schnell."
Zur Verbesserung des Fahrverhaltens älterer Autofahrer spricht sich Brockmann für Rückmeldefahrten mit einem "Profi" ab dem 75. Lebensjahr aus. Die Erfahrung aus eigenen Projekten sei positiv - Fehlerquoten seien auch Monate später noch besser. Eine klare Rückmeldung im vier Augen-Gespräch werde von den Betroffenen zudem meist besser aufgenommen als die mehr oder weniger klaren Anmerkungen von Kindern oder Enkeln.