Interviewserie "Über den Rand"
Agnes Fischer: "Influencer ist nicht gleich Model"
23. Februar 2019, 7:00 Uhr aktualisiert am 1. März 2019, 17:08 Uhr
London, New York, Mailand. Showrooms, Shootings, Designerklamotten: Das hört sich verlockend an, vor allem für die Ohren junger hübscher Mädchen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als Models zu werden. Nicht ohne Grund sucht Heidi Klum bereits zum vierzehnten Mal nach "Germany's next Topmodel". idowa hat mit einer jungen Frau gesprochen, die im beschaulichen Bayerischen Wald aufgewachsen ist - und mittlerweile ihr Geld bei Shootings auf der ganzen Welt verdient. Wieso sie für den Job nicht nach Sydney ging, was sie an ihren freien Tagen macht und ob sich der Laufsteg mit Nachwuchs vereinbaren lässt, erzählt Agnes Fischer im Interview.
Die 32-jährige Agnes Fischer ist in Eschlkam im Bayerischen Wald aufgewachsen und hat geschafft, wovon so viele junge Mädchen träumen. Agnes ist international erfolgreiches Model. Seit über zehn Jahren ist sie im Geschäft. Aktuell lebt sie in Kapstadt und hetzt von Casting zu Casting, von Job zu Job.
Wann und wie haben Sie beschlossen, Ihre Heimat zu verlassen und als Model zu arbeiten? War das schon immer ein Traum?
Agnes Fischer: Model zu werden war nicht geplant. So viel kann ich sagen. Ich bin im Bayerischen Wald, genauer gesagt in Eschlkam im Landkreis Cham aufgewachsen. Ich wusste damals noch nicht, dass Modeln überhaupt ein Beruf ist. Ich kannte zwar die Models aus den Katalogen, aber es war nie ein Kindheitstraum von mir, Model zu werden. Das war nie eine denkbare Option. Aber als ich 16 oder 17 Jahre alt war, meinte ein Freund von mir, ob ich das nicht probieren möchte. Ich habe mich dann einfach bei einer Agentur in München beworben und die haben mich dann genommen. Und so fing alles an. Das war damals während meiner Ausbildung zur Bürokauffrau. Meine damalige Chefin war sehr nett und hat mir das durchgehen lassen. Als ich dann mit meiner Ausbildung fertig war, habe ich noch die BOS gemacht. Und dann ging es auf große Reise. 2007 war ich über die Agentur das erste Mal in Kapstadt für fünf Monate, davor war ich zwei Monate in Mailand.
Hatten Sie da überhaupt ein Mitspracherecht? Oder hieß es: "Du gehst jetzt nach Kapstadt!"
Fischer: Ich war mit der BOS fertig und wollte unbedingt weg. Ich konnte mich damals zwischen Sydney und Kapstadt entscheiden. Ich habe mich für Kapstadt entschieden, weil Südafrika eben nicht ganz so weit weg ist. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt auch nur eine Stunde. Wenn es nötig ist, kann ich innerhalb von elf Stunden mit dem Direktflieger daheim sein. Australien wäre da eine ganz andere Nummer gewesen. Damals habe ich immer im Wechsel in Kapstadt und Deutschland gearbeitet. 2008 war ich für drei Monate in London und 2009 für ein halbes Jahr in New York. Von da an war ich drei Jahre lang im Wechsel immer in New York und Kapstadt.
Kommen Sie bei all den Reisen noch nach Eschlkam zurück?
Fischer: Mittlerweile gar nicht mehr so oft. Leider. Aber ich komme jedes Jahr zu Weihnachten. Und wenn es sich einrichten lässt auch an Ostern. Oder zum Geburtstag meiner Eltern. Noch eher komme ich aber nach Regensburg, weil da viele meiner Freunde immer noch sind. Es ist schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen.
Können Sie sich überhaupt vorstellen, in den Landkreis Cham zurückzukehren?
Fischer: Wahrscheinlich nicht. Ich finde es zwar mega schön dort, aber ich liebe es, am Meer zu leben. Ich komme immer wieder zurück in mein Elternhaus. Aber dort leben kann ich mir nicht vorstellen. Ich weiß auch gar nicht, ob ich jemals wieder in Deutschland leben werde. Die letzten fünfeinhalb Jahre habe ich in Zürich gelebt. Aber später? Mal schauen.
Ihr Leben verbringen Sie in Kapstadt und Zürich. Wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen? Wie sieht ein Arbeitstag aus?
Fischer: Gerade bin ich in Kapstadt. Hier ist aktuell Hochsaison. Das bedeutet, es kommen oft kurzfristig irgendwelche Castings oder Termine rein. Da muss ich flexibel reagieren können und präsent sein. Kapstadt ist nicht so groß. Mit dem Auto kann ich jedes Casting in fünf bis 15 Minuten erreichen. Da ich relativ zentral wohne, komme ich überall schnell hin.
Bei all den Terminen und den Reisen: Wie viel Zeit bleibt da noch fürs Privatleben?
Fischer: Ich habe einen normalen Fulltime-Job. Wenn mein Arbeitstag aus Castings besteht, dann habe ich zwischen den Terminen aber trotzdem noch Zeit zum gemeinsamen Mittagessen oder für Sport. Ich bin einfach viel flexibler. Termine können jeden Tag reinkommen, aber wenn man gut organisiert ist, dann bleibt auch genügend freie Zeit übrig. Was sich aber immer wieder als schwierig erweist, ist das Wegfahren. Ich kann eigentlich keine Ausflüge planen oder mal spontan wegfahren. Ich arbeite auf Abruf. Wenn dann genau an dem Wochenende ein Job reinkommt, dann bin ich gebunden. Der Job findet dann auch nur an diesem Wochenende statt und dann kann ich nicht weg. Man kann einfach nicht planen! Aber ich denke, dieses Problem haben die meisten Selbständigen! Wenn ich einen Auftrag bekomme, dann kann ich nicht sagen: "Ich kann erst in einer Woche!". Ersatz ist immer schnell gefunden.
Wie sehr stören Sie die Einschränkungen durch Ihren Job?
Fischer: Auf Abruf zur Verfügung stehen, das stört mich eigentlich nicht. Dafür mache ich es schon zu lange. Das bin ich gewohnt und es gehört einfach zum Modeln dazu! Mein Freund und meine Freunde wissen das auch und haben viel Verständnis. Zum Beispiel beim Wegfahren übers Wochenende. Wenn es nicht klappt, dann ist es halt so.
Lesen Sie die Fortsetzung des Interviews auf den Folgeseiten.
Plan B
Wie überbrücken Sie die Zeit zwischen Ihren Modeljobs? Kommt da nicht Langeweile auf?
Fischer: Leerlaufphasen gibt es natürlich auch. In Kapstadt habe ich zwar regelmäßig Castings, in Zürich hingegen gar keine. In der Schweiz habe ich Direktbuchungen, das heißt ich bin für die Jobs schon fest eingeplant. Ich habe dort auch deutlich mehr Freizeit. Vor vier Jahren habe ich auf Bali meine Yoga-Ausbildung gemacht. Und mittlerweile arbeite ich auch als Yogalehrerin in Zürich. An meinen freien Tagen gebe ich zum Beispiel Privatstunden, mache viel Sport oder widme mich Sachen, die mich einfach interessieren.
Yoga ist ihr Steckenpferd. Woher kommt diese Passion?
Fischer: Eine Freundin hat mich damals überredet, das auszuprobieren. Das dürfte mittlerweile auch schon wieder acht oder neun Jahre her sein. Am Anfang war ich eher skeptisch, ich dachte immer, da sitzt man nur rum und meditiert vor sich hin. Ich habe mir das einfach immer total langweilig vorgestellt. Als ich es dann das erste Mal ausprobiert habe, fand ich es super! Wenn man Yoga richtig macht, ist es körperlich richtig anstrengend. Für mich ist Yoga der perfekte Ausgleich zum Sport. Ich gehe viel joggen und wandern. Und dafür ist Yoga ideal. Man dehnt den Körper und übt die eigene Balance. Und es macht Spaß! Das Beste: Yoga kann man überall machen.
Was würden Sie heute machen, wären Sie kein Model? Würden Sie noch als Bürokauffrau arbeiten?
Fischer: Keine Ahnung! Das weiß ich nicht. Aber wahrscheinlich würde ich in keinem Büro mehr arbeiten. Als Kind oder Teenager wollte ich einfach weg! Ich wusste schon immer, dass es mich weg treibt, nur zu diesem Zeitpunkt noch nicht wohin. Daran erinnere ich mich. Wenn ich nicht Model geworden wäre, dann wäre was anderes dazwischen gekommen!
Was werden Sie machen, wenn Sie irgendwann nicht mehr als Model arbeiten können?
Fischer: Also für jetzt ist das mit dem Modeln auf jeden Fall fix. Ich kenne viele Models, die dem Job auch noch mit 40 oder 50 Jahren nachgehen. Ich habe noch keinen konkreten Plan B, aber Modeln war auch noch nie mein Plan A. Das alles hat sich einfach so ergeben. Aber natürlich braucht man auch eine gewisse Planung und Sicherheit. Aber bei zu viel Planung gibt es irgendwann auch keinen Spielraum mehr für anderes! Eine Nebenbeschäftigung habe ich ja schon. Und das ist Yoga. Später könnte ich mir vorstellen, einfach mehr Yoga-Unterricht zu geben. Aber jetzt im Moment liegt das Modeln im Fokus. Und das kann ich auf jeden Fall noch fünf bis zehn Jahre machen. Und was danach kommt, steht noch in den Sternen.
Modelbusiness und Kinder: Wie würde sich das vereinbaren lassen?
Fischer: Als Model kommt es auf die Flexibilität des Partners an. Eine Freundin von mir hat beispielsweise zwei Monate nach der Entbindung wieder angefangen, zu arbeiten. Wenn der Partner nicht daheim bleiben kann, dann sollte man einen Babysitter engagieren. Oder man nimmt das Baby mit zu den Castings. Das macht meine Freundin auch und das ist kein Problem! Das Umfeld macht es aus. Aber als Model hat man ja auch öfters freie Tage.
Was war bis jetzt Ihr größter Modeljob?
Fischer: Das kann ich nicht genau sagen. Ich habe immer ganz unterschiedliche Jobs gemacht. Vielleicht ein Kunde aus Norwegen, die verkaufen Designerbrillen. Da bin ich extrem viel rumgekommen. Geshootet wurde in Los Angeles, Thailand, Südafrika, Schottland, auf Kuba, in London und natürlich in Norwegen. Das war super! In diesen Ländern war ich mehrere Tage. Oft ist es ja so, dass man nur einen Tag zum Shooten im Ausland verbringt. Aber in diesem Fall durfte ich länger dort bleiben und mir die Länder wirklich ansehen. Normalerweise habe ich keine Zeit für Sightseeing. Das war tatsächlich der größte Auftrag. Abgesehen davon bin ich auch Markenbotschafterin für Adidas. Ich werde von Adidas Schweiz gesponsert. In einem Musikvideo von Thirty Seconds to Mars durfte ich auch mitspielen. Das war mega cool und mal was anderes. Ansonsten habe ich früher viel für Intersport oder GoSports gemacht.
Lesen Sie die Fortsetzung des Interviews auf den Folgeseiten.
Von Influencern und Models
Wie umkämpft ist der Modelmarkt? Ich könnte mir vorstellen, heutzutage ist es schwieriger, als Model durchzustarten, als noch vor einiger Zeit. Die Konkurrenz scheint sehr groß zu sein, zumindest wenn man sich in den sozialen Netzwerken umsieht.
Fischer: Ich muss mich natürlich anpassen. Ich habe keine 100.000 Follower auf Instagram, aber ich versuche, immer zu posten. Es gibt mittlerweile Kunden, die sich über Instagram erkundigen. Auf der Website meiner Agentur finden Kunden nicht nur meine Fotos, sondern auch den Link zu meinem Instagram-Profil. Viele Kunden wollen das sehen. Ich würde mich aber nicht als Influencer bezeichnen, weil das nicht dasselbe ist. Aber das gehört jetzt leider dazu. Ich hätte gerne ein Leben ohne Instagram, aber ich musste eben auch mit der Zeit gehen. So einen Wandel gibt es aber auch in jedem Beruf. Im Büro schreibt man ja auch nicht mehr auf der Schreibmaschine.
Ein Model kann also Influencer sein, aber umgekehrt geht die Gleichung nicht auf?
Fischer: Traditionelle Kunden, lass es Otto oder Tchibo sein, buchen nach wie vor "richtige Modelle". Als Model musst du gewisse Anforderungen wie Größe und Maße erfüllen. Und viele Influencer haben vielleicht tolle Körper, sind aber nur 1,60 Meter groß. Ein Kleidungsstück in der eigentlich passenden Größe ist denen dann trotzdem zu groß. Deswegen buchen Kunden Modelle und keine Influencer. Für kleine Marketing-Kampagnen kann man Influencer buchen, aber nicht für Katalogaufnahmen. Ich bin mit 1,74 Meter an der unteren Grenze der Modelmaße. Für den Laufsteg bin ich definitv zu klein, aber für Shootings ist es völlig ausreichend.
Was sagt eigentlich Ihre Familie über Ihren Job?
Fischer: Meine Familie hat ganz normal und sehr aufgeschlossen reagiert. Mein Dad hat immer gesagt: "Schau dir die Welt an!" Ich denke, die finden das richtig gut. Meine Mama möchte immer, dass ich mich melde, wenn ich unterwegs bin. Aber mittlerweile ist sie es auch gewohnt, dass ich viel unterwegs bin. Aber natürlich erkundigen die sich auch nach meiner Zukunft, also nach der Zeit, wenn ich nicht mehr als Model arbeiten kann. Aber wenn man einen normalen Job hat, gibt es auch keine hundertprozentige Sicherheit. Ich bin seit vielen Jahren selbständig und da gibt es immer ein gewisses Risiko. Alles hat seine Vor- und Nachteile.
Lieblingsessen?
Fischer: Ich liebe Obst und Salat! Aber auch bayerische Kost! Wenn ich Zuhause in Eschlkam bin, freue ich mich am meisten auf Schweinebraten, Schwammerlbrühe oder Kohlrabibrühe.
Lesen Sie das weitere Interview auf der Folgeseite.
Heidi Klums Show als Sprungbrett?
Was sagen Sie zu Heidi Klums Show "Germany's next Topmodel"? Sollten junge Frauen mit Modelambitionen dort mitmachen?
Fischer: Ich schaue mir die Show nicht an. Die alten Folgen von damals habe ich aber geguckt. Daher weiß ich auch, dass die Show definitiv ein Sprungbrett sein kann. Lena Gercke wäre sicherlich nicht so erfolgreich geworden, hätte sie nicht bei der Show mitgemacht. Viele Mädchen können dank "GNTM" eine gewisse Reichweite und Popularität erzielen. Und das wiederum erhöht die Chancen, Influencer auf Instagram zu werden.
Ich persönlich würde aber jetzt nicht mehr bei der Show mitmachen. "GNTM" hat mit dem eigentlichen Modelbusiness wenig zu tun. Es ist halt eine Show. Die machen genau das, was die Leute vor den Bildschirmen sehen wollen, sonst wäre es ja langweilig. Bei der ersten Staffel hätte ich vielleicht noch mitgemacht. Aber mittlerweile ist es nur noch Show. Die wollen Drama sehen.
Zum Tod von Karl Lagerfeld: Betrauern Sie ihn? Inwiefern hat er das Modebusiness nachhaltig geprägt?
Fischer: Ich habe ihn nicht gekannt. Ich kann nicht viel über ihn sagen, außer dass er sicherlich die Modewelt mit seiner Vision sehr positiv beeinflusst hat.
Welchen Rat geben Sie Nachwuchsmodels?
Fischer: Sei du selbst! Sei authentisch! Man kann nur das Beste geben, wenn man sich nicht verstellt. Darüber hinaus: Pünktlichkeit, Freundlichkeit und gepflegtes Auftreten! Habe also immer schöne gepflegte Hände und Nägel, gewaschene Haare und achte auf deine Haut.
In unserer Interviewserie "Über den Rand" sprechen die idowa-Redakteurinnen und Redakteure mit Menschen, die Einblicke in nicht alltägliche Bereiche geben können - weil sie zum Beispiel einen besonderen Beruf haben oder ein ungewöhnliches Hobby. Oder weil sie ein Leben führen, das einfach nicht der Norm entspricht - und genau deshalb Spannendes zu erzählen haben.