Bericht des Weltklimarats

Angestrebter Klimaschutz reicht nicht


Schweiz, Gletsch: Ein Abschnitt des Rhonegletschers oberhalb von Gletsch in der Nähe des Furkapasses ist in Spezialplanen gehüllt. Der älteste Gletscher der Alpen wird durch spezielle weiße Decken vor dem Abschmelzen geschützt.

Schweiz, Gletsch: Ein Abschnitt des Rhonegletschers oberhalb von Gletsch in der Nähe des Furkapasses ist in Spezialplanen gehüllt. Der älteste Gletscher der Alpen wird durch spezielle weiße Decken vor dem Abschmelzen geschützt.

Von mit Material der dpa

Seit dem Weltklimabericht von 2013 sind die Forscher ein großes Stück weitergekommen. Das Fazit: Die drastischen Folgen der Erderwärmung werden immer klarer und der angestrebte Klimaschutz reicht nicht.

Der Weltklimarat führt die Folgen der menschengemachten Erderwärmung in seinem neuen Bericht drastischer vor Augen als je zuvor. Meeresspiegelanstieg, Eisschmelze, mehr Hitzewellen, Dürren und Starkregen lassen sich nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich sicherer vorhersagen als bisher. Das geht aus dem Bericht über die physikalischen Grundlagen des Klimawandels hervor, der am Montag in Genf veröffentlicht wurde. Die Fakten sind alarmierend: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden", heißt es. Belegt ist auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis weiter schmilzt. "Sehr wahrscheinlich" heißt: mit 90 bis 100-prozentiger Sicherheit.

Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu 62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken aufnehmen können. "In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens im Sommer schon abgeschmolzen", sagte Mitautor Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. "Wir werden es vermutlich nicht mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer zumindest in einzelnen Jahre weitgehend eisfrei sein wird."

Der Weltklimarat beleuchtete die physikalischen Grundlagen zuletzt 2013. Seitdem hätten sich Unsicherheiten in den Klimamodellen deutlich reduziert. Anders als damals stellt die Wissenschaft jetzt klar fest: Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht sehr schnell heruntergefahren werden, wird das Ziel, die Erwärmung auf unter zwei Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, scheitern. Zudem könnten mehr Klimaveränderungen direkt auf den Einfluss des Menschen zurückgeführt werden, sagte Mitautorin Veronika Eyring von der Universität Bremen. "Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land aufgeheizt hat", heißt es in dem Bericht. "Menschlicher Einfluss hat das Klima so aufgeheizt, wie es seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. (...) 2019 war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen Zeitpunkt seit mindestens zwei Millionen Jahren."

Weltklimarat entwirft fünf Szenarien

Der Weltklimarat nennt auch zwei Horrorentwicklungen, die zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen seien. Zum einen ist das ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts, je nachdem, wie der Eisschild der Antarktis weiter schmilzt. Zum anderen ist das ein Kollaps der Atlantische Umwälzströmung (AMOC), die schon an Fahrt verloren hat. Sie verteilt kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte auch Auswirkungen auf Europa. Die globalen Mitteltemperatur liegt nach diesem Bericht für den Zeitraum 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erderwärmung unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. "Wenn wir die Emissionen nicht schnell genug herunterfahren und bis etwa 2050-2070 netto-null erreicht haben, werden wir beide Pariser Klimaziele verfehlen", sagte Mitautor Douglas Maraun von der Universität Graz.

Der Weltklimarat entwirft fünf Szenarien. Darunter sind zwei, in denen die Welt etwa 2050 Klimaneutralität erreicht und danach mehr CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter bleiben. Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich. "Wenn man sich anschaut, was die einzelnen Regierungen für den Klimaschutz zugesagt haben, würde man im Moment am ehesten im mittleren Szenario landen", sagte Notz. "Für die Zukunft bleibt aber natürlich unklar, ob die Zusagen eingehalten werden oder ob die Regierungen andererseits ihre Bemühungen noch verstärken werden."

China produziert ein Viertel des Treibhausgases

Ein Realitätscheck: Die Energie-Agentur der US-Regierung (EIA) hat 2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36 Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China produziert zur Zeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent. Der Anteil der CO2-Emissionen, die in Senken wie Wäldern oder Ozeanen aufgenommen werden und nicht in der Atmosphäre bleiben, liegt nach dem Bericht bei etwa 44 Prozent.

Der Bericht wurde von mehr als 230 Forschenden aus 66 Ländern verfasst. Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger wurde von den 195 IPCC-Mitgliedsländern einstimmig abgesegnet. "Die Regierungen sitzen also mit im Boot, keiner kann hinterher sagen: ich habe damit nichts zu tun", sagte Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie.

Nordrhein-Westfalen, Erftstadt: Autos stehen auf der überfluteten Bundesstraße 265 im Wasser. In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben der Landesregierung mehr als 19 000 Einsatzkräfte an den Rettungsarbeiten beteiligt.

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