Ankara
Davutoglu muss abtreten - Noch mehr Macht für Erdogan
6. Mai 2016, 8:14 Uhr aktualisiert am 6. Mai 2016, 8:14 Uhr
In den Büros der türkischen Regierungspartei AKP hängen die Porträts von Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu noch nebeneinander. In der Realität ist es mit der Eintracht vorbei: Die Davutoglu-Bilder werden bald abgehängt und entsorgt werden.
Seit langem schwelt ein ungleicher Machtkampf zwischen den beiden islamisch-konservativen Politikern, den Erdogan jetzt gewonnen hat. Das hat nicht nur schwerwiegende Konsequenzen für die Türkei, in der Erdogan nun noch mächtiger werden wird - sondern auch für Deutschland und die EU.
Davutoglu vor dem Scherbenhaufen seiner Laufbahn
Unmittelbar nach seinem größten politischen Erfolg steht Davutoglu vor dem Scherbenhaufen seiner langjährigen AKP-Laufbahn: Am Mittwoch erst empfahl die EU-Kommission das Ende der Visumpflicht für Türken - eine der ältesten und wichtigsten Forderungen Ankaras könnte damit schon Ende Juni Wirklichkeit werden. Noch davor wird am 22. Mai allerdings ein Sonderparteitag der AKP stattfinden, bei dem Davutoglu nicht mehr antreten wird, wie der scheidende Parteichef und Ministerpräsident selber am Donnerstag ankündigte.
Der 57-Jährige wird seit Tagen von Erdogan-Anhängern sturmreif geschossen. Auf einer Internetseite, die seit Sonntag online ist und für Schlagzeilen in der Türkei sorgt, werden schwere Anschuldigungen gegen den Regierungschef erhoben. Dieser schmiede Pläne hinter Erdogans Rücken, wolle den Präsidenten schwächen oder gar stürzen und sei ein "Verräter", heißt es dort. Die anonymen Davutoglu-Feinde haben ihre Internetseite "Pelikan-Akte" genannt - in Anlehnung an einen Verschwörungsthriller von Bestsellerautor John Grisham.
Auch in der AKP schritt die Entmachtung des Vorsitzenden voran, dem der Parteivorstand vor wenigen Tagen kurzerhand das Recht nahm, Funktionäre auf Bezirks- und Provinzebene zu ernennen. In seiner bislang kürzesten Rede vor der AKP-Fraktion im Parlament in Ankara deutete Davutoglu am Dienstag seine Bereitschaft zum Rücktritt an. Am Mittwochabend raste Davutoglus Kolonne mit Blaulicht durch Ankaras Regierungsviertel Cankaya, das Ziel: Der Präsidentenpalast. "Putsch des Palastes", titelte die Zeitung "Cumhuriyet" am Morgen danach.
Dabei hatte Erdogan selber Davutoglu zu seinem Nachfolger als Partei- und Regierungschef eingesetzt, als er sich im August 2014 zum Staatspräsidenten wählen ließ. Vorrangige Aufgabe Davutoglus sollte die Einführung eines Präsidialsystems mit Erdogan an der Spitze sein. Davutoglu sollte also seine eigene Macht demontieren.