Passau

Die Aschermittwochs-Aufgabe für Seehofer: Diplomatie gefragt


Beim Politischen Aschermittwoch dürfte die Flüchtlingskrise das alles beherrschende Thema sein.

Beim Politischen Aschermittwoch dürfte die Flüchtlingskrise das alles beherrschende Thema sein.

Der Aschermittwoch stellt an CSU-Chef Seehofer heuer besondere Herausforderungen: Im Streit mit der Kanzlerin um die Flüchtlingskrise ist eine Kunst gefordert, die zum üblichen Aschermittwochsgeholze nur wenig passt: Diplomatie.

Nach üblichen Maßstäben könnte CSU-Chef Horst Seehofer vor dem diesjährigen Aschermittwoch ein höchst zufriedener Mann sein: In den vergangenen Monaten hat die CSU serienweise Forderungen durchgesetzt. Und Seehofer hat hellseherische Fähigkeiten bewiesen: Seine Prophezeiungen des vergangenen Jahres sind nahezu vollumfänglich eingetreten. Und dennoch wird von Freude Seehofers am Mittwoch bei der Passauer Kundgebung wenig zu spüren sein.

Die Verschärfung des Asylrechts in den Asylpaketen I und II gehen großenteils auf Forderungen der CSU zurück - eine Bilanz, die Seehofer den gut 3000 Zuhörern in der Passauer Dreiländerhalle nicht vorenthalten wird. Dennoch ist genau das eingetreten, wovor Seehofer die CDU im vergangenen Jahr x-fach warnte: Die Union ist im Sinkflug, und am rechten Flügel freut sich die Konkurrenz von der AfD über mittlerweile zweistellige Umfragewerte.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Flüchtlingskrise das Hauptthema des Aschermittwochs sein wird. Kanzlerin Angela Merkel tritt erst am Nachmittag in Mecklenburg-Vorpommern auf, um Seehofer in Passau nicht die Schau zu stehlen. SPD-Chef Sigmar Gabriel macht um Bayern einen Bogen und hilft lieber in Mainz der vom Amtsverlust bedrohten rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die sich am 13. März einer Landtagswahl mit ungewissen Aussichten stellen muss.

Die größte Aufmerksamkeit wird voraussichtlich wie immer in Passau die CSU auf sich ziehen - insbesondere weil die Lage in der Union zum Zerreißen gespannt ist. Wird Seehofer neuerliche Provokationen in Richtung Merkel schleudern?

Auf dem Seziertisch zerlegt werden wird in Medien und sozialen Netzwerken auch der Auftritt von AfD-Chefin Frauke Petry im niederbayerischen Osterhofen, nachdem diese in einem Zeitungsinterview Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge angedeutet hatte. Zudem sieht die AfD nach derzeitigem Umfragestand jetzt schon wie die große Gewinnerin der drei Landtagswahlen am 13. März in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt aus - die Partei wird aller Voraussicht nach in alle drei Landesparlamente einziehen.

Knapp 750 Zuhörer und 70 Medienleute hätten sich bislang für die AfD-Kundgebung angemeldet, einschließlich Fernsehteams der großen Sender, sagt der bayerische Landessprecher Harald Kaliwoda - und hofft auf "ein bisschen Oktoberfeststimmung." Es ist aber auch eine Gegenkundgebung geplant.

Von einem um sieben Monate verfrühten Oktoberfest wird jedenfalls bei keiner anderen Partei etwas zu spüren sein. Die Kritik, er habe die AfD erst hochgeredet, pflegt Seehofer mit Schnauben zu quittieren. "Zu glauben, man kann sich so durchmogeln, ohne dass sich die Flüchtlingszahlen drastisch verringern, das wird nicht gelingen."

In der CSU wird mit grimmiger Befriedigung registriert, dass die Tonalität in CDU und SPD immer stärker der der CSU ähnelt, je näher die drei Landtagswahlen rücken. Inzwischen will sogar Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nicht integrationswilligen Flüchtlingen das Geld kürzen. "Man reibt sich die Augen", sagt Seehofer spöttisch.

Und dennoch kann der CSU-Chef keineswegs hemmungslos vom Leder ziehen. Trotz monatelanger Drohungen hat Seehofer die Kanzlerin bislang nicht dazu bewegen können, einer Obergrenze oder massenhaften Zurückweisungen von Flüchtlingen an der deutschen Grenze zuzustimmen.

Um nicht als zahnloser Tiger zu erscheinen, hat Seehofer daher den Konflikt bislang immer weiter eskaliert. In der CSU-Vorstandssitzung vor zwei Wochen äußerte Seehofer erstmals "Verständnis" für Rücktrittsforderungen an Merkels Adresse. "Man weiß nicht, wohin das noch führen soll", sagt ein besorgtes Mitglied der CSU-Spitze. Aber Seehofer hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Interesse, eine unkontrollierbare Personaldebatte um Merkel anzuheizen. Und deswegen ist von ihm vorsichtige Wortwahl gefordert - Aschermittwoch hin oder her.