Trauer

Einer, der Geschichte schrieb: Genscher mit 89 Jahren gestorben


Vor Beginn der Sitzung im Bonner Bundeskanzleramt unterhalten sich am 13.12.1976 (l-r): Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der SPD-Vorsitzende Willy Brandt.

Vor Beginn der Sitzung im Bonner Bundeskanzleramt unterhalten sich am 13.12.1976 (l-r): Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der SPD-Vorsitzende Willy Brandt.

Von Monika Müller

Hans-Dietrich Genscher ist am 31. März 2016 im Alter von 89 Jahren gestorben, das teilte sein Büro in Bonn mit.

Entspannungskurs, bessere Verhältnisse zur UdSSR, stärkere europäische Gemeinschaft, Wiedervereinigung Deutschlands, Ost-West-Dialog: 23 Jahre lang nahm Genscher als deutscher Politiker Einfluss auf innen- und außenpolitische Zielsetzungen. Er war Innenminister oder Außenminister sowie Vizekanzler unter den Regierungen von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl.

Blutige Geiselnahme während der Olympischen Spiele

Fünf Jahre bekleidete er von 1965 bis 1969 das Amt des Innenministers und feilte in diesem Zeitraum am Kurs der sozialliberalen Koalition, die sich unter der bundesdeutschen Führung von Willy Brandt befand. In Genschers Amtszeit als Innenminister fiel damals die fatale Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Spiele in München 1972. Acht palästinensische Terroristen stürmten das Quartier der israelischen Mannschaft und nahmen elf der Mannschaftsmitglieder als Geisel. Genschers Engagement zur Erlangung einer friedlichen Lösung ging soweit, dass er sich sogar selbst als Geisel angeboten hatte. Sein Angebot wurde von den palästinensischen Geiselnehmern allerdings abgelehnt. Während der Geiselnahme und dem verzweifelten Befreiungsversuch starben insgesamt 17 Menschen. Das Scheitern der Befreiung bezeichnete Genscher als seinen Karriere-Tiefpunkt. Die Erfahrungen aus dieser Geiselnahme ließ der deutsche Politiker in die Diskussionen vor der NATO-Vollversammlung 1976 einfließen. Hier schlug er eine Anti-Terrorismus-Konvention vor, nach der unter keinen Umständen auf Forderungen von Geiselnehmern eingegangen werden sollte. Sein Nachname erreichte weltweite Bekanntheit.

Eine Größe in der deutschen Außenpolitik

Von 1974 bis 1992 bekleidete der FDP-Politiker 18 Jahre lang fast ununterbrochen das Amt des Außenministers und des Vizekanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Er bestimmte den Kurs der deutschen Außenpolitik an der Seite des Bundeskanzlers Helmut Schmidt maßgeblich mit. Er nahm an den Verhandlungen zur KSZE-Schlussakte teil, die den Grundstein für die Nachfolger-Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) legten, die schließlich 1995 institutionalisiert wurde. An der Seite von Bundeskanzler Helmut Schmidt reiste Genscher nach Moskau, um die sowjetische Führung zu einer gemäßigten Waffenpolitik zu bewegen. Die russischen atomaren Mittelstreckenraketen, die auf Westeuropa gerichtet waren, brachten das strategische Gleichgewicht in Europa ins Schwanken. Im 1979 vereinbarten NATO-Doppelbeschluss sollten sowohl die UdSSR als auch die USA mehr Interesse an Nachrüstung und Rüstungskontrolle umsetzen. Die Dialoge der deutschen, führenden Politiker und somit auch von Genscher forderten stets viel Feingefühl in Hinblick auf amerikanische und russische Interessen und ein ausgeklügeltes Krisenmanagement.

Als Außenminister und Vizekanzler unter Helmut Kohl von 1982 bis 1992 setzte sich Genscher weiter für eine Entspannungspolitik ein. Auch nahm er an den "2 + 4"-Gesprächen teil, als Ende der 80er Jahre sowohl von den vier Siegermächten aus dem zweiten Weltkrieg, USA, Frankreich, Großbritannien und Russland, als auch von der DDR und der BRD an einer gesamtdeutschen Lösung gefeilt wurde.

Maßstab für die FDP

Hans-Dietrich Genscher war einer der letzten großen Persönlichkeiten, nicht nur für die Ausgestaltung der deutschen Außen- und auch Innenpolitik insbesondere vor der Wiedervereinigung. Sondern auch die seiner Partei: der FDP. Er war mit 35 Jahren der FDP als Rechtsanwalt beigetreten Von 1974 bis 1985 wurde er zum Bundesvorsitzenden der FDP berufen. Als er sich 1992 aus der Bundesregierung zurückgezogen hatte, wurde er noch im gleichen Jahr zum Ehrenvorsitzenden der FDP ernannt.

Mit 89 Jahren ist der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher gestorben.

Mit 89 Jahren ist der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher gestorben.