Prag
EVP-Fraktionschef Weber fordert von Osteuropa Zugeständnisse in der Flüchtlingskrise
12. Dezember 2015, 14:27 Uhr aktualisiert am 12. Dezember 2015, 14:27 Uhr
"Solidarität ist keine Einbahnstraße". Diese Botschaft hat der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament (EVP) und CSU-Vize Manfred Weber am Freitag in Prag deutlich gemacht.
Aus Anlass des regulären Treffens des EVP-Fraktionsvorstands in Prag traf Weber auch mit dem tschechischen Premierminister Bohuslav Sobotka zusammen. Tschechien gehört, gemeinsam mit anderen osteuropäischen Staaten, zur Gruppe jener, die eine Aufnahme von Flüchtlingen nach einer festen Verteilquote bisher ablehnen.
Allerdings, so glaubt Weber, werde auch in Tschechien zunehmend verstanden, dass ein kategorisches Nein zu dieser Quote auf Dauer nicht durchzuhalten ist. "Das Verständnis dafür wächst, dass jeder einen Beitrag leisten muss", sagte Weber am Freitag unserer Zeitung. Auch in Osteuropa gebe es derzeit lebhafte Diskussionen über das weitere Vorgehen.
Alle müssen mithelfen
Doch zumindest in einer Übergangszeit müsse Europa mehrere Arten von Hilfeleistungen akzeptieren. "Einige Staaten nehmen Flüchtlinge auf. Andere beteiligen sich finanziell und wieder andere helfen verstärkt bei der Sicherung der EU-Außengrenzen", sagte Weber. Dass sich einzelne Staaten dann aus ihrer Verantwortung zur Aufnahme von Flüchtlingen herauskaufen könnten, wollte Weber nicht stehen lassen. "Wir müssen jetzt alle möglichen Facetten von Hilfen zusammenbringen", betonte er. Als Fortschritt wertet er überdies, dass die EU-Mitgliedstaaten sich dazu bereit erklärt hätten, ihren Anteil von 1,5 Milliarden Euro an Hilfszahlungen für die Türkei in Höhe von insgesamt drei Milliarden Euro (der Rest stammt aus dem EU-Haushalt) zu zahlen - ausdrücklich auch die osteuropäischen Staaten. Diese Hilfe sei so wichtig, weil in der Türkei der Schlüssel zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen liege. Von Drohungen hält Weber dagegen nichts. Eine Gleichung, wer keine Flüchtlinge aufnimmt, solle auch keine Leistungen mehr aus Brüssel erhalten, hält der EVP-Fraktionschef für kontraproduktiv. Wenn aber eine Bewegung ausbleibe, werde das unweigerlich in Brüssel die Stimmung belasten. Doch das wolle er vermeiden, und setzt stattdessen darauf, dass die Staaten ihre Solidaritätsverpflichtungen auch anerkennen.
Weber erwartet nicht, dass beim anstehenden EU-Gipfel am 17. und 18. Dezember schon Ergebnisse auf dem Tisch liegen werden. Dazu sei es zu früh. Aber viele Länder hätten nun zahlreiche Zusagen gemacht. Daher solle das Treffen in Brüssel dazu dienen, erst einmal Bilanz zu ziehen. Es bringe auch nichts, ständig neue Versprechungen zu machen - Maßnahmen müssten auch Zeit haben, um zu wirken.
Merkel schon "sehr weit auf ihre Kritiker zugegangen"
Allerdings wird sich der Gipfel auch mit der EU-kritischen Haltung der Briten befassen. In einigen Punkten, wie dem Bürokratieabbau, könne man sicher auf Premier David Cameron zugehen. Wenn dieser aber fordere, Arbeitnehmer aus der EU für vier Jahre von Sozialleistungen auszuschließen, gehe das zu weit. "Im Binnenmarkt gilt Freizügigkeit eben nicht nur für Geldflüsse in Richtung London", betonte Weber. Doch sei man bereit, Cameron "Brücken zu bauen".
Vom Vorschlag von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), einen EU-Kommissar für Außengrenzen einzusetzen, hält Weber indes recht wenig. "Niemand glaubt doch, dass ein neuer Kommissar die Lösung für das Problem der offenen Außengrenzen ist."
Die Weigerung der CDU, auch beim anstehenden Bundesparteitag eine Obergrenze für Flüchtlinge zu beschließen, bedauert Weber zwar. Aber er gibt zu bedenken, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Abkommen mit der Türkei und der Erklärung gegenüber Afghanistan, keine Flüchtlinge mehr aus dem Land am Hindukusch aufnehmen zu wollen, schon sehr weit auf ihre Kritiker zugegangen sei.