Mord in Auschwitz
Ex-SS-Wachmann vor Gericht: Beihilfe zum 170.000 fachen Mord
11. Februar 2016, 12:19 Uhr aktualisiert am 11. Februar 2016, 12:19 Uhr
Im Konzentrationslager Auschwitz soll er Teil der Tötungsmaschinerie gewesen sein. Mehr als 70 Jahre hat es gedauert, bis sich der einstige Wachmann vor Gericht verantworten muss. Nun ist er 94 und nur noch eingeschränkt verhandlungsfähig.
Wenige Monate nach dem Urteil von Lüneburg hat ein weiterer Auschwitz-Prozess begonnen: Ein früherer SS-Wachmann des Konzentrationslagers muss sich seit Donnerstag vor dem Landgericht Detmold verantworten. Dem 94-Jährigen aus Lippe wird Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen vorgeworfen.
Dutzende Journalisten aus dem In- und Ausland verfolgten den Prozessauftakt. Auch Auschwitz-Überlebende und Angehörige kamen zur Verhandlung in den Räumen der Industrie- und Handelskammer. Dorthin ist die Schwurgerichtskammer umgezogen, weil der Platz im Gericht nicht ausreichte.
Der Angeklagte soll 1943 und 1944 als Angehöriger des SS-Totenkopfsturmbanns Auschwitz im Stammlager eingesetzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn der Beihilfe bei der sogenannten "Ungarn-Aktion" - der gut dokumentierten Deportation und Ermordung von Juden aus Ungarn 1944 -, der Beihilfe bei Massenerschießungen und der von den Nazis so genannten Selektion von KZ-Insassen zur Ermordung.
Der Angeklagte hat bereits vor dem Prozess eingeräumt, im Stammlager eingesetzt gewesen zu sein. Eine Beteiligung an Tötungen von Menschen bestreitet er aber. Die Staatsanwaltschaft betont, mit seinem Einsatz als Wachmann habe er zum Funktionieren der Maschinerie beigetragen.
Im vergangenen Jahr war bereits ein anderer in Auschwitz eingesetzter SS-Mann am Landgericht Lüneburg in Niedersachsen wegen Beihilfe zum 300.000-fachen Mord zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil gegen den "Buchhalter von Auschwitz", Oskar Gröning, ist noch nicht rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof muss noch über die Revision entscheiden.
Für den Prozess am Detmolder Landgericht sind zunächst zwölf Prozesstage bis Ende Mai vorgesehen. Mit Rücksicht auf die Gesundheit des hochbetagten Angeklagten ist die Verhandlungsdauer auf zwei Stunden begrenzt.
Zum Prozessauftakt war auch die verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck erschienen. Die 87-Jährige wurde vor dem Eingang von Anwesenden bedrängt und musste von der Polizei geschützt werden. Sie verließ den Ort dann wieder.