Weniger Boni für Banker?
Großes Aufräumen bei Deutscher Bank: Rekordverlust im dritten Quartal
8. Oktober 2015, 16:35 Uhr aktualisiert am 8. Oktober 2015, 16:35 Uhr
Aktionäre müssen um die Dividende bangen, Mitarbeiter um Boni. Die Deutsche Bank überrascht die Märkte mit tiefroten Zahlen für das dritte Quartal.
Frankfurt/Main (dpa) - Das große Aufräumen unter dem neuen Vorstandschef John Cryan bezahlt die Deutsche Bank mit dem höchsten Milliardenverlust ihrer Firmengeschichte. Deutschlands größtes Geldhaus erwartet für das dritte Quartal unter dem Strich 6,2 Milliarden Euro Verlust - das ist noch mehr als zum Höhepunkt der Finanzkrise 2008 als die Lehman-Pleite die Finanzwelt schockte.
Grund für die tiefroten Zahlen, mit denen der Frankfurter Dax-Konzern überraschend am späten Mittwochabend an die Öffentlichkeit ging, sind gigantische Abschreibungen vor allem auf den Wert der Tochter Postbank, von der die Deutsche Bank sich trennen will, und das nicht mehr so lukrative Investmentbanking.
Lesen Sie hier: Das folgenschwere Breuer-Interview und die Deutsche Bank
Mitarbeiter sollen einen "Teil der Belastung tragen"
Aktionäre und Mitarbeiter müssen sich nun auf Einbußen gefasst machen: Die Bank kündigte an, die Dividende für das Geschäftsjahr 2015 zu reduzieren oder ganz ausfallen zu lassen. Es wäre das erste Jahr seit den 1950er Jahren ohne Gewinnausschüttung der Bank. Die Mitarbeiter müssen mit geringeren Boni rechnen. Es sei zwar diesbezüglich noch keine Entscheidung gefallen, schrieb Cryan an die Belegschaft. Die Aktionäre erwarteten jedoch "zu Recht, dass die Mitarbeiter einen Teil der Belastung tragen".
Details zu den Quartalszahlen will die Deutsche Bank am 29. Oktober vorlegen - einen Tag später als zunächst geplant. Dann soll die Öffentlichkeit auch erfahren, an welchen Stellschrauben der seit Juli amtierende Co-Chef Cryan noch drehen will, um den deutschen Branchenprimus wieder auf Kurs zu bringen. Zuletzt hieß es in Finanzkreisen, dass über die bereits im April beschlossene Trennung von der Postbank hinaus bis zu 10 000 Stellen auf der Kippe stünden.
Den gewaltigen Verlust erklärte die Bank in erster Linie mit drei Faktoren, die sich auf rund 7,6 Milliarden Euro addieren. Allein auf den Geschäfts- und Firmenwert im Privatkundengeschäft sowie im Investmentbanking schreibt der Konzern rund 5,8 Milliarden Euro ab. Weitere 600 Millionen Euro wird das größte deutsche Geldhaus auf seine knapp 20-prozentige Beteiligung an der chinesischen Bank Hua Xia abschreiben, die nun ebenfalls veräußert werden soll.
Hinzu kommen weitere Rückstellungen von rund 1,2 Milliarden Euro für die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten. Die Altlasten dürften die Bank nach Cryans Einschätzung noch lange beschäftigen. Er rechne damit, "dass Kosten und Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten uns auch in zukünftigen Quartalen weiter belasten werden", bekräftigte der Brite.
Trotzdem gute Bonitätsnoten
Trotz des gewaltigen Verlusts soll die harte Kernkapitalquote - als Krisenpuffer - bei rund elf Prozent bleiben. Grund ist, dass die nun abgeschriebenen immateriellen Vermögenswerte ohnehin von den Aufsehern nicht als Eigenkapital akzeptiert wurden. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) erklärte, die Abschreibungen drückten die vergleichsweise guten Bonitätsnoten der Bank nicht.
Der ehemalige UBS-Finanzvorstand Cryan hatte zum 1. Juli Anshu Jain an der Führungsspitze der Bank abgelöst. Der zweite Co-Chef, Jürgen Fitschen, bleibt noch bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 im Amt, ehe der Brite alleine das Ruder übernimmt.
Noch in Jains Amtszeit hatte die Bank im April beschlossen, sich von der Postbank zu trennen und rund ein Drittel der 700 eigenen Filialen zu schließen. Daran will Cryan festhalten, wie er kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte. Er hatte diese Entscheidungen als Mitglied des Deutsche-Bank-Aufsichtsrats mitbeschlossen. Analysten und Investoren vermissten jedoch den großen Befreiungsschlag. Am Donnerstag legte die Deutsche-Bank-Aktie nach anfänglichen Verlusten bis zum Nachmittag leicht zu. An der Börse setzte sich die Einschätzung durch, dass die Gefahr einer Kapitalerhöhung nun vorerst gebannt sei.