Kommentar zur Flüchtlingskrise

Merkel handelt – endlich


Bundeskanzlerin Angela Merkel schwenkt in der Flüchtlingspolitik um.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schwenkt in der Flüchtlingspolitik um.

Von Dr. Gerald Schneider

Nun also soll es Peter Altmaier richten. Seit gestern ist der Kanzleramtsminister und enge Merkel-Vertraute Gesamtkoordinator der Bundesregierung für Flüchtlingsfragen. Die Entscheidung kommt reichlich spät. Zu lange hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Sache laufen lassen. Die Geduld in Städten und Gemeinden ist am Ende und die große Welle der Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ebbt spürbar ab. Merkel scheint erkannt zu haben, dass mit einem reinen "Wir schaffen das" dieser Herausforderung auf Dauer nicht beizukommen ist.

Für Innenminister Thomas de Maizière bedeutet die Entscheidung ein weiteres Stück seiner Entmachtung. Bisher war er für das Management des Flüchtlingsstroms zuständig. Wesentliche Entscheidungsbereiche sind jetzt ins Kanzleramt verlagert. Die besonnene Art, die de Maizière in seiner politischen Karriere geholfen hat, hat ihn zuletzt doch recht unentschlossen und überfordert aussehen lassen. Nun reagiert Merkel und nimmt ihren Innenminister im derzeit wichtigsten Politikbereich praktisch aus dem Spiel. Er wird zum Auftragsempfänger.

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Wunder wird allerdings auch der als zupackend und pragmatisch geltende Altmaier nicht vollbringen können. Weder wird er dazu in der Lage sein, den Flüchtlingsstrom einzudämmen, noch werden sich von heute auf morgen die langen Bearbeitungszeiten von Asylanträgen verkürzen. Und auch die notwendigen Wohnungen für die Flüchtlinge werden nicht von heute auf morgen plötzlich verfügbar sein. Dennoch geht von der Entscheidung, Altmaier zum Gesamtkoordinator zu ernennen, ein klares Signal aus: Flüchtlingspolitik ist künftig Chefsache.

Der Irrweg

Das lange Hoffen auf eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage und die Einigung auf eine Verteilquote, worauf die Kanzlerin bislang immer setzte, hat sich als Irrweg erwiesen. Die CDU-Vorsitzende muss anerkennen, dass ihr bisheriger Kurs des Beschwichtigens zu scheitern droht. Nicht nur sind ihre Zustimmungswerte in der Bevölkerung rapide abgesackt, auch die Kritik aus den eigenen Reihen sowie der Schwesterpartei CSU dürften die Regierungschefin wohl zum Handeln bewogen haben. Schließlich hatte CSU-Chef Horst Seehofer in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik als grundfalsch abzulehnen. Dass Seehofer ausgerechnet gestern Tausende zusätzliche Stellen zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms ankündigte, dürfte kein Zufall gewesen sein. Er will Fakten schaffen und Merkel in der Flüchtlingspolitik vor sich her treiben. Auch das wird Altmaier abfedern müssen.

Doch ist es mit der Benennung eines Gesamtkoordinators alleine nicht getan. Altmaier muss nicht nur koordinieren, kommunizieren und organisieren - irgendwann muss die Bundesregierung Farbe bekennen und sagen, wie das "Wir schaffen das" denn konkret aussehen soll. Es gilt ja nicht nur die ständig steigenden Flüchtlingszahlen zu bewältigen. Denn selbst wenn der Flüchtlingsstrom über Nacht abreißen sollte, warten noch ganz andere Herausforderungen auf die Bundesrepublik. Die Integrationsarbeit hat noch gar nicht begonnen. Und wenn durch Familiennachzug von den anerkannten Flüchtlingen weitere fünf, sechs oder sieben Millionen Menschen nach Deutschland kommen sollten, so wird dies das Land nachhaltig verändern. Ein Masterplan dazu, wie das zu stemmen ist, existiert nicht.

Auch dafür wird Altmaier Antworten liefern müssen. Die Bundesregierung, sie handelt - endlich. Für das Land aber auch für die Flüchtlinge wäre es eine Katastrophe, wenn das "Wir schaffen das" am Ende scheitern sollte.