Interview

Spahn hofft auf gemeinsame Lösung - sonst kann EU "ganz schnell auseinanderfliegen"


Jens Spahn hofft weiter auf eine europäische Lösung in der Flüchtlingskrise.

Jens Spahn hofft weiter auf eine europäische Lösung in der Flüchtlingskrise.

Die Flüchtlingskrise ist finanzierbar. Davon ist Jens Spahn (CDU) überzeugt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium verweist dabei im Interview mit unserer Zeitung auf den "historischen Überschuss" im Bundeshaushalt. Auch die schwarze Null sei zu halten - dies hänge aber davon ab, wie viele Flüchtlinge noch kommen. Daher ist es Ziel der Regierung, diese Zahl "deutlich zu reduzieren".

Herr Spahn, wie lange kann die schwarze Null angesichts der Kosten der Flüchtlingskrise Bestand haben?

Spahn: Wir sind in der glücklichen Lage, beim Bund für 2015 einen historischen Überschuss von 12,1 Milliarden Euro zu haben. Der Kurs der vergangenen Jahre, Einnahmen und Ausgaben endlich zusammenzubringen. So können wir jetzt die neuen Aufgaben im Zuge der Flüchtlingskrise finanzieren, und trotzdem den Haushalt ausgeglichen halten.

Die Länder fordern aber immer größere Summen zur Finanzierung der Flüchtlingskrise. Reichen die Überschüsse dazu aus?

Spahn: Wenn für den Bund die Zinsen niedrig sind und die Steuereinnahmen hoch, dann ist das für die Länder auch so. Einige Länder haben ebenfalls Überschüsse, sodass wir diese Herausforderung gemeinsam stemmen können. Nach unseren Planungen können wir die schwarze Null halten. Aber das hängt natürlich auch davon ab, wie viele Flüchtlinge in den kommenden Wochen noch nach Deutschland kommen. Unser Ziel ist es, die Zahl deutlich zu reduzieren.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat eine europaweite Abgabe auf Sprit zur Finanzierung der Flüchtlingskrise vorgeschlagen. Denken Sie, dass die Bevölkerung so etwas mittragen würde - angesichts von Rekordsteuereinnahmen?

Spahn: In Brüssel ringen wir ja gerade darum, die vereinbarten drei Milliarden Euro für die Unterstützung der Türkei zusammenzubringen. Deutschland hat längst zugesagt, seinen Anteil bereitzustellen. Es gibt aber auch Länder, die entweder nicht willens, oder nicht in der Lage sind, Geld für die bessere Zusammenarbeit Europas mit seinen Nachbarregionen zur Verfügung zu stellen. Der Hinweis auf andere Finanzquellen war vor allem auch als Weckruf zu verstehen.

Die Chefs der Koalitionsparteien haben sich auf das Asylpaket II geeinigt. Tut sich jetzt was, um die Flüchtlingszahlen deutlich nach unten zu bringen?

Spahn: Wir tun ja schon seit Monaten was. Wir müssen aber endlich geltendes Recht durchsetzen und Menschen ohne Bleiberecht auch konsequent abschieben. Das ist hart, aber ehrlich. Hinzu kommt, dass ärztliche Atteste bisher bis zu 80 Prozent der Abschiebungen verhindert haben, und zwar auch dann, wenn jemand gar nicht akut krank war. Das ändern wir gerade. Wichtig ist, dass es endlich gelingt, die EU-Außengrenze zu sichern. Und dass wir die Lage der Flüchtlinge in Ländern wie der Türkei oder im Libanon verbessern und ihnen dort eine Perspektive zu geben. Beides muss zusammenkommen. National haben wir Mehrheiten für Maßnahmen im Bereich Asyl und Integration, die vor sechs Monaten noch undenkbar waren. Auf europäischer Ebene kämpft die Bundesregierung Tag und Nacht dafür, dass hier mehr passiert.

Wie sehr glauben Sie ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat erschüttert?

Spahn: Wir spüren alle, dass es große Sorgen gibt. Es sind nun in kurzer Zeit sehr viele Menschen neu zu uns gekommen, was unser System auch unter Spannung setzt. Wenn die Flüchtlingszahlen nicht bald deutlich sinken, wird das Deutschland überfordern. Deshalb brauchen wir auf europäischer Ebene endlich Ergebnisse - nicht nur auf dem Papier. Wir sollten jedenfalls alles probiert haben. Ansonsten könnte die EU ganz schnell auch auseinanderfliegen.

Wie groß sind Ihrer Ansicht nach die Chancen darauf, dass sich der Bund mit den Ländern bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen einigt?

Spahn: Die Gespräche dazu laufen. Ich denke, es ist verständlich, dass der Bund hier noch Gesprächsbedarf sieht. Die Lösung, wenn der Bund alles bezahlt, sind alle Probleme gelöst, scheint mir etwas zu einfach. Aber alle Seiten haben Interesse an einer Lösung.

Wie weit sind Sie bereit der CSU bei der Reform der Erbschaftsteuer entgegenzukommen? In Bayern will man zusätzliche Belastungen vor allem für Familienbetriebe vermeiden.

Spahn: Das wird gerade zwischen CDU, CSU und SPD im Bundestag verhandelt. Man muss jetzt ausloten, welche Veränderungen noch möglich sind. Gerade zwischen CSU und SPD sind die Vorstellungen schon noch weit auseinander. Die Frage ist jetzt, gelingt überhaupt eine Lösung? Die Frist dafür läuft zum 30. Juni aus, dann wäre jede Betriebsübergabe - jede Vererbung steuerpflichtig. Das wäre sicher kein guter Zustand. Wir sind an einer Lösung interessiert und versuchen nun, die unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen. Das ist aber im Detail nicht einfach. Übrigens war es nicht das Bundesfinanzministerium, das hier Veränderungen wollte, sondern Auslöser war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.