Wien
Spannung pur vor historischer Präsidentenwahl in Österreich
21. Mai 2016, 14:11 Uhr aktualisiert am 21. Mai 2016, 14:11 Uhr
Grün gegen Blau - so lautet das noch nie da gewesene Duell bei der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten in Österreich. Es wird ein Signal, ob die Rechtspopulisten auf der Erfolgsspur bleiben.
Zu einer richtigen Entschuldigung wollte sich keiner der beiden Kandidaten durchringen. Im letzten TV-Duell vor der Wahl des Bundespräsidenten in Österreich raffte sich der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen nur zum Bekenntnis auf: "Das nächste Mal würde ich das nicht mehr machen." Sein Kontrahent Norbert Hofer von der rechten FPÖ hält dagegen: "Politiker müssen Feuer in sich tragen."
Im vorletzten, unmoderierten TV-Duell hatten sich beide Rivalen noch übel beschimpft. Bei der moderierten Sendung am Donnerstagabend im ORF gaben sich beide kurz vor der historischen Wahl am Sonntag nun staatstragend. Erstmals stehen sich im Rennen um das höchste Amt im Staat "Grün" und "Blau" - die Parteifarbe der FPÖ - gegenüber.
Während der 45-jährige Hofer bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 24. April bereits 35,1 Prozent einfuhr, muss sich der 72-jährige Wirtschaftsprofessor Van der Bellen nach 21,3 Prozent wesentlich mehr anstrengen, weitere Wähler zu gewinnen. Auch wenn beide von null starten, geht Hofer als Favorit ins Rennen.
Die letzte Umfrage vom 12. Mai wies ein Verhältnis von 53 Prozent zu 47 Prozent zugunsten von Hofer aus. Den 45-Jährigen scheint nur ein sehr schmaler Graben vom Einzug in die Hofburg zu trennen. Es wäre europaweit einer der bis dato größten Coups der Rechtspopulisten.
6,4 Millionen Wähler können am Sonntag bestimmen, wer das höchste Amt in der Alpenrepublik für die nächsten sechs Jahre bekleidet. Amtsinhaber Heinz Fischer scheidet nach zwölf Jahren verfassungsgemäß aus.
Die Strategie des als besonnen und bedächtig geltenden grünen Professors ist der Kampf um die Nichtwähler und die Unentschlossenen. "Jeder, der mich nicht leiden kann, aber Hofer vielleicht noch weniger leiden kann, den bitte ich, zur Wahl zu gehen und am 22. Mai ein Auge zuzudrücken", sagt er wiederholt.
Die Wahl wird auf jeden Fall einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern zumindest in Österreich bekommen. Erstmals hat es kein Kandidat von sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP in die Stichwahl geschafft. Ein Umstand, über den der Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann (SPÖ) ein paar Tage später stürzte.
Aufgrund der jüngsten politischen Turbulenzen wird es besonders spannend. Der Rücktritt Faymanns und die neue Kanzlerschaft des Machertypen Christian Kern (SPÖ) könnten manchen Protestwähler nun zögern lassen. "Der Anteil der Protestwähler bei der ersten Runde war ungewöhnlich hoch", sagt der Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, Wolfgang Bachmayer.
Es kommt nicht zuletzt auf die Mobilisierung der Wähler der einstigen unabhängigen Mitbewerberin Irmgard Griss an. Die Top-Juristin hatte im ersten Wahlgang rund 19 Prozent der Stimmen bekommen. Sie stellte sich nun an die Seite des Ex-Grünen. "Ich habe (per Briefwahl) Van der Bellen gewählt", bekannte sie.
Ob der zuletzt bissige und auch beleidigende Lagerwahlkampf zwischen Grün und Blau wirklich mobilisieren kann, ist unklar. "Der hat möglicherweise Wähler abgeschreckt, die ohnehin nicht mit ganzem Herzen und mit zugehaltener Nase das kleinere Übel wählen wollten", meint Bachmayer.
Die Botschaften der beiden Kandidaten waren: "Ich bin der Mann des Volkes, der der Regierung auf die Finger schauen wird, und nicht der Schickeria-Kandidat" (Hofer), "Ich bin der besonnene, europafreundliche Präsident, der Österreich nach innen und außen besser vertreten wird" (Van der Bellen). Der 72-Jährige spielte dabei mit seiner Warnung vor einer "blauen Republik" auch die Angst-Karte. "Mit dem Thema "Angst" arbeitet sonst gern die FPÖ", sagt der Meinungsforscher mit Blick auf Kampagnen zur Flüchtlingskrise.
Dass beide eine aktivere Rolle im Präsidentenamt angekündigt haben, hält der Politikwissenschaftler Anton Pelinka eher für einen Wahlkampf-Gag. "Die Kandidaten müssen ihr Amt wichtiger machen, als es ist." Unter den Intellektuellen des Landes teilt der Autor Thomas Glavinic als einer der wenigen nicht die verbreitete Alarmiertheit wegen eines möglichen "blauen" Präsidenten. "Ich bin froh und dankbar, Österreicher zu sein, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn Hofer Bundespräsident wird", sagte er im Interview der Zeitung "Kurier".