Katastrophen

Türkischer Katastrophenschutz warnt vor intensiven Nachbeben

Der Bedarf an Nothilfe für die Erdbebenopfer in Syrien ist riesig, Lieferungen kommen aber nur stockend. Auch in der Türkei gibt es Streit um Hilfsgüter. Noch immer erschüttern Nachbeben die Region.


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Ein Mann geht an eingestürzten Gebäuden im syrischen Jinderis vorbei.

Auch eineinhalb Wochen nach der Erdbebenkatastrophe mit Zehntausenden Toten erschüttern viele weitere Erdstöße die türkisch-syrische Grenzregion. Nach Angaben des türkischen Katastrophenschutzes vom Mittwoch wurden schon mehr als 3800 Nachbeben registriert - 38 mit einer Stärke über 5. Die Behörde warnte vor weiteren "intensiven Nachbeben".

Der Bedarf an Hilfsgütern in Syrien ist derweil riesig. "Trotz der Ankunft von 90 Hilfs-Transportern sinkt die Menge der humanitären Mittel in Lagerhäusern in Syrien auf ein kritisch niedriges Niveau", schrieb Samantha Power, Chefin der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe (USAID), bei Twitter.

Seit den ersten Beben am Montag vor einer Woche brachten 95 Lastwagen Hilfsgüter in den Nordwesten Syriens, der von Rebellen kontrolliert wird. Zudem wurden UN-Güter verteilt, die schon vor der Katastrophe im Land gelagert waren, darunter etwa 2000 Zelte und Decken. Im Land gibt es demnach Tabletten zur Wasseraufbereitung für bis zu 500.000 Menschen.

Für die Opfer der Erdbeben im Nordwesten traf nach Angaben der britischen Denkfabrik Chatham derweil noch keine Hilfe aus den Gebieten der Regierung von Präsident Baschar al-Assad ein.

Auch in der Türkei gibt es Streit um die Nothilfe für die Erdbebenopfer: Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP beschuldigte den türkischen Katastrophenschutz (Afad), Öfen, Holz und Kohle in eigene Depots gebracht zu haben. Afad ist dem Innenministerium unterstellt und reagierte zunächst nicht auf die Vorwürfe.

Auch Rohingya-Flüchtlinge aus überfüllten Lagern in Bangladesch schickten Hilfe in Form von Decken und Jacken, wie Rohingya-Anführer Sahat Zia Hero sagte. Die Menschen sind selbst auf internationale Hilfe angewiesen. "Wir können den Schmerz, obdachlos zu sein, nachfühlen." Die Türkei habe selbst viel geholfen, als es 2017 zu einer Massenflucht der Angehörigen der muslimischen Minderheit vor Repression und Verfolgung in ihrem mehrheitlich buddhistischen Heimatland Myanmar gekommen war.

Nach der Katastrophe mit inzwischen 40.000 bestätigten Todesopfern schwinden die Hoffnungen, noch Überlebende zu finden, immer weiter. Ein niederländisches Rettungsteam rettete eigenen Angaben zufolge in der türkischen Stadt Antakya aber nach neun Tagen drei Männer und ein Kind aus den Trümmern. In der Nacht auf Mittwoch seien ein Vater und sein Sohn gefunden, am Dienstagabend die beiden anderen Männer geborgen worden. Rettungshunde hätten ihre Spuren gewittert.

Zwei Brüder, die Berichten zufolge am Dienstagmorgen gerettet wurden, erzählten unterdessen türkischen Medien, dass sie die lange Zeit mit Hilfe von Proteinpulver und ihrem eigenen Urin überlebt hätten.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte ein erstes Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr (MEZ) die Südosttürkei erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6.

Mittlerweile wenden sich die Überlebenden auch der Aufgabe zu, noch ein paar Andenken aus den Trümmern zu retten. In der syrischen Provinz Latakia suchten Dutzende nach persönlichem Besitz unter den Trümmern. So wie Sainab Ali, die versucht, Fotoalben zu finden. "Ich habe Hunderte Fotos meiner Kinder, von mir als Kind, Andenken an die Schule und Universität, meine Hochzeitsfotos", sagte sie unter Tränen. "Nach diesem Erdbeben haben wir unsere Vergangenheit verloren."

Alleine in der Türkei kamen mehr als 35.000 Menschen ums Leben, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Aus Syrien wurden zuletzt 5900 Tote gemeldet. Tausende in der Grenzregion werden noch vermisst.

Zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkriegs besuchte der jordanische Außenminister wieder Syriens Machthaber Baschar al-Assad, um eine Beileidsbekundung von König Abdullah II. zu überbringen.

In Nordrhein-Westfalen trieb derweil eine Falschmeldung über ein unmittelbar bevorstehendes Erdbeben in der Nacht zum Mittwoch mehrere Tausend Menschen ins Freie. Die Warnung habe sich über die sozialen Medien vor allem in den rumänischen Communitys in verschiedenen Städten verbreitet, teilte die Polizei mit. Einsatzkräfte hatten Mühe, die Menschen zu beruhigen.