Kommentar

Warnschuss für Renzi


Regierungschef Matteo Renzi.

Regierungschef Matteo Renzi.

Bürgermeisterwahlen sind lokale Ereignisse - so weit, so klar. Das hat auch Italiens linksliberaler Regierungschef Matteo Renzi vor den Stichwahlen am Sonntag immer wieder betont. Das Ergebnis allerdings hat nun Signalwirkung weit über die lokale Ebene hinaus. Für den Premier ist es ein Warnschuss.

Dass das Bürgermeisteramt von Rom an die Kandidatin des populistischen Movimento Cinque Stelle - Fünf Sterne - von Beppe Grillo gehen würde, war nach dem ersten Wahlgang keine große Überraschung mehr. Die Ewige Stadt gilt als weitgehend unregierbar. Die Römer kämpfen mit Schlaglöchern, verstopften Straßen, Luftverschmutzung und einer ineffizienten, teils korrupten Stadtverwaltung, die seit vielen Jahren meist von Mitte-links-Politikern geführt wird. Ob die neue Bürgermeisterin Virginia Raggi auf diesem Schleuderstuhl mehr erreichen kann, bleibt abzuwarten. Zumindest hat sie sich klar gegen eine Bewerbung der Hauptstadt für die Olympischen Spiele 2024 ausgesprochen. Offenbar ist die Mehrheit der Römer wie sie der Auffassung, dass die Stadt andere Probleme hat und sich nicht auch noch mit so einer Mega-Veranstaltung überfordern sollte. Zu denken geben muss Renzi vielmehr, dass in der Industriemetropole Turin, der viertgrößten Stadt des Landes, völlig unerwartet der amtierende Bürgermeister seines Partito Democratico abgewählt wurde. Auch hier gewann eine Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung von Grillo. Der große Zuspruch für die politischen Neulinge dieser Protestpartei zeigt, wie unzufrieden die Italiener mit der etablierten Politik insgesamt und der Regierung speziell sind. Die Unzufriedenheit mit den Politikern an sich drückt sich auch in der Wahlbeteiligung aus, die mit nur noch knapp über 50 Prozent einen bedenklichen Tiefstand erreicht hat.

Die Proteststimmen sammeln die Kandidaten des Movimento Cinque Stelle ein, einer Partei, die zwar eine populistische Anti-Establishment-Kraft ist, aber keineswegs rechts. Viele der Forderungen dieser Partei muten eher links-grün an, etwa ihr Engagement für eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, der erneuerbaren Energien, des staatlichen Bildungs- und Gesundheitssystems. Viel wichtiger aber ist ihr Kampf gegen Korruption, Ämterhäufung und Parteienfilz - den die Italiener offenbar für glaubwürdig halten, auch wenn Grillos Bewegung intern wenig transparent und von innerparteilicher Demokratie weit entfernt scheint.

Die Fünf-Sterne-Bewegung ist nun endgültig zur zweiten großen politischen Kraft in Italien neben der Demokratischen Partei von Premier Renzi geworden. Mit Grillo und seinen Anhängern ist dem Regierungschef eine gefährliche Konkurrenz erwachsen. Spätestens der Volksentscheid über die geplante Verfassungsreform im Herbst könnte ihn nach nur zwei Jahren als Hoffnungsträger der politischen Linken das Amt kosten.