Beziehungen
Wie es gelingt, Freundschaften zu erhalten und wiederzubeleben
27. Januar 2025, 13:30 Uhr
Alte Liebe rostet nicht, sagt ein Sprichwort. Doch gilt das auch für alte Freundschaften? Und ist es überhaupt sinnvoll, wieder Kontakt zu einem früheren Freund aufzunehmen? "Auf jeden Fall", sagt Wolfgang Krüger aus Berlin. Der Psychotherapeut und Buchautor berichtet, dass er es selbst ausprobiert und viele frühere Freunde wieder kontaktiert hat. Das Ergebnis: 90 Prozent haben sich zurückgemeldet, fast alle Reaktionen waren positiv.
"Frühere Freundschaften haben ein sehr hohes Potenzial. Man sollte auf sie zurückgreifen, wenn man seinen Freundeskreis erweitern will", rät der Fachmann. Freunde aus früheren Zeiten, wie der Schule, der Ausbildung oder dem Studium, seien unendlich wertvoll, denn man teilt intensive Erinnerungen an eine Zeit, über die man neuen Freunden nur erzählen kann. "Einfach anrufen oder schreiben und sich keinen Kopf machen", ist sein Tipp für die Kontaktaufnahme.
Warum es sich lohnt, sich zu melden
Wer Freundschaften pflegt, tut sich selbst etwas richtig Gutes. So gibt es Studien zufolge einen Zusammenhang zwischen Freundschaften und unserem allgemeinen Wohlbefinden. "Freundschaften sind eine der ungenutzten Ressourcen, aus denen Menschen schöpfen können, um ein glücklicheres und gesünderes Leben zu führen. Sie kosten buchstäblich nichts und haben Vorteile für die Gesundheit und das Wohlbefinden", so der Sozial- und Persönlichkeitspsychologe William Chopik, der an der Michigan State University zu diesem Thema forscht.
Dass sich Freunde aus den Augen verlieren, ist völlig normal. Ein schlechtes Gewissen muss deshalb niemand haben. Schließlich gibt es in der Freundschaft unterschiedliche Nähegrade. Nur wenige Menschen sind Herzensfreunde, die Verbindung zu ihnen ist auch über Jahrzehnte stabil. Die meisten Freunde kommen und gehen allerdings innerhalb von sieben Jahren, wie Krüger weiß. Mit diesen Menschen hat man sich zwar oft wohlgefühlt, aber irgendwie ging die Beziehung doch auseinander. Mögliche Gründe hierfür gibt es viele.
Vielleicht hat einer von beiden eine Familie gegründet und keine Zeit mehr. Oder einer ist aus der Nachbarschaft weggezogen, hat in der Firma gekündigt oder das gemeinsame Hobby aufgegeben, sodass man nicht mehr automatisch Zeit miteinander verbringt. "Es gibt auch Freunde, von denen man eine Zeit lang genervt ist oder die man zwar mag, aber nicht lange aushält", erklärt Monika Scheddin, Coach aus München.
Ein Knick in der Freundschaftskurve
Fest steht: Wer die Zahl seiner Freunde stabil halten will, muss in der Regel immer wieder neue Beziehungen eingehen. Das fällt vielen schwer, vor allem im fortgeschrittenen Erwachsenenalter, weiß Krüger: Diese Menschen haben erfahren, dass viele Freundschaften nicht dauerhaft halten - das Gefühl der Vergänglichkeit hat sich bei ihnen eingeschlichen.
Je nach Lebensphase spielen Freunde eine unterschiedliche Rolle. Immens wichtig sind sie noch in den 20er-Jahren, man ist in der Regel viel unterwegs und hat noch keinen festen Partner. "Zwischen 35 und 45 Jahren ist die Zeit, in der die Freundschaftskurve einen richtigen Knick macht", erklärt Krüger. Andere Lebensthemen treten in den Vordergrund: Familie, Haus, Karriere. Etwa in der Lebensmitte ist vieles geschafft, die Kinder sind selbstständiger, die Lebensumstände gesichert. Vor allem Frauen schauen sich wieder vermehrt nach Freundinnen und Freunden um - und das ist wichtig.
Denn wer schon mit 50 Jahren innerlich resigniert und sich sagt, die Freundschaftssuche hat keinen Sinn, wird sich auch später im Alter damit schwertun. Sinnvoller ist es, den Wandel an Freundschaften zu akzeptieren und immer mal wieder auch im steigenden Alter neue Menschen kennenzulernen, damit neue Beziehungen entstehen können. So bleibt man in Übung und zudem steigt die Chance, auch einen Herzensfreund zu finden, der bleibt. "Diese Menschen werden dann die fröhlichen, aktiven Alten", so der Fachmann.
Dazu gehört auch Mut, schließlich kann man abgewiesen werden. Das Gleiche gilt auch beim Versuch, alte Freundschaften wieder aufzufrischen. Wie der oder die andere reagiert, kann keiner vorher wissen. Vielleicht freut er sich, vielleicht auch nicht. "Man investiert und weiß nicht, ob es sich rentiert. Das ist so wie immer im Leben", erklärt Scheddin. Wenn man eine Abfuhr oder einfach keine Rückmeldung erhält, schmerzt das zwar. Aber immerhin hat man es dann wenigstens probiert.
So gelingt die Kontaktaufnahme
Sich bei jemandem nach Monaten oder vielleicht sogar Jahren wieder zu melden, fällt oft nicht leicht. Will der oder die andere überhaupt noch was von einem wissen? Hat man nach all der Zeit noch Gemeinsamkeiten? Auch wenn man sich unsicher ist, ob die Kontaktaufnahme etwas bringt, lohnt sich der Versuch. Um sich aber etwas sicherer zu fühlen, können folgende Tipps nützlich sein.
Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, vor der Kontaktaufnahme ein wenig über das heutige Leben des anderen Menschen zu recherchieren. Vielleicht gibt es gemeinsame Bekannte, die gefragt werden können? Oder im Internet finden sich Informationen, ob der andere etwa gerade eine tolle Reise gemacht, einen neuen Job angefangen oder ein interessantes Hobby hat. Die Rechercheergebnisse lassen sich gut als Aufhänger bei der Kontaktaufnahme nutzen, denn so hat man schon mal ein gemeinsames Gesprächsthema. Dabei ist es laut Scheddin egal, ob man jemanden anruft oder anschreibt. Beides hat seine Vor- und Nachteile. "Introvertierte schreiben eher, Extrovertierte telefonieren lieber", erklärt sie.
Beim Telefon hat man natürlich das Überraschungsmoment auf seiner Seite, das kann gut, aber auch schlecht sein. Beim Schreiben hat man mehr Zeit zum Formulieren und der andere zum Reagieren. Ein möglicher Nachteil: Geschriebenes kann schneller missverstanden werden und der Schreibende hat in der Regel keine Chance, dies zu merken und dann entsprechend zu reagieren. Die Fachfrau aus München empfiehlt, auf jeden Fall "Ich-Botschaften" zu formulieren, zum Beispiel: "Ich musste an unsere guten Zeiten denken und frage mich, warum unsere Freundschaft abhandengekommen ist." Wer es lieber legerer mag, kann zum Beispiel sagen oder schreiben: "Klopf, klopf. Ich hoffe, du bist einer treulosen Seele nicht böse."
Krüger empfiehlt dagegen erst mal eine schriftliche Kontaktaufnahme, wenn man jemanden lange nicht gesehen hat. Er empfindet das als höflicher. Komme es zu einem Treffen, sei dies schon ein komisches Gefühl - eine Mischung aus Fremdheit und Vertrautheit, berichtet er. "Man hat zwar viele gemeinsame Erinnerungen, muss sich aber gleichzeitig neu kennenlernen, weil jeder in der Zwischenzeit so viel erlebt hat."
Mythos bester Freund?
Der oder die eine Seelenverwandte, mit dem sich alle Widrigkeiten des Lebens leichter ertragen lassen, ist laut einer Yougov-Studie für viele nicht Realität. Zwar gibt es einige Glückliche, die jemanden ihren besten Freund nennen dürfen. Etwa ein Drittel der Deutschen hat laut der Studie aber nicht diesen einen besonderen Menschen in ihrem Leben. Auch ein riesiger Freundeskreis ist bei vielen nicht Realität. Im Durchschnitt nennen die Deutschen der Studie zufolge drei bis vier andere Menschen gute Freunde und zählen elf Personen zu ihrem engeren Bekanntenkreis.
Kennengelernt haben sich die meisten Freunde bei der Arbeit, während der Schulzeit oder der Ausbildung, heißt es. Schullaufbahn und Ausbildung mögen bei den meisten beendet sein, aber die ein oder andere nette Geste gegenüber Arbeitskollegen könnte sich ja vielleicht auszahlen. Lohnen könnte sich auch die Anmeldung im Sportverein oder in der Musikschule im Ort. So hat etwa ein Fünftel der Befragten Freunde gefunden. Gemeinsame Werte sind für mehr als die Hälfte aller Befragten nicht ausschlaggebend für eine Freundschaft.
Was macht eine gute Freundschaft dann aus? Einander zuhören steht für zwei Drittel der Deutschen an erster Stelle, gefolgt von Ehrlichkeit, der Möglichkeit, über alles jederzeit offen sprechen zu können, und einem bedingungslosen Füreinanderdasein, wenn's drauf ankommt. Wer sich das zu Herzen nimmt, dem beschert das Leben sicher die ein oder andere gute Freundschaft.