Holunder, Brennessel und Co.
Wildpflanzen: Essbares vom Wegesrand
2. Mai 2020, 11:57 Uhr aktualisiert am 2. Mai 2020, 11:57 Uhr
Sie sind leicht zu finden und aus ihnen können köstliche und gesunde Mahlzeiten werden: Wildpflanzen. Acht Expertinnen haben zwölf davon ein umfangreiches Buch gewidmet.
Sie sehen nicht nur schön aus, wie sie da im Wald und auf der Wiese blühen. Wildpflanzen haben oft auch sehr schmackhafte Eigenschaften - und helfen bei kleinen Wehwehchen oder sogar unangenehmen Beschwerden.
Zwölf besonders vielseitigen "Auswüchsen" der Natur haben die Kräuterpädagoginnen Aki Schwarzenberger, Angela Maier, Brigitte Plank, Hildegard Riedmair, Jeannette Langguth, Monika Engelmann, Rita Demmel und Ulrike Kainz einen liebevoll gestalteten Band gewidmet, in dem der Leser nicht nur Hilfreiches über die jeweilige Pflanze - aus ihrer eigenen Perspektive erzählt - erfährt, sondern auch mit vielen abwechslungsreichen Verarbeitungsmöglichkeiten für heimische Kräuter versorgt wird. Die Expertinnen geben auch Tipps, wo, wie und wann sich Kräuter am besten sammeln lassen (vielleicht ja auf einem Spaziergang gegen Lagerkoller in diesen Corona-Zeiten) und wie sie optimal aufbewahrt werden können. Die AZ stellt vier Gewächse vor.
"Zwölf ungezähmte Pflanzen fürs Leben" (224 S., 26,90 €) ist im Löwenzahn-Verlag erschienen.
Holunder: Gut fürs Immunsystem
Sambucus Nigra: Der Schwarze Holunder mit seinen weißen, kleinen Blüten gilt der Tradition nach als Hüter der Schwelle zwischen Leben und Tod. Klingt dramatisch. Holler, wie Holunder in Bayern meist genannt wird, gehört zu den häufigsten Straucharten Mitteleuropas, schreiben die Autorinnen des Wildpflanzen-Buches.
Wirkung: Tee aus Holunderblüten stärkt das Immunsystem und soll bei einer Schwitzkur helfen. Auch eine durchblutungsfördernde und schleim-lösende Wirkung wird der Pflanze nachgesagt.
Gut zu wissen: Die Blüten sollten an einem trockenen Tag nach einer Phase schönen Wetters abgeschnitten werden. Sie enthalten ätherische Öle und eignen sich gut für die Herstellung eines Sirups. Der schmeckt in Mineralwasser oder als Spritz mit Sekt.
Brennnessel: Feurig und voller Leidenschaft
Urtica dioica: Die Brennnessel, die auch Nettel, Gichtrute oder Teufelskraut genannt wird, entfaltet - einmal gezähmt - laut den Ausführungen der Kräuterpädagoginnen eine kraftvolle Wirkung. Wirkung: Magnesium, Kalium, Calcium, Eisen und mehr: Die Brennnessel ist voll von hilfreichen Inhaltsstoffen. Ein Tee aus den Blättern wirkt entgiftend und harntreibend.
Übrigens: Früher sagte man, wer das Haus in der Nacht auf 1. Mai mit Brennnessel ausräucherte, bliebe von Blitz, Feuer, Hexen und Teufeln verschont.
Verwendung: Die Blätter erntet man am besten gegen Mittag. Wer auf Nummer sichergehen will, zieht Handschuhe an. Neben Tee gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, etwa als Pesto mit Walnüssen, als Suppe oder in Knödeln oder Lasagne statt Spinat. Werden die Blätter roh verwendet, sollte man sie vorher mit einer Teigrolle walzen, damit die Brennhaare brechen.
Giersch: Wuchernder Segensbringer
Aegopodium podagraria: Verpönt als sich rasch ausbreitendes Unkraut ist der Giersch, so die Kräuter-Expertinnen, in Wahrheit nicht nur ein Heilmittel gegen Gicht, sondern verfeinert viele Gerichte.
Wirkung: Das Dreiblatt, wie der Giersch wegen seiner Blattform auch heißt, soll harntreibend, entsäuernd, entzündungshemmend und krampflösend wirken.
Obacht! Giersch, der Hauptsaison im März und April hat, können Unerfahrene mit giftigen verwandten Doldenblütlern verwechseln. Beim Giersch sind auch die Stängel dreikantig und unter der Erde hat er ein "Geißfüßchen", also eine Verdickung am Ende.
Verwendung: Die ausgewachsenen Blätter haben laut den Kräuter-Expertinnen ein kräftigeres Aroma. Sie machen sich demnach in der Küche gut als Spinatersatz und sollen viel pikanter schmecken. Die Blätter dienen aber auch zur Behandlung von rheumatischen Beschwerden.
Wer drei Handvoll Gierschblätter mit drei Litern heißem Wasser übergießt, alles zehn Minuten ziehen lässt und dann mit kaltem Wasser auf Zimmertemperatur bringt, erhält ein Fußbad oder die Basis für einen warmen Wickel. Beides soll auch bei Gicht helfen.
Löwenzahn: Strahlend gelb wie die Sonne
Taraxacum officinale: Der allseits bekannte Korbblütler strotzt nur so vor Vitalität, schreiben die Kräuterkennerinnen. Außerdem ist der Löwenzahn, der auch als Pusteblume oder - weniger charmant - Sau- oder Brunzbleame (wegen seiner harntreibenden Wirkung) bekannt ist, sehr robust: Er wächst nicht nur auf Wiesen, sondern drückt sogar zwischen Pflastersteinen sein gelbes Köpfchen durch.
Wirkung: Die Bitterstoffe des Löwenzahns bringen den Stoffwechsel in Schwung, sie fördern Gallensekretion, Verdauung und eben die Harnausscheidung.
Achtung! Der Wiesen-Löwenzahn ist leicht mit anderen Löwenzahn genannten Pflanzen zu verwechseln, man erkennt ihn aber an der milchigen Flüssigkeit und dem hohlen Blütenstandstiel.
Verwendung: Blätter, Wurzel und Blüte - alles ist essbar, etwa als Salat oder als Likör aus den Wurzeln.
Worauf Kräuterjäger achten sollten
Wer sich jetzt mit geschärftem Blick auf einen Spaziergang ins Grüne begibt, um vielleicht mit dem einen oder anderen wilden Helferlein heimzukehren, sollte die Tipps der Kräuterexpertinnen beachten:
Die richtige Ausrüstung: Mitnehmen sollte man auf seinen Waldspaziergang einen Korb oder Stoffbeutel, eine Schere oder ein Messer - und am Anfang schaden eine Lupe und ein Buch zur Bestimmung nicht.
Der richtige Ort: Naturschutzgebiete sind tabu. Abgesehen davon sollten Pflanzenjäger in freier Natur die ortsbekannte Hundemeile und Straßenränder meiden. Besser sind Wald, Wiese, Feldränder oder Ufer von Gewässern.
Die richtige Zeit: Blüten und Pflanzen mit ätherischen Ölen sammelt man am besten am späten Vormittag. Dann ist der Tau getrocknet.
So lassen sich Wildkräuter aufbewahren
Es gibt viele Möglichkeiten, um Gesammeltes haltbar zu machen und aufzubewahren. Man kann die gepflückten Kräutlein an einem luftig-warmen Ort trocknen lassen, sie in ein Dörrgerät packen oder in den leicht geöffneten Backofen bei niedrigster Temperatur.
Aber natürlich geht es auch weiterverarbeitet, zum Beispiel als Kräuteressig oder Kräuteröl. Eine weitere Möglichkeit, die auch für Anfänger als guter Einstieg erscheint: zu Pesto mixen.
Das geht beispielsweise mit einer Mischung aus Brennnesseln und Walnüssen. Dazu braucht man: - 80 Gramm frische Brennnesseln - 100 Gramm Walnüsse - etwa 150 Milliliter Olivenöl - einen halben Teelöffel Salz - einen Teelöffel Zitronensaft - frisch gemahlenen Pfeffer
Das alles wird im Mixer miteinander püriert - fertig ist ein Pesto, das man beispielsweise gut mit Vollkornnudeln servieren kann, empfehlen die Autorinnen.
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