Memoiren der Ex-Kanzlerin

"Ihr geht es um Fakten" - Obama preist Merkel in Washington


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Das Verhältnis zwischen Merkel und Obama war nicht immer ungetrübt. (Archivbild)

Von dpa

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der US-Hauptstadt Washington auf die schnelle Bekämpfung der Klimakrise gedrungen. Wenn Industrieländer wie Deutschland und die USA nicht vorangingen - wie könne man das dann von einem ärmeren Land erwarten, sagte sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama. Sie beklagte, dass auch sie nicht erfolgreich genug darin gewesen sei, Mehrheiten dafür zu finden, schneller etwas gegen die Erderwärmung zu tun.

Auch das Thema Migration sei eng mit dem Klimawandel verknüpft, sagte die ehemalige CDU-Vorsitzende. Illegale Einwanderung könne man nur bekämpfen, wenn man mit den Herkunftsländern spreche, die Ursachen bekämpfe und Möglichkeiten der legalen Migration eröffne, sagte die 70-Jährige. Mit Mauern lasse sich das Problem nicht lösen. Der Klimawandel führe dazu, dass Menschen etwa aus Afrika fliehen würden. Man könne diese Menschen nicht abschrecken, indem man sie in Europa schlecht behandle - denn dort könnten sie - anders als in ihrer Heimat - zumindest immer noch überleben.

Merkel hatte vergangene Woche ihre Memoiren mit dem Titel "Freiheit. Erinnerungen 1954 - 2021" vorgestellt. Nun ist sie in den USA unterwegs, hat dort TV-Interviews gegeben und einen gemeinsamen Auftritt mit Obama vor ausverkauftem Saal in einer Konzerthalle in der US-Hauptstadt.

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Merkel hat ihre Memoiren veröffentlicht. (Archivbild)

Die frühere Kanzlerin spricht auf Deutsch - ihre Antworten werden ins Englische übersetzt. "Sie sollten wissen, dass ihr Englisch exzellent ist und dass wir nie Übersetzer benutzen", lobt Obama die Ex-Kanzlerin. Aber sie sei eben eine sehr genaue Person.

Merkel und Obama - das war nie ein völlig ungetrübtes Verhältnis, während beide jeweils in ihrem Land regiert haben. Im Rückblick sieht das ganz anders aus - beide inszenieren ihre große Verbundenheit. Einige Monate nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt besuchte Merkel gemeinsam mit Obama in Washington etwa das Nationalmuseum zur afroamerikanischen Geschichte und Kultur. Nun kommt auf der Bühne in der US-Hauptstadt zur Sprache, womit ein nicht ganz einfaches Verhältnis begann.

Obama wollte als Wahlkämpfer 2008 am Brandenburger Tor in Berlin reden - durfte aber nicht. Er musste an die nahe gelegene Siegessäule ausweichen. "Ich glaube, Angela wollte zu Recht darauf achten, dass nicht der eine oder andere Kandidat bevorzugt wird. Und so waren einige der Sehenswürdigkeiten verboten", erzählt der Demokrat augenzwinkernd - und nutzt das deutsche Wort "verboten". Merkel sei dann nach seinem Wahlsieg nicht sicher gewesen, ob er sauer darüber sei. "Das war ich wirklich nicht, aber sie war immer besorgt, dass ich wütend bin."

Nun will auch Merkel ihre Sicht der Dinge darlegen - ebenfalls mit einem Augenzwinkern. Das Brandenburger Tor sei für die Deutschen ein symbolischer und wichtiger Ort, schildert sie. Wenn sie dem Kandidaten Obama erlaubt hätte, dort zu sprechen - wer wäre dann als Nächstes gekommen? Doch alle hätten Obama geliebt - und behauptet, sie fürchte nur Obamas Popularität und Rednerkunst. Am Ende sei dieser jedenfalls nicht sauer gewesen und man sei gut miteinander ausgekommen. Bei seinem ersten Besuch als Präsident im Sommer 2013 durfte Obama dann schließlich am Brandenburger Tor sprechen.

Doch auch bei ernsteren Themen wie dem Umgang mit der Finanzkrise, sagt Obama, sei es immer kollegial zugegangen. Man habe nie die Stimme erhoben, aber manchmal die Stirn gerunzelt, scherzt er. Auch Merkel sagt, es sei nicht immer alles eitel Sonnenschein gewesen. Worüber die beiden bei dem gemeinsamen Auftritt in Washington nicht sprechen: 2013 war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst NSA über Jahre Merkels Handy ausspioniert hatte. "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", hatte sich Merkel damals verärgert gezeigt.

Merkel und Obama kommen aus unterschiedlichen Welten. Der einstige US-Präsident hatte seine Jugend in Hawaii und Indonesien verbracht, studierte in Harvard, war Sozialarbeiter und Bürgerrechtsanwalt in der Metropole Chicago. Merkel ist in Hamburg geboren, in der DDR aufgewachsen, Naturwissenschaftlerin - und dann schließlich in die Politik gekommen. Doch sie verbindet etwas Bedeutendes: Sie waren beide die Ersten. Merkel war, als sie 2005 gewählt wurde, die erste deutsche Kanzlerin. Obama war nach seiner Wahl 2008 der erste schwarze US-Präsident.

Und so zeigt sich Obama neugierig - fragt sie, wie das damals in der DDR gewesen sei. Sie spricht von einer glücklichen Kindheit - obwohl sie in einer Diktatur gelebt habe. Im Westen, sagt Merkel, verstehe man das nicht immer. Und dann will Obama wissen, welche Bedeutung ihr Frausein an der Macht gehabt habe. "Ich denke jetzt darüber nach, da ich zwei Töchter habe, die in ihrer Mutter offensichtlich ein gutes Vorbild haben", sagt er.

Merkel erzählt, dass sie anfangs ziemlich naiv gewesen sei - aber in der Politik schnell gemerkt habe, dass es eine gläserne Decke gegeben habe. Als sie als Kanzlerin kandidiert habe, habe es Vorbehalte gegeben. Es habe keine Erfahrung mit Frauen in dieser Position gegeben. Übrigens sei das in den USA immer noch so, hält die Ex-Kanzlerin fest. Da müsse man auf die Zukunft hoffen. Die Demokratin Kamala Harris verlor bei der US-Wahl vor einigen Wochen gegen den Republikaner Donald Trump, der auf der Bühne in Washington nicht direkt zur Sprache kommt.

Merkel erzählt weiter, dass sie auf internationaler Bühne manchmal einen Vorteil gehabt habe. Mit ihren bunten Blazern sei sie häufig ein Farbklecks zwischen all den grauen Jacketts gewesen. Es sei aber nicht so einfach gewesen, dorthin zu kommen. Die ehemalige Kanzlerin nennt eine ihrer Gaben, nie etwas zu tun, was man nicht ganz verstehe - stets etwas Bescheidenheit zu bewahren - und dennoch mutig und ehrgeizig zu sein. Obama sagt über die Ex-Kanzlerin: "Sie ist eher die Wissenschaftlerin, es geht um Fakten und Analysen."

Am Ende stört das friedliche Miteinander zwischen Obama und Merkel noch eine schreiende Zuschauerin, die dem Ex-Präsidenten immer wieder ins Wort fällt. Der hat eine Lektion in Demokratie und Respekt parat: "Die Leute sind gekommen, um Angela Merkel zuzuhören, und nicht Ihnen, junge Frau. Sie können Ihre eigene Veranstaltung organisieren."


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