Lage im Überblick

Israel warnt die neuen Machthaber in Syrien


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Die humanitäre Lage in Syrien bleibt nach UN-Angaben weiter instabil.

Von dpa

Während die Rebellen in Syrien nach dem Sturz des Langzeitherrschers Baschar al-Assad mit einer Übergangsregierung für Stabilität sorgen wollen, kommen aus Israel scharfe Warnungen an die neuen Machthaber. Jede Bedrohung für Israel werde unerbittlich bekämpft, machte Regierungschef Benjamin Netanjahu deutlich. Er hatte zuvor die fast restlose Zerstörung der militärischen Fähigkeiten des Nachbarlandes befohlen. Der Anführer der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) sagte, Syrien sei auf dem Weg zu Stabilität und werde wieder aufgebaut.

Die Befürchtungen westlicher Staaten, dass das Blutvergießen in Syrien nach dem Sturz Assads weitergehen könnte, seien "unnötig", sagte HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa dem Nachrichtensender Sky News. Zuvor war er unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dschulani aufgetreten. Die Gefahr sei von Assads Regierung und proiranischen Milizen ausgegangen, sagte der Islamist. "Deren Beseitigung ist die Lösung."

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Syrien steht nach Aussagen des Anführers der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) kein weiterer Krieg bevor.

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Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Kirby, äußert sich zurückhaltend zu Israels Vorgehen in Syrien.

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Israel hat nach Angaben von Verteidigungsminister Katz Syriens Marine versenkt. (Archivbild)

Über öffentliche Äußerungen der Rebellengruppe Al-Scharaas zu Israels massiven Luftangriffen ist bislang nichts bekannt. Laut Israels Armee wurden mehr als 480 Ziele in Syrien bombardiert. Die Marine des Nachbarlandes wurde laut Israels Verteidigungsminister Israel Katz praktisch komplett versenkt. Da sich die syrischen Rebellen auch zur Verlegung israelischer Truppen in die Pufferzone auf den Golan-Höhen nicht geäußert hätten, sei unklar, ob sie Israels Kontrolle über das besetzte Gebiet akzeptieren werden, schrieb das "Wall Street Journal".

Netanjahu betonte, Israel wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen. Warnend fügte er jedoch hinzu: "Wenn das neue Regime in Syrien dem Iran erlaubt, sich wieder zu etablieren, oder den Transport iranischer Waffen an die (libanesische) Hisbollah zulässt, werden wir energisch reagieren und einen hohen Preis fordern." Was zuvor mit dem Assad-Regime geschehen sei, werde dann "auch mit diesem geschehen", sagte Netanjahu.

Der bisherige Regierungschef in der Rebellenhochburg Idlib, Mohammed al-Baschir, übernimmt eigenen Angaben zufolge derweil die Führung einer Übergangsregierung in Syrien. Geplant sei, dass diese bis März 2025 im Amt bleibe, kündigte er an. Bei einem Treffen in Damaskus besprachen Rebellenanführer Al-Scharaa sowie Minister der bislang amtierenden Regierung den Übergang.

Beide Seiten streben Berichten zufolge eine reibungslose Übertragung der Verwaltungsgeschäfte an. Nicht nur der Terrorismusexperte Peter Neumann hat jedoch Zweifel, ob sich Syrien wirklich hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entwickelt. Zwar habe sich Al-Scharaa vor Jahren vom Terrornetzwerk Al-Kaida losgesagt, sagte Neumann im ZDF-"heute journal". Seine Gruppe sei aber weiter islamistisch geprägt und habe das Ziel, eine Art Gottesherrschaft in Syrien einzuführen.

Israel wolle sicherstellen, dass von Syrien keine Bedrohung ausgehe und habe daher vermutlich 70 bis 80 Prozent der syrischen Militäranlagen vernichtet, sagte Neumann weiter. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte zum militärischen Vorgehen Israels in Syrien: "Wir erkennen selbstverständlich an, dass Israel in einer schwierigen Nachbarschaft lebt und - wie immer - das Recht hat, sich zu verteidigen". Man wolle aber nicht, "dass irgendein Akteur auf eine Weise handelt, die es dem syrischen Volk erschwert, eine legitime Regierung zu erlangen", betonte Kirby.

Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berieten am Telefon über die Lage in Syrien. "Beide waren sich einig, dass der Fall des diktatorischen Assad-Regimes eine sehr gute Entwicklung" sei, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Abend mit. Jetzt müsse es darum gehen, dass Syrien eine sichere Heimat für alle Syrer werde. Dazu gelte es auch, die territoriale Integrität und Souveränität zu erhalten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefonierte mit Erdogan und sagte danach, sie wolle nächste Woche zu Gesprächen in die Türkei reisen.

Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, reist schon heute zu Gesprächen nach Israel. Neben der Lage in Syrien werde es dabei auch um die Bemühungen zur Freilassung der Geiseln im weiterhin umkämpften Gazastreifen gehen, sagte Kirby. Dort führt Israel weiter Krieg gegen die islamistische Hamas. Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln blieben bislang erfolglos.

Unterdessen gibt es in Syrien erste Schritte in Richtung Normalität. Beamte in der Hauptstadt Damaskus konzentrierten sich darauf, Treibstoff für Busse zu beschaffen, um Angestellte zur Arbeit zu bringen und Stromausfälle zu beheben, berichtete das "Wall Street Journal". Augenzeugen zufolge kehrten auch Angestellte der Zentralbank an ihre Arbeitsplätze zurück.

Viele Geschäfte blieben jedoch mangels Vorräten geschlossen. Es gebe aus Damaskus und vielen anderen Städten Berichte über Nahrungsmittelknappheit, teilte das Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) mit. Die humanitäre Lage in dem von Diktatur und jahrelangem Bürgerkrieg geschundenen Land sei instabil. Seit dem Beginn der Blitzoffensive der Rebellen vor zwei Wochen sei der Brotpreis in Städten wie Idlib und Aleppo um 900 Prozent angestiegen.

OCHA warnte vor Minenfeldern, die die Bewegungsfreiheit der Menschen und die Lieferung von Waren einschränkten. Krankenhäuser seien zudem mit der hohen Anzahl an Patienten mit körperlichen und seelischen Verletzungen überfordert. Viele Menschen litten unter enormer psychischer Belastung. Besonders Kinder zeigten Anzeichen von Traumata.


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