Gesundheitsversorgung
Klinikreform: Weniger Krankenhäuser, mehr Qualität?
17. Oktober 2024, 4:30 Uhr
Weniger Krankenhäuser im Land, dafür bessere Qualität und mehr Spezialisierung - das sind die Ziele einer großangelegten Krankenhausreform, die der Bundestag beschlossen hat. Nach zwei Jahren Vorbereitung brachten SPD, Grüne und FDP die Reform in namentlicher Abstimmung mit ihrer Mehrheit auf den Weg. Die Opposition lehnte die Pläne ab.
Das Vorhaben muss noch durch den Bundesrat. Es ist dem Gesetzentwurf zufolge dort zwar nicht zustimmungsbedürftig, kann aber im Vermittlungsausschuss aufgehalten werden. Die Pläne stoßen auf Zustimmung, aber auch auf viel Kritik. Befürchtet wird etwa eine Verschlechterung der Versorgung.
Vorgesehen ist, die bisherige Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle in Kliniken zu ändern. Künftig sollen sie 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Das soll den Druck senken, möglichst viele Fälle zu behandeln.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, mit der Reform werde die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern gesteigert und ein flächendeckendes Netz guter Kliniken im Land erhalten. "Gleichzeitig werden nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt." Die konkrete Umsetzung der Reform soll Schritt für Schritt über mehrere Jahre erfolgen, wird also für Patienten nicht sofort spürbar sein.
Vor der Abstimmung warb Lauterbach noch einmal für das Vorhaben. "Wir brauchen diese Reform, und zwar jetzt." Der Krankenhaussektor im Land sei in einer Krise. Die Versorgung sei sehr teuer. "Wir haben ein Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung." Als Beispiel für Überversorgung nannte er den häufigen Einbau von Knie-Prothesen, weil dies für Kliniken lukrativ sei.
Oppositionspolitiker kritisierten das Ampel-Vorhaben. So fehle eine Finanzierung für die Übergangsphase, bis die Reform wirke, und eine Analyse, wie sich die Reform auswirken werde. Geäußert wurde außerdem die Befürchtung, dass sich die Klinik-Versorgung vor allem auf dem Land verschlechtern wird.
Dass auf dem Land ein großes Krankenhaussterben einsetzen werde, sei Schwachsinn, entgegnete die FDP-Gesundheitspolitikerin Christina Aschenberg-Dugnus. "Das wollen wir ja gerade verhindern mit dem Gesetz." Lauterbach betonte, dass Abbau nur dort stattfinden solle, wo es eine Überversorgung gebe. Kleinere Häuser auf dem Land bekämen Zuschläge, damit sie überleben könnten.
Deutschland habe mit rund 1.700 Krankenhäusern die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in Europa, heißt es vom Gesundheitsministerium. Viele Betten seien aber nicht belegt. Kliniken schreiben rote Zahlen.
Das neue Bezahlsystem soll finanziellen Druck mindern und verhindern, dass Kliniken etwa medizinisch unnötige Operationen aus Umsatzgründen machen. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen "Leistungsgruppen" sein. Sie sollen die jeweiligen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben absichern.
Die gesetzlichen Krankenkassen begrüßen mehr Spezialisierung. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas sprach von einer richtigen Weichenstellung für eine bessere Qualität in den Kliniken. "Es ist höchste Zeit, dass komplizierte Behandlungen stärker in größeren Kliniken zentralisiert werden. Es kann nicht mehr jedes Krankenhaus die komplette Bandbreite der Behandlungen anbieten." Die Kassen warnen allerdings auch vor weiteren Kostensteigerungen durch die Reform.
Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) kommt grundsätzliche Zustimmung für Ziele der Reform. Auf 20 bis 30 Prozent der Standorte oder 400 Häuser könne durch Fusionen oder Umwandlungen durchaus verzichtet werden, sagte DKG-Chef Gerald Gaß im Deutschlandfunk. Er mahnte aber einen "planvollen Transformationsprozess" an und sprach mit Blick auf die Reform von einem Blindflug.
Widerstand droht weiterhin aus den Ländern, die für die Krankenhausplanung zuständig sind. Zwar hatte sich Gesundheitsminister Lauterbach optimistisch gezeigt, dass die Reform im Bundesrat nicht aufgehalten wird. Doch die Kritik aus den Ländern ist weiter stark: So warnte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken, mit der Reform sei die Sicherung der Grund- und Notfallversorgung gerade im ländlichen Raum akut gefährdet und unkontrollierte Klinik-Insolvenzen würden sich fortsetzen.
Die CDU-Politikerin forderte eine Überbrückungsfinanzierung für die Krankenhäuser bis zum Wirken der Reform und kündigte an, sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat einzusetzen, um das Gesetz zu verändern.
Ein ganz anderes Argument brachte der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul am Freitag ins Spiel: Er warnte im Bundestag mit Blick auf mögliche Klinikschließungen davor, "dass wir diese Krankenhäuser in einem militärischen Notfall zur Versorgung von Soldatinnen und Soldaten dringend brauchen werden". Wadephul verwies dabei auf die Warnungen deutscher Geheimdienste vor einer zunehmenden Bedrohung durch Russland.
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