Mittelalterlager
Cave Gladium in Furth im Wald: Wo Ritter Medium Rare gebraten werden
16. August 2024, 17:57 Uhr
Im Advent veröffentlichen wir jeden Tag eine Plus-Geschichte aus dem Jahr 2024 kostenlos in voller Länge. Hinter jedem Türchen wartet eine der Top-Geschichten des Jahres! Wenn Ihnen gefällt, was Sie lesen, schließen Sie doch ein Schnupperabo ab! Als Plus-Abonnent lesen Sie unsere besten Reportagen, Multimedia-Storys und exklusiven Meldungen aus Ihrer Region das ganze Jahr über in voller Länge auf www.idowa.de
Im Video erzählt Patrick Fuchs aus der Redaktion Landkreis Straubing-Bogen, wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.
Video zum Thema:
Ein Bub zieht in beigen Leinenkleidern über den Marktplatz; pfeift auf seiner Tonflöte. Unter den weißen Pavillons sitzen gerüstete Ritter, Bauersleute und Mägde. Sie alle verbindet die Faszination für das Mittelalter und somit auch für das "Cave Gladium". Was mittlerweile als eines der größten Mittelalterlager Bayerns gilt, wurde anfangs als Grillfeier von "Mittelalter-Spinnern" belächelt. Mittlerweile findet es zum 20. Mal statt - mit rund 20.000 Menschen.
Doch was bewegt die Menschen dazu, ein Wochenende ohne Strom und fließend Wasser zu verbringen? Die Antwort bietet ein Blick nach Furth im Wald - Anno 1431.
Wer hier unterhalten werden will, schaut nicht Fern oder Youtube, sondern probiert sich im Bogenschießen, Axtwerfen, in Schwertkämpfen aus - oder marschiert gleich in voller Ritterrüstung zur Feldschlacht. So macht es beispielsweise Ritter Felix.
Felix trägt eine maßgefertigte Rüstung. Über 3 000 Euro hat er dafür bezahlt. Der Helm alleine wiegt drei Kilo. Eine durchschnittliche Vollausrüstung schlägt mit zwischen 35 und 50 Kilogramm zu Buche. Durch sein Visier sieht Felix nicht viel. Silber glänzen die einzelnen Teile in den Sonnenstrahlen. "In meiner Rüstung hat es gefühlte 50 Grad. Ich bin schon Medium Rare gebraten", sagt er und lacht. Felix muss noch mehr auf sich nehmen: Er hat sich bereits Platzwunden und gebrochene Finger bei den Schwertkämpfen zugezogen. Warum er sich es trotzdem antut? Weil es zum Cave Gladium dazugehört. Die Mischung aus Action und familiärem Entspannen. Verletzungen seien zudem eh selten, meint er.
Nur kein Mimimi
Felix ist gemeinsam mit seinem Kumpel Patrick auf dem Cave Gladium. Für ihn ist das Mittelalterlager ein großes Freundetreffen. "Es ist nicht so kommerziell wie andere Lager", stimmen er und sein Kumpel Patrick überein. Das mache den Charme aus.
Nun muss sich Felix auf die Hussitenschlacht vorbereiten. Zuvor muss er noch zur Waffenabnahme.
In der Kampfarena wird seine Rüstung überprüft und seine Waffen werden unter die Lupe genommen. Das Schwert muss sich biegen können und eine abgeschliffene Spitze haben. Die Langwaffe muss eine mindestens drei Millimeter breite Klinge haben. Maßnahmen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, wenn später bis zu 40 Menschen aufeinander einprügeln.
Entsprechend muss die Rüstung schützen. Felix erfüllt alle Auflagen und darf somit an der Hussitenschlacht teilnehmen. Er wird den Hussiten zugeteilt. Die Schlacht von Taus 1431 bildet den historischen Rahmen für das Mittelalterlager und gilt somit als einer der Höhepunkte des Cave Gladium.
Die Krieger kennen einander. Für die meisten ist es nicht die erste Teilnahme am Further Cave Gladium oder der Hussitenschlacht. Felix erkennt gleich einen Kollegen aus dem letzten Jahr. "Der mit dem kleinen Schild". Dessen Schild bedeckt die Hälfte seines nahezu zwei Meter langen Körpers. Dann müssen sich die kontrahierenden Heere aufstellen.
Rund 40 Krieger marschieren in voller Montur bei über 30 Grad Celsius über den Lagerplatz zum Schlachtfeld. Felix ist etwas angespannt - obwohl er weiß, was ihn erwartet.
Schnell wird klar, warum zuvor Rüstung und Waffen so genau überprüft wurden. Die Kontrahenten nehmen keine Rücksicht, dreschen voll aufeinander ein. "Nur kein Mimimi", lautet die Devise, auf die sich die Krieger untereinander verständigt haben.
Lautes metallenes Klirren ist die Folge. Es ist ein Spiel und jeder kennt die Regeln. "Die, die am härtesten draufhauen, sind auch die, mit denen man nach der Schlacht am entspanntesten ein Bier trinken kann", weiß Felix. Während der Schlacht marschieren die deutschen Kreuzritter bei den Hussiten ein. "Der mit dem kleinen Schild", seines Zeichens Hussit, wirft sich todesmutig in den Kampf. Den ersten Schlag pariert er, den zweiten auch, der dritte prallt an seinem Schild ab. Dann kann er sich nur noch geschlagen geben: ein Kopftreffer. Er geht zu Boden. Zu diesem Zeitpunkt liegt Felix schon. "Ich und mein Gegner haben uns gegenseitig abgestochen", sagt er später und lacht.
Weniger Aufregung herrscht unterdessen im Lager. Dort spielen mittelalterliche Bands mit dröhnenden Dudelsäcken. Die Zelte sind eng aneinandergereiht. Immer wieder zieht eine Rauchschwade auf, denn gekocht wird nur mit Lagerfeuer und Topf.
Im gesamten Lager steigen die Gerüche von gebratenem Fisch, Leder und Stockbrot in die Nase. Hier sind die wahren Mittelalter-Fans unter sich.
Einer von ihnen ist Ritter Martinus Stierhain ob der Bach. Bürgerlich Martin Heger aus Dachau. Seit über zwölf Jahren besucht er das Cave Gladium. Die weite Anreise? Ihm macht das nichts. Daher nimmt er rund 400 Kilometer auf sich, um nach Furth und wieder zurückzufahren. Er und seine Frau sind seit 25 Jahren jährlich auf bis zu acht Mittelaltermärkten. Das "Cave" habe aber einen besondern Platz in ihren Herzen. Die gute Infrastruktur, das familiäre Umfeld, die flexible Organisation heben das Further Lager von vielen anderen ab. Die Grenzstadt kannten sie bereits durch den Drachenstich.
Ritter ist man nicht nur auf dem Cave Gladium
Er und seine Gruppe "Honor et fides" (deutsch: Ehre und Treue) stellen eine Rittergruppe um 1250 herum dar. Mit dem Waffen-SS Spruch "meine Ehre heißt Treue" hat der Gruppenname nichts zu tun, stellt Heger klar. "Wir versuchen so zu leben, wie die Ritter damals. Zumindest so, wie wir glauben, dass sie gelebt haben."
Wir leben im Jahr 1250. Das heißt: Lebensmittel wie Tomaten und Kartoffeln gibt es nicht. Den Tag-Nacht-Rhythmus regelt nicht der Lichtschalter, sondern die Sonne und der Mond. Essen machen funktioniert nicht einfach so per Herd, erst müssen die Knappen Holz hacken und ein Feuer entfachen. Hört sich aber nicht wie ein Urlaub an, oder? "Na ja, Kopfurlaub", sagt er. Sich auf das Einfache besinnen; weg vom Handy, dem ganzen Trubel - einfach abschalten. Das Nichtstun. Nicht umsonst habe er, als er vor 20 Jahren zum Ritter ernannt wurde "weniger ist mehr" als Leitspruch genommen.
Etwas strenger sieht das Heger. "Man kann sich hier nicht vier Tage lang als Ritter geben und dann zuhause ein Arsch sein", findet er. Ein Ritter müsse auch abseits von Mittelalterlagern für Tugenden einstehen. In der Gruppe gibt es auch eine klare Hierarchie. Er, einer der vier Ritter, steht da an höherer Stelle als die Knappen und die Waffenknechte. Das habe er sich nicht einfach so verdient: Sein erster Knappe, erinnert er sich, wuchs gemeinsam mit seiner Tochter auf und sorgte sich um sie. Auch abseits der Lager.
Doch muss man das Ritterleben nicht so ernst nehmen, wie Martinus. Manche machen es auch zum Spaß, sagt Veranstalter Daniel Reitmeier. "Viele wollen doch als Kind mal Ritter und Prinzessin sein." Und auf dem Further Cave Gladium haben sie dazu für wenige Tage die Möglichkeit.
Was das Cave Gladium besonders macht
Das Cave Gladium ist wahrlich eine Erfolgsgeschichte. Jahr für Jahr mobilisiert es tausende Leute aus ganz Europa. Doch was steckt hinter der Faszination um das Mittelalterlager?
Der Name: Cave Gladium hat nichts mit einem Café oder einer Höhle zu tun, es kommt aus dem Lateinischen und steht für: "Hüte Dich vor dem Schwert!"
Der historische Hintergrund: 1431 hatte das kaiserliche Heer gegen die aufständischen Hussiten bei der Schlacht nahe der böhmischen Stadt Domazlice eine herbe Niederlage erlitten.
Der Ursprung des Cave Gladium: Further sind durch den Drachenstich bereits von Kindesbeinen an mit dem Mittelalter eng verwurzelt. Man spielt Ritter und Burgfräulein, beide bedroht von einem Drachen, in vielen Gärten der kleinen Grenzstadt im Landkreis Cham. So wuchsen auch Daniel Reitmeier, Jürgen Friedl oder Martin Maier mit Schwert, Lanze und der Liebe zu Drachen und dem Mittelalter auf. Lange bevor der Mittelalter-Hype einsetzte, hatten sie ostbayerische Mittelalterfreunde zu einer kleinen Grillfeier am Rande der Drachenstich-Festspiels eingeladen. Das war im Jahr 2003 die Initialzündung für ein Event, das seit Jahren zu den größten und erfolgreichsten seiner Art in ganz Bayern zählt.
Die drei Säulen des Lagers: Die erste Säule ist das Programm. Es gibt Schwert-, Bogen- und ein Kubb-Turnier. Zudem wird auf der Schlachtwiese mit originalgetreuen Waffen, Gewändern, Gefechtsformationen und auch Streitwagen die Schlacht bei Taus simuliert. Wer es weniger kämpferisch mag, wird an den Gauklern, Akrobaten und Feuerkünstlern, die in der neuen Kampfarena und auf der Hauptbühne auftreten, seine Freude haben. Nicht fehlen darf beim Cave Gladium historische Musik. Die zweite Säule sind der Markt und die Gastronomie. Der Marktbereich, wird wieder mit rund 100 Händlern gefüllt sein. Vom Schwert und Bogen über Mittelalterkleidung bis hin zu selbst hergestellten Seifen und Schmuck - die Bandbreite, die die Händler anbieten, ist groß und hat eines gemein: Sie verbreitet mittelalterlichen Flair. Das gilt auch für das Essen. Die dritte Säule des Mittelalterspektakels in Furth sind die "Lagernden", die wie in den vergangenen Jahren im nordöstlichen Teil ihre eigene Zeltstadt errichten. Über 1 000 Teilnehmer zeigen vier Tage lang, wie in der Zeit des Mittelalters gelebt wurde und gewähren auf diese Weise den Gästen auch interessante Einblicke in diese längst vergangene gesellschaftliche Epoche.
Das Erfolgsrezept: Großer Wert auf Authentizität. Sonnenschirme oder moderne Tischgarnituren gibt es in diesem Zeltlager nicht. Und insbesondere bei der Nachstellung der Schlacht bei Taus stimmen Gewandung, Bewaffnung und auch die Schlachtwagen bis ins Detail.