Sein größter Traum

Mit dem Herzenswunsch-Hospizmobil darf der Rodinger Anatoly nach Wien

Das BRK erfüllt Anatoly seinen Traum: Der 15-Jährige aus Roding darf mit dem Herzenswunsch-Hospizmobil in die österreichische Hauptstadt.


Anatoly (hier mit seiner Mutter Maryna und Anna Mühlbauer) lässt auf seinem Weg durch Wien die Museen und Opernhäuser links liegen. Er besichtigt lieber interessante Gebäude und erfreut sich an den architektonischen Eindrücken.

Anatoly (hier mit seiner Mutter Maryna und Anna Mühlbauer) lässt auf seinem Weg durch Wien die Museen und Opernhäuser links liegen. Er besichtigt lieber interessante Gebäude und erfreut sich an den architektonischen Eindrücken.

Von Redaktion Roding

Anatoly Hnydiuk liebt das Leben. Normalerweise tut das jeder 15-Jährige. Doch bei Anatoly ist die Sache eine andere. Wenn seine Mutter Maryna diesen Satz über ihren Sohn sagt, liegt die Bedeutung viel, viel tiefer. Denn: Wäre das eingetreten, was Ärzte ihr und Anatolys Vater einst in der Ukraine prophezeiten, wäre der Jugendliche aus Roding seit zehn Jahren tot. Er leidet an einer seltenen Erbkrankheit: LAMA2-Muskeldystrophie. Als er ein Baby war, gingen Mediziner in seinem Heimatland davon aus, dass er nicht älter werden würde als fünf Jahre.

Der Gendefekt beeinträchtigt die Stabilität der Muskelfasern. Das Phänomen zeigt sich schon nach der Geburt: Erkrankte Kinder weisen so gut wie keine Körperspannung auf. Mit der Zeit entwickeln sich ihre Muskeln zurück. Fatalerweise betrifft das auch die Atemmuskulatur. In den schlimmsten Fällen erreichen Menschen wie Anatoly kaum das Erwachsenenalter, heißt es in der Pressemitteilung des BRK.

Anna und Matthias Mühlbauer holen Anatoly und seine Mutter Maryna direkt in Roding ab und machen sich mit ihnen auf den Weg nach Österreich.

Anna und Matthias Mühlbauer holen Anatoly und seine Mutter Maryna direkt in Roding ab und machen sich mit ihnen auf den Weg nach Österreich.

"Der 15-jährige Junge ist ein Kämpfer und hat ein großes Herz."

Aber: "Der Junge ist ein Kämpfer und hat ein großes Herz." Wer das sagt? Matthias Mühlbauer, Notfallsanitäter beim BRK Cham. Er hat den 15-Jährigen und dessen Mutter mit seiner Tochter Anna, Rettungsdiensthelferin beim Roten Kreuz, für fünf Tage nach Wien begleitet. Mit dem Herzenswunsch-Hospizmobil brachten die Mitarbeiter des Kreisverbands Anatoly und Maryna in die österreichische Hauptstadt und standen ihnen dort zur Seite.

Der junge Ukrainer, der seit 2022 im Landkreis Cham lebt, hat ein großes Faible für Architektur. Den Besuch in Wien, einer seiner Lieblingsstädte, hatte er sich sehnlichst gewünscht. Eingefädelt hatte die Fahrt Karin Borchers. Sie arbeitet als Kinderkrankenschwester am Klinikum Sankt Marien in Amberg. An der dortigen Klinik für Kinder und Jugendliche/Kinderpalliativteam Ostbayern wird Anatoly seit zwei Jahren behandelt. "Wir haben den Wunsch sehr, sehr gerne erfüllt. Ich wollte diese Fahrt unbedingt möglich machen", erklärt Tobias Muhr, der stellvertretende Rettungsdienstleiter beim BRK Cham, der beim Kreisverband das Herzenswunsch-Projekt betreut.

Wegen der besonderen Umstände beorderte er Matthias und Anna Mühlbauer bewusst die gesamte Woche über nicht aus Österreich zurück. Sie sollten Mutter und Sohn durchgehend als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. "Die Fahrt war großartig. Die Kollegen waren sehr nett", sagt Maryna Hnydiuk, deren Sohn jede Stunde auskostete und es genoss, die Stadt im Rollstuhl zu erkunden.

Ohne das Hilfsmittel könnte er sein Leben nicht meistern. Anatoly braucht rund um die Uhr Unterstützung. Er kann sitzen, aber nicht stehen, benötigt Hilfe beim Zähneputzen und beim Waschen. Wenn er liegt, kann er sich nicht selbst umdrehen.

Ansonsten beschreibt ihn seine Mutter als intelligenten, technisch extrem begabten Jugendlichen, der nach ihren Worten mittlerweile gut Deutsch spricht. "Mit dem Handy kennt er sich besser aus als ich", erzählt sie und lacht.

Und: Der 15-Jährige ist ein großer Feinschmecker. "Sein Lieblingssushi haben wir quasi immer dabei", sagt die Ukrainerin. Ihr Sohn, der seit einiger Zeit zusätzlich über eine Sonde ernährt werde, esse nicht viel, aber er liebe gutes Essen.

So, wie Anatoly den Erschwernissen des Alltags immer und überall trotzt. Der Teenager besucht ein privates Förderzentrum, die Papst Benedikt Schule in Straubing. Da er in den vergangenen Monaten gesundheitlich zu eingeschränkt war und die Fahrten zu zeitaufwendig und anstrengend geworden sind, hat seine Mutter einen Antrag auf Online-Unterricht gestellt. Anatoly möchte weiter lernen und vorankommen.

Die Mutter ist aufopferungsvoll: "Meine Arbeit ist mein Sohn."

Auch und gerade durch den Halt, den ihm seine Mutter aufopferungsvoll gibt. "Meine Arbeit ist mein Sohn", sagt die 41-jährige, gelernte Kindergärtnerin, die in der Ukraine einen eigenen Friseursalon hatte. Vor zwei Jahren war sie mit ihrem Jungen vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet.

Die Familie - Anatoly hat zwei Schwestern, 23 und 24 Jahre alt, eine lebt in Berlin, die andere ist zu Hause geblieben - stammt aus der Nähe von Nikolajew. Maryna Hnydiuk lebt getrennt vom Vater. Er war bereits vor dem Angriff Russlands Offizier und ist im Krieg. Auf der Flucht strandeten die Hnydiuks in Furth im Wald. "Ich hatte keine Kraft mehr, weiterzufahren und dachte: Hier sind wir in Sicherheit, hier bleiben wir", erzählt die Mutter. Nachdem die Ukrainer ein Jahr lang bei einer Familie in der Drachenstich-Stadt gelebt hatten, die ihnen in allen Lebensfragen zur Seite stand, fanden sie vor einiger Zeit eine Wohnung in Roding.

Dort holten Matthias und Anna Mühlbauer die beiden mit dem Herzenswunsch-Hospizmobil für die Reise nach Wien ab. Ein Trip, den auch die Rot-Kreuz-Aktiven auskosteten.

"Es war alles sehr gut organisiert und wir hatten viel Spaß", sagt der Personalratsvorsitzende des BRK Cham, der die Gelegenheit bekam, mit seiner Tochter Anna täglich die Stadt zu erwandern. Vom weltberühmten Prater über Madame Tussauds bis hin zum Haus des Meeres reichte das Besichtigungsprogramm. Kollegiale Kontakte knüpften die beiden zum Wiener Roten Kreuz, wo sie ganz nebenbei von Montag bis Freitag ihr Fahrzeug abstellen durften.

Anatoly ließ auf seinem Weg durch die Metropole die Museen und Opernhäuser links liegen. Er besichtigte lieber interessante Gebäude und erfreute sich an den architektonischen Eindrücken. Der 15-Jährige liebt das Leben und gibt nicht auf.