Gerichtsverhandlung in Osterhofen
Psychisch kranker Mann hielt Polizei in Atem
12. März 2013, 8:13 Uhr aktualisiert am 12. März 2013, 8:13 Uhr
Ein 63-jähriger psychisch kranker Mann hatte von Februar bis April des vorigen Jahres Polizei und Einsatzkräfte in Osterhofen und Deggendorf in Atem gehalten. Es gab Kämpfe mit der Polizei, falsche Alarmauslösungen, Beschimpfungen und Beleidigungen sowie falsche Verdächtigungen. Am Ende stand die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus, die von der 1. Großen Strafkammer des Deggendorfer Landgerichts jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.
In der Verhandlung, die von Landgerichtsvizepräsident Heinrich Brusch geleitet wurde, war Staatsanwalt Maximilian Kitzbichler der Vertreter der Anklagebehörde. Was er zu verlesen hatte, hörte sich teilweise an wie das Drehbuch zu einem Kriminalfilm. Geschehen war Folgendes: Am 7. April vorigen Jahres wurden zwei Plattlinger Polizeibeamte damit beauftragt, in Osterhofen eine vom Landratsamt am 5. April verfügte sofortige Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus zu vollstrecken. Als der Mann beim Türöffnen die Beamten sah, wollte er sich sofort davonmachen, wurde aber am Ärmel von einem der Polizisten festgehalten. Da zog der Mann ein Tierabwehrspray hervor und besprühte damit aus einem Meter Entfernung die Beamten. Der 63-Jährige flüchtete daraufhin zurück in seine Wohnung und verbarrikadierte sich. Nachdem die beiden Polizeibeamten wieder in der Lage waren, Entschlüsse zu fassen, wurde eine Sondereinheit in Straubing angefordert. Diese, "Operativer Ergänzungsdienst" genannte Einheit, die von der Schlagkraft unterhalb der SEKs angesiedelt ist, rückte mit zwei Polizeihauptmeistern an. Diese brachen die Tür auf und drangen in die Wohnung ein. Was sie nicht wissen konnten, war, dass sich der Gesuchte hinter einem umgelegten Tapeziertisch versteckt hatte und plötzlich wieder mit dem Tierspray in der Hand hervorsprang und erneut den Giftnebel versprühte.
Bevor der Mann schließlich überwältigt und festgenommen werden konnte, erlitt ein Beamter dabei eine schmerzhafte Bindehaut- und Hornhautverätzung, drei weitere am Einsatz beteiligte Polizisten bekamen durch das Spray ein Brennen in den Atembereichen. Der Vollstreckung der Einweisung vorausgegangen waren einige Vorfälle in Deggendorf. Dort hatte der 63-Jährige am 28. Februar gegen 3.19 Uhr den Notmelder in der Tiefgarage am Oberen Stadtplatz betätigt. Sofort kamen zwei Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr und ein Rettungswagen. Weiter erschien ein mit zwei Mann besetzter Streifenwagen. Die Beamten fanden den Beschuldigten betrunken auf einer Bank sitzend vor.
Eine Woche später geriet der 63-Jährige mit einer Außendienstmitarbeiterin des Verkehrsüberwachungsdienstes der Stadt Deggendorf in Streit und beleidigte die Frau dabei in Gegenwart einer Kollegin. Wegen dem Missbrauch des Notrufes war der Mann für den 25. März auf die Deggendorfer Polizeiinspektion zur Vernehmung vorgeladen worden. Dort erzählte der 63-Jährige den Beamten eine Räuberpistole, die zwei anderen Männern zunächst zum Verhängnis wurde. Der Osterhofener behauptete, dass er in der fraglichen Nacht vom 27. auf den 28. Februar von zwei Männern betäubt worden sei, so dass er an diesen Abend keine Erinnerung mehr habe. Seitdem fehlten ihm jedoch seine EC-Karte und ein geringer Betrag aus dem Geldbeutel. Weil der 63-Jährige alles genau schildern konnte und auch Namen nannte, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Computerbetrugs und Diebstahls eingeleitet.
Staatsanwalt Kitzbichler verwies in seiner Antragsschrift darauf, dass der Beschuldigten genau diese Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörde gegen diese beiden Männer beabsichtigt habe. Weil beim Beschuldigten jedoch bei den Tatbegehungen eine manische Episode bei bipolarer Störung - bei der Tat vom 28. Februar zudem weiter eine Alkoholintoxikation vorgelegen habe, sei der Beschuldigte wegen dieser krankhaften seelischen Störungen unfähig gewesen, das Unrecht der Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Deshalb habe der Beschuldigte im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Angelastet wurden dem 63-Jährigen mehrfache gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Missbrauch von Notrufen, Beleidigung und falsche Verdächtigung in zwei Fällen. Abschließend hieß es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft: Die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, er deshalb für diewidergespiegeltAllgemeinheit gefährlich ist. Dieser Satz, hätte er sich im Urteil der Strafkammer wiedergespiegelt, hätte für den Mann die Einweisung auf unbestimmte Zeit in ein psychiatrisches Krankenhaus bedeutet. Der Sachverhalt lag jedoch anders, wie sich aus der Verhandlung und dem medizinischen Gutachten ergab. Danach gehörte der 63-Jährige, der alles eingeräumt hatte, mit zu dem Personenkreis von psychisch Kranken, die durch jahrelanges Einnehmen der Medikamente nichts mehr von ihrer Krankheit spüren, glauben sie seien gesund geworden und deswegen eigenmächtig die Medikamente absetzen. So war es auch beim Osterhofener, der deshalb von der Kammer eine Bewährungsstrafe hinsichtlich der Einweisung erhielt, die allerdings mit einschneidenden Auflagen verbunden war.
Vizepräsident Brusch, der begründet darlegen konnte, dass beim Angeschuldigten die Gefährlichkeit nur dann gegeben sei, wenn die Medikamente nicht genommen werden, verkündete als weitere Kammerbeschlüsse, dass der Mann, der mit einem Betreuer kam, sich fünf Jahre einem Bewährungshelfer und der Führungsaufsicht unterstellen muss. Weiter muss er sich alle drei Monate einer Blutspiegeluntersuchung unterwerfen und sich in ambulante psychiatrische Behandlung begeben. Da sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung, die von Rechtsanwalt Gerhard Vaitl geführt wurde, einschließlich dem Beschuldigten über diese Vorgehensweise einig waren, wurde das Urteil von allen Gerichtsbeteiligten angenommen und wurde damit rechtskräftig.