"Katastrophe für den deutschen Nachwuchs"
Fähnchen-wechsel-dich: Das deutsche Eishockey am Scheideweg
13. Januar 2016, 16:25 Uhr aktualisiert am 13. Januar 2016, 16:25 Uhr
Hinter vorgehaltenen Händen sorgt dieses Thema bei deutschen Eishockeyspielern längst für genügend Frust und Zündstoff. Jetzt ist einem von ihnen der Kragen geplatzt. Vor laufender Kamera ging Kölns Kapitän Moritz Müller mit den Regularien der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hart ins Gericht. Es geht um doppelte Staatsbürgerschaften und die sportlichen Folgen. Wir haben zu diesem Thema nachgehakt.
Das Thema Einbürgerung reizt die Gemüter der deutschen Eishockeyfans. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Diskussion nach dem vergangenen Wochenende. Beim TV-Sender Servus TV gab Moritz Müller, Verteidiger der Kölner Haie, in der zweiten Drittelpause der Partie gegen die Iserlohn Roosters ein hochemotionales Interview. Mit 1:6 lagen die Haie hinten und Müller sprach beim Gegner von einer "kanadischen 1c-Nationalmannschaft" und fragte: "Wie viele Deutsche haben die im Kader stehen? Zwei?". Und einmal in Fahrt, polterte der deutsche Nationalspieler gleich weiter: "Die Liga sagt, die Nationalmannschaft muss besser werden und hier spielt so eine abgetakelte kanadische Nationalmannschaft."
Dieses Interview löste in den sozialen Netzwerken heftige Diskussionen aus. Gerade von Spielerseite bekam Müller für seine Aussagen Zustimmung. So schrieb etwa der ehemalige Straubinger Sören Sturm auf seiner Facebook-Seite: "Endlich sagt mal einer die Wahrheit über das deutsche Eishockey! Sauber Mo!"
Und Torhüter Dimitri Pätzold von den Schwenninger Wild Wings ließ verlauten: "Endlich hat einer mal den Mumm es öffentlich anzusprechen. RESPEKT! Die Iserlohner pseudo deutschen können nichts dafür, jeder Mensch will seine Möglichkeiten nutzen, wenn sie da sind. Aber was ist mit der Liga? Warum die ständigen Diskussionen jeden Sommer, wie man das deutsche Eishockey voran bringt. Wenn es sowieso eigentlich keinen juckt. Via Twitter bekam Moritz schon einen Shitstorm von einigen Fans. Ich würde mich nicht wundern wenn es die selben sind, die nach der WM im Mai buh schreien!"
Am Montag meldete sich Moritz Müller noch einmal zu Wort und schrieb bei Facebook: "Um das Thema gestern (Sonntag, Anm.d.Red.) von meiner Seite abzuschließen. Ich sehe ein, dass der Zeitpunkt gestern nicht der richtige war, um ein solches Thema aufzumachen. (...) Das Thema Ausländerreduzierung bleibt etwas, womit sich Eishockeydeutschland auseinandersetzen muss, damit wieder junge Jahrgänge in die Liga kommen."
Das sagt EVL-Coach Bernie Englbrecht zur Thematik
Wir haben bei Bernie Englbrecht, dem Trainer des EV Landshut nachgefragt, wie er zu dem Thema steht. Als eine "Katastrophe für die Ausbildung und Förderung des deutschen Nachwuchses" sieht er die aktuelle Entwicklung mit immer mehr eingedeutschen Akteuren in der Liga. "Jeder, dessen Ur-Ur-Ur-Großvater Deutscher war, bekommt einen deutschen Pass", bemängelt er. Seiner Meinung nach muss die Liga da eingreifen: "Entweder ich bin in Deutschland geboren oder ich lebe sieben, acht Jahre hier, kann die Sprache und entscheide mich, hier zu bleiben", sagt er. Zuletzt gab es auch Vorschläge, für eingebürgerte Deutsche eine halbe Ausländerstelle zu vergeben. "Das wäre auch eine Option", so Englbrecht, "aber warum eine halbe Stelle vergeben, wenn es im Prinzip ganze Ausländer sind?"
Durch die Häufung eingedeutschter Akteure bekommen deutsche Spieler weniger Einsatzzeiten. "Das sieht man zum Beispiel in Straubing. Ein Stefan Loibl spielt ja fast nie, ist aber eines der deutschen Toptalente." Wie es anders funktionieren könnte, sehe man beispielsweise in Schweden oder Finnland. Dort sei zwar auch die Ausbildung besser, aber die Talente bekämen dann im Seniorenbereich auch die nötigen Eiszeiten und kämen etwa auch im Powerplay zum Einsatz. In Deutschland dagegen sind aktuell in der DEL mit den Iserlohn Roosters und in der DEL2 mit den Fischtown Pinguins zwei Teams außerordentlich erfolgreich, die in ihren Spielerlisten jeweils zwölf Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft haben.
Von vielen wird bemängelt, dass durch eine Veränderung der Ausländerregelung in der DEL die Spielergehälter der deutschen Akteure schlagartig nach oben schießen würden. Englbrecht dazu: "Wir sind in Deutschland und da sollen auch die deutschen Spieler das Geld verdienen können."
idowa fragte am Mittwoch auch bei Jason Dunham, dem Manager der Straubing Tigers nach. Dieser wollte sich allerdings nicht zu diesem Thema äußern.