Auswanderin aus Rottenburg
22-Jährige zog für die Liebe nach Australien
23. Dezember 2021, 6:00 Uhr aktualisiert am 20. Dezember 2022, 14:56 Uhr
Eigentlich hätte es nur ein gewöhnlicher Auslandsaufenthalt nach der Schule werden sollen: Jasmin Vogel wollte die Welt sehen und ihr Englisch verbessern. Dafür ging sie für sechs Wochen nach Australien. Doch die Liebe durchkreuzte ihre Pläne, sodass sie beschloss, ganz auszuwandern. Im Interview mit Redakteurin Anna Kolbinger erzählt sie von ihrem Leben als Auswanderin, warum sie erst in Australien den verhassten Regen zu lieben gelernt hat und warum ihre neue Heimat in Coronazeiten eine Oase ist.
Drei Fragen an die Autorin
Warum hast du diese Geschichte geschrieben?
Meine Kollegin hat mir von einer Bekannten erzählt, die nach Australien ausgewandert ist. Das ist ja doch eine sehr weite Entfernung und deswegen auch eine weitreichendere Entscheidung, als wenn man europaweit auswandert. Gerade durch die Pandemie waren/sind Besuche der Familie und Freunden über eine lange Zeit nicht möglich. Mich hat interessiert, was sie zu dem Schritt bewogen hat, ob sie ihre Entscheidung bereut hat und wie es ihr jetzt in der Pandemie (ohne Besuche der Familie und mit anderen Corona-Regeln als hier) geht.
Wie bist du bei der Recherche vorgegangen?
Ich habe mit meiner Kollegin gesprochen und mir erzählen lassen, was sie über die Bekannte weiß. Außerdem habe ich mich über Australien und speziell über das Gebiet, in dem Jasmin Vogel lebt, allgemein informiert. Genauso wie über die dortigen Corona-Regeln. Mir ging es aber mehr um ihre persönlichen Erfahrungen und Sichtweisen.
Welche Rückmeldungen hast du auf die Geschichte erhalten?
Das Interview haben besonders online deutlich mehr Menschen gelesen, als in unserem Durchschnitt.
Jasmin Vogel über ihre Erfahrungen:
Frau Vogel, wie ist es dazu gekommen, dass Sie nun in Australien leben?
Jasmin Vogel: Ich bin nach der Realschule (2016) nach Australien geflogen, um mein Englisch an einer Sprachenschule zu verbessern. Dort habe ich meinen Freund kennengelernt. Seitdem geht's nicht mehr ohne ihn.
Haben Sie sich sofort dazu entschieden, in Australien zu bleiben?
Vogel: Wir haben erstmal eine Fernbeziehung versucht, ich habe in Deutschland sogar eine Ausbildung angefangen. Aber das hat einfach nicht funktioniert. Es hat mir mein Herz gebrochen. Zwischendurch bin ich öfter hin und her geflogen, bis ich dann im August 2017 ganz nach Australien gezogen bin.
Weit weg, als der Vater starb
Wie hat Ihre Familie auf diese Entscheidung reagiert?
Vogel: Mein Papa fand das sofort super. Er hat sich auf Anhieb mit meinem Freund sehr gut verstanden. Meiner Mama hat's halt schon das Herz gebrochen, weil ich weggehe.
Wie oft besuchen Sie Ihre Familie noch in Deutschland?
Vogel: Schon öfter, mindestens zweimal im Jahr und dann auch für eine etwas längere Zeit. Das Schöne ist, dass ich normal (nur nicht in Coronazeiten) relativ spontan entscheiden kann, dass ich zu meiner Familie nach Deutschland fliegen möchte und in 24 Stunden bin ich dann da - obwohl Australien so weit weg ist.
Empfanden Sie die Entfernung nie als Problem?
Vogel: Doch, als mein Papa gestorben ist, war es sehr schlimm für mich, so weit von meiner Familie weg zu sein - auch, weil es sich so angefühlt hat, als hätte ich meine Mama und meine Schwester allein gelassen. Aber ich konnte ganz schnell heimfliegen und bei ihnen sein, das war kein Problem. Im Nachhinein war ich eigentlich froh, dass ich in der turbulenten Zeit nicht da war.
Was vermissen Sie in Australien am meisten?
Vogel: Natürlich meine Familie, meine Freunde - und Mamas gutes Essen. Zum Glück gibt es Whatsapp und Co., um den Kontakt zu halten. Und ich bekomme auch manchmal Pakete geschickt gegen das Heimweh. Den Wald vermisse ich auch, vor allem diesen besonderen Geruch. Hier gibt es sowas nicht, sondern nur Buschland.
Haben Sie sich schon immer gewünscht, mal auszuwandern?
Vogel: Das nicht. Aber vorstellen konnte ich es mir schon, nur dachte ich eher später im Leben.
Berufseinstieg als Au-pair
Denken Sie darüber nach, wieder nach Deutschland zu ziehen?
Vogel: Mein Freund und ich überlegen schon, mal für ein halbes oder ein ganzes Jahr in Deutschland zu leben. Aber ganz zurückkommen werde ich nicht.
Können Sie kurz erzählen, was Sie in Australien gearbeitet haben und heute arbeiten?
Vogel: Nach der Sprachenschule habe ich als Au-pair gearbeitet. Später habe ich eine schulische Ausbildung zur psychologischen Beraterin gemacht. Jetzt arbeite ich aber im Rettungsdienst. Das ist super, ich glaube, das wäre auch in Deutschland meine erste Berufswahl gewesen.
War die Sprache am Anfang ein Problem?
Vogel: Ja, das war am Anfang schwierig, vor allem der Akzent. Sowas lernt man ja nicht in der Schule. Mir ist es schwer gefallen, frei zu reden. Aber wenn man nun mal mit niemandem deutsch sprechen kann, überwindet man diese Blockade. Perth, wo ich lebe, ist auch sehr international geprägt. Hier interessiert es keinen, ob man gut Englisch spricht oder mit Akzent - solange man sich bemüht.
Was sind die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Australien?
Vogel: Das Wetter. Perth befindet sich in Westaustralien. Hier scheint immer die Sonne und auch im Winter hat es 24 Grad. Im Sommer sind es dafür 40 Grad in Dauerschleife. Das ist echt anstrengend, da ist meine deutsche Haut schon nach fünf Minuten verbrannt. Hier habe ich auch gelernt, den Regen zu lieben, weil das für mich Heimat ist. Das hätte ich nie gedacht, weil mich der Regen in Deutschland immer genervt hat.
... und zwischen Deutschen und Australiern?
Die Pandemie ist anders
Vogel: Die Leute hier in Australien sind fröhlicher und offener. Hier wird viel mehr Smalltalk gemacht. Hier erkundigt sich jeder, wie es einem geht und was man heute noch so macht. Am Anfang fand ich das echt komisch und dachte mir: "Warum willst du das wissen? Ich kenn dich doch gar nicht". Mittlerweile hab ich mich aber dran gewöhnt und genieße diese Offenheit sogar.
Sind Sie in der Hinsicht auch schon "australischer" geworden?
Vogel: Ja, auf jeden Fall. Ich bin viel gelassener und rede jetzt selber mit jedem, auch mit Fremden.
Sind Sie froh, in der Pandemie in Australien zu sein?
Vogel: Sehr froh. Das hier ist echt eine kleine Oase, in der wir fast nichts von Corona mitbekommen. Ich kann mir die Situation in Deutschland mit dem ewig langen Lockdown und den Einschränkungen überhaupt nicht vorstellen. Hut ab an alle, die das so durchhalten! Ich werde schon nach einer Woche verrückt.
Wann müssen Sie in den Lockdown?
Vogel: Wenn es in der Gemeinde einen positiven Fall gibt, werden wir in den Lockdown geschickt. Dann müssen alle zum Testen und es herrscht Maskenpflicht. Restaurants haben geschlossen und man darf sich nur eine Stunde draußen aufhalten. Wenn möglich, muss man im Homeoffice arbeiten. Das dauert dann höchstens zwei Wochen, dann sind wir wieder frei und leben ohne Einschränkungen. Hier finden sogar riesige Veranstaltungen und Konzerte statt.