Vilsbiburger Zeitung
Ein Tag im Leben von Lenka Dürr, Libera bei den Roten Raben Vilsbiburg
28. Januar 2011, 14:55 Uhr aktualisiert am 28. Januar 2011, 14:55 Uhr
Vilsbiburg. Stellen Sie sich vor, Sie dürften Ihre ganze Arbeitszeit damit verbringen, Ihrem Lieblingshobby nachzugehen. So gesehen sind die Volleyball-Asse doch echte Glückspilze. Aber wie sieht der Alltag als Leistungssportler wirklich aus? Noch dazu, wenn es der einer Schülerin ist, die gerade kurz vor ihrem Abitur steht? Für die DVL-Kampagne "Echte Menschen. Echte Stars" ist Lenka Dürr, Libera beim Deutschen Meister Rote Raben Vilsbiburg, von an einem ganz normalen Freitag begleitet worden.
Freitagmorgen, 7.45 Uhr: Im niederbayerischen Vilsbiburg geht langsam die Sonne auf und der Wecker von Lenka Dürr klingelt. Schnell waschen, anziehen, die Meerschweinchen Bruce und Lucky knuddeln und füttern, und dann in die Küche zum Frühstück. Hier sitzt bereits Mitbewohnerin Johanna Barg und schreibt an ihrer Diplomarbeit. Seit einigen Tagen steht die Außenangreiferin bereits um 7 Uhr auf, um den Abgabetermin in zwei Wochen einhalten zu können, und hat daher schon ohne Lenka gefrühstückt. Lenka setzt heißes Wasser für den Tee auf und schmiert sich zwei Marmeladenbrote. "Das ist der beste Start in den Tag", sagt die 20-Jährige. Während des Frühstücks diskutieren sie über Johannas Diplomarbeit und was es zum Mittagessen geben soll. Diese Entscheidung wird allerdings auf später vertagt, weil...
8.30 Uhr Weg zur Schule: ...es mittlerweile kurz nach halb neun ist und Lenka sich auf den Weg zur Schule machen muss. Auf dem Maximilian-von-Monteglas-Gymnasium besucht sie die 13. Klasse. Der Schulweg ist kurz, praktischerweise nur eine Straße von Lenkas Wohnung entfernt liegt das Gymnasium. Eigentlich ein Fußweg, doch heute steigt sie in ihr Raben-Mobil, weil sie zwischendurch zur Physiotherapie muss. "Natürlich sind die Freitage meine liebsten Schultage", sagt Lenka mit einem Augenzwinkern, "nicht nur, weil dann Wochenende ist, sondern auch, weil ich die erste Stunde generell frei habe."
In der Schule angekommen, wartet aber heute eine Überraschung auf sie, ...
8.45 Uhr: Englisch Grundkurs:... in Form eines nicht angekündigten 20-minütigen Tests über Novellen! Die gesamte Klasse schaut überrascht drein und auch Lenka wird kurz blass. Nach der Stunde sagte sie, der Test sei "ganz okay gelaufen", zuckt aber auch mit den Schultern: "Es sind halt immer drei, vier Fragen dabei, mit denen man niemals gerechnet hätte."
9.30 Uhr: Wie war das noch gleich mit dem freien Willen?! Im Anschluss wird es gleich ein bisschen philosophisch: Ethik und darin das Thema "Selbstbestimmung und Willensfreiheit" stehen auf dem Stundenplan. Im Vergleich zur Englischstunde ist die Schüleranzahl mit nur 15 überschaubar, "was ganz angenehm ist", sagt Lenka. So entstehen interessante Diskussionsrunden, "aus denen ich wirklich etwas mitnehmen kann."
10.15 Uhr: große Pause Die große Pause verbringt Lenka meistens in der Aula. "Im Sommer gehen wir natürlich auf den Schulhof, um die Sonne zu genießen, aber wenn's dann kälter ist, sind wir froh, dass es die Aula gibt." Laut ist es hier und man versteht kaum sein eigenes Wort - kein Wunder, es tummeln sich hier mehrere hundert Schüler. In der Regel leisten während dieser Viertelstunde Mannschaftskollegin Alessandra Jovy-Heuser, die heute allerdings krank ist, und Sabrina Gesellschaft. Sabrina und Lenka sind in der 12. Klasse gute Freundinnen geworden. Sie besuchen dieselben Leistungskurse und haben damit auch einen fast identischen Stundenplan. Sabrina versorgt Lenka mit dem aktuellen Lernstoff, wenn diese mit der Bundesliga- oder Nationalmannschaft unterwegs ist. "Sie ist die Beste, ohne ihre Hilfe würde ich das alles gar nicht schaffen", sagt Lenka. Heute bleibt aber kaum Zeit für ein Pausenschwätzchen, denn...
10.30 Uhr: Zwischen Meditation und "Aua, tut das weh" ... der Termin bei Physiotherapeut Maximilian Hartl wartet. Hartl betreut die Roten Raben auf ihren Auswärtsfahrten. Derzeit erhält Lenka Dürr wegen einer Oberschenkelverletzung täglich eine 20-minütige Lymphdrainage vom Hals bis zum Unterschenkel, um überschüssige Flüssigkeiten abzutransportieren und die Heilung zu fördern. "Das ist wie Meditation", schwärmt Lenka zu Beginn der Behandlung, während Maximilian Hartl ihre Lymphknoten am Hals massiert. Daraufhin ist der Bauchraum an der Reihe, mit "stehenden Kreisen" gezielt bearbeitet zu werden. Und schließlich auch der "wunde Punkt", der verletzte Oberschenkel. "Aua, tut das weh", schießt es aus ihr heraus. Aber da muss sie durch. Im Spiel gegen Alemannia Aachen zog sie sich eine Zerrung mit kleinen Muskelfaserrissen und einer Einblutung zu. Sie konnte mit dem linken Bein keinen Druck mehr ausüben, kam kaum vom Fleck und hatte bei jedem Schritt Schmerzen. So mussten die Raben im Europapokal gegen Valeriano Alles Menorca sowie in der Bundesliga-Partie gegen Allgäu Team Sonthofen ohne sie auskommen. Im Anschluss an die Lymphdrainage führt Lenka noch selbstständig eine Ultraschall-Behandlung am Oberschenkel durch. Genau siebeneinhalb Minuten lang erwärmt sie durch kreisende Bewegungen auf und um den Muskel herum das Gewebe in der Tiefe, um dessen Durchblutung noch einmal zu fördern.
Nach der Physiotherapie geht's im Eiltempo zurück zur Schule: Die Sportstunde hat bereits begonnen, aber aufgrund ihrer Verletzung darf sie auf der Bank Platz nehmen und den Klassenkameraden beim Völkerball zuschauen. Sie ist richtig froh darüber, "denn ich hasse Völkerball".
11.30 Uhr: Biologie Grundkurs Zum Schluss des Schultages gibt es eine Doppelstunde Biologie mit dem Thema Evolution. Der Lehrer steigt ein mit der Frage: "Wann war der Urknall?" und verdeutlicht seinen Schülern gleich mehrmals, dass die eigene Existenz in der gesamten Evolution "so gut wie nichts" sei. Nach dieser Lehrstunde sind alle froh, als um 13 Uhr endlich die Schulglocke läutet. Auch Lenka kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, denn sie hat zuvor von Johanna per SMS erfahren, dass sie sich um das Mittagessen keine Sorgen machen müsse. Und der Magen knurrt schon.
13.15 Uhr: Mittagessen Normalerweise isst Lenka immer bei ihren Vermietern in der Wohnung eine Etage tiefer zu Mittag. Aber diese sind heute krankheitsbedingt außer Gefecht gesetzt. Zum Glück ist zufällig Johannas Freund Ralf, ein äußerst begabter Hobby-Koch, zu Besuch. Auf dem Tisch wartet typische Sportlernahrung: Nudeln à la Bolognese.
14 Uhr: Eine Runde Mittagsschlaf Ein Leistungssportler achtet nicht nur auf die richtige Ernährung, sondern auch auf Schonung des Körpers, in dem er sich Ruhepausen gönnt. So hat sich Lenka vor ein paar Jahren angewöhnt, nach Möglichkeit jeden Tag nach der Schule knapp eine Stunde Mittagsschlaf zu halten. "Damit tanke ich Kraft für die restlichen Stunden des Tages und bin dann bei Hausaufgaben und auch im Training viel konzentrierter", sagt sie und verkriecht sich in ihr Bett.
15. Uhr: Schluss mit Ausruhen Zum zweiten Mal an diesem Tag klingelt der Wecker. Lenka setzt sich für die Hausaufgaben an ihren Schreibtisch. Außer Bio, Englisch und Ethik steht ihr Leistungskursfach Deutsch auf dem Programm. Hier gibt es einen langen und komplizierten Text, "den man einfach mehrmals lesen muss, um ihn überhaupt bearbeiten zu können", stöhnt Lenka. Sind die Hausaufgaben endlich abgehakt, folgt...
17.30 Uhr: der angenehme Teil ... ein Telefonat mit ihrem Freund Lukas Kampa, der seit dieser Saison bei den RWE Volleys Bottrop in der 1. Liga unter Vertrag steht. "Vor seinem Wechsel von Friedrichshafen nach Bottrop konnten wir uns natürlich etwas häufiger sehen", sagt Lenka, "jetzt telefonieren wir dafür umso länger." Ab und zu ist direkt im Anschluss noch ein Telefonat mit ihrer Mutter dran, heute ist dafür keine Zeit, da...
18.30 Uhr: Tasche packen und ab geht's ... es eine Stunde später heißt, die Tasche zu packen, denn um 19 Uhr ist Trainingsbeginn. Das bedeutet für Lenka und Johanna, spätestens um zwanzig vor sieben ins Auto zu steigen und zur Vilstalhalle zu fahren. Alle Spielerinnen trudeln immer bereits gegen Viertel vor sieben in der Halle ein, um die Begrüßungsansprache von Trainer Guillermo Gallardo nicht zu verpassen.
19 Uhr: Training Während die anderen Spielerinnen wie gewohnt Balltraining haben, absolviert Lenka unter der Anleitung von Athletiktrainer Anton Toni Brandmeier ihr Reha-Programm. "Das ist oft viel anstrengender als das normale Training", sagt sie. Nachdem in den letzten Tagen täglich Stabilisation und Stretching auf dem Plan standen, ergänzt Toni heute die Übungen mit leichtem Lauftraining, um die Beinmuskulatur - speziell auch den angeschlagenen Oberschenkel - wieder an höhere Belastungen und dynamische Bewegungsabläufe zu gewöhnen. "Lenka bringt prinzipiell schon perfekte athletische Grundlagen mit, dank derer diese Reha-Phase sehr viel kürzer sein wird, als es bei anderen der Fall wäre", sagt Toni.
21.30 Uhr: Facharbeitsparty Nach dem Training geht's dann noch für knapp anderthalb Stunden zu einer Facharbeitsparty in den Nachbarort Geisenhausen, wo Lenkas Klassenstufe die erfolgreiche Abgabe ihrer Facharbeiten feiert. Hier genießt sie nach dem anstrengenden Tag einen für ihre Altersgenossen normalen, für sie selbst aber eher ungewöhnlichen Freitagabend. Denn meistens befindet sich Lenka zu dieser Zeit schon in einer anderen Stadt irgendwo in Deutschland, um im Hotel nach einer stundenlangen Busfahrt noch einmal Kraft für das am nächsten Tag stattfindende Bundesligaspiel zu sammeln.
Anna Wedegärtner
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Steckbrief: Lenka DürrGeburtsdatum: 10.12.1990
Geburtsort: Memmingen
Größe: 1,70 m
Familienstand: ledig
Beruf: Schülerin
Position auf dem Feld: Libero
Verein: Rote Raben Vilsbiburg
Bisherige Vereine: TV Kaufbeuren, SV Mauerstetten, FTSV Straubing
Sportliche Erfolge: 3x Bundespokalsieger
Jugendeuropameister 2007
Teilnahme Jugendweltmeisterschaft 2009 (11. Platz)
Teilnahme CEV-Final Four 2009
Deutscher Meister 2008 2010
Deutscher Pokalsieger Deutscher Vizemeister 2008/2009
Libero des Jahres 2009
Juniorinnen-Weltmeister 2009
3. Platz World Grand Prix 2009
4. Platz Europameisterschaft 2009
Länderspiele: 64 Jgd./ Jun. 22 Frauen