Preisträger

Dokumentarfilmer Albert Schettl ausgezeichnet

Kulturpreis des Landkreises Regensburg 2019 verliehen


Albert Schettl wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Außerdem hat er sechs Mal den Bayern-Oscar erhalten.

Albert Schettl wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Außerdem hat er sechs Mal den Bayern-Oscar erhalten.

"Des muass a Narrischer sei, der an Film über den Fisch mocht", soll sich ein Forellenzüchter aus der Tirschenreuther Teichpfanne gedacht haben, als Albert Schettl aus Neutraubling (Kreis Regensburg) gegen Ende der 1980er-Jahre wegen eines Films anfragte. Als dieser dann aber für Von der Brutrinne zum Mönch beim Bundesfilmfestival NATUR in Blieskastel (Saarland) 1994 die Goldmedaille einheimste, nahm der Forellenmann seine Aussage zurück, erzählt Schettl lachend.

Preise wie diesen hat der 92-Jährige zuhauf für seine Dokumentarfilme rund um aussterbende Handwerksberufe und Tiere abgesahnt - auf regionaler, Landes- und Bundesebene, sogar international. Im Sommer wurde er mit dem Kulturpreis 2019 des Landkreises Regensburg für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Besonders stolz ist er aber auf seine sechs Bayerischen Löwen, die "Bayern-Oscars". Sie stehen unauffällig zwischen etlichen Porzellan-Engeln in der Wohnzimmervitrine.

Schlaganfall überwunden

Einen von ihnen hat Schettl für die Herausforderung bekommen - einen Film über die Wartung von Starkstromüberlandleitungen. Mit damals 76 Jahren ist er dafür auf einen 70 Meter hohe Strommasten gekraxelt und hat aus einem fliegenden Helikopter heraus die Reparaturarbeiten gefilmt.

Momentan ist Schettls größte Herausforderung das Schreiben. Nach einem Schlaganfall klappt es damit noch nicht so recht. Die Hand will nicht mit dem Stift mitgehen. Schettl ist ungeduldig. Dabei hat er schon große Fortschritte gemacht. "I hob ja nimmer geh kenna", sagt er. Dass er bis vor Kurzem nicht mehr Laufen konnte, merkt man nicht, wenn er, um eine seiner DVDs zu holen, durch die Wohnung marschiert. Den Rollator hat er nur ein einziges Mal benutzt, für eine Untersuchung im Krankenhaus. Seitdem steht dieser wie ein Mahnmal am Fenster hinter der Couch. "Da musst zamhelfen", sagt seine Ehefrau Rosemarie. Sie ist 80. Jeden Tag seien sie gemeinsam auf- und abgelaufen, bis Albert Schettl es endlich wieder alleine konnte. Jetzt wartet er, bis er seinen aktuellen Filmabschließen kann - es geht um die Ortschaft Laber. Ohne den Text für den Sprecher geht das aber nicht. Und den muss er schreiben.

Er macht die Kamera,
sie das Licht

Rosemarie Schettl ist Teil des Produktionsteams. Sie macht das Licht, bedient die zweite Kamera und knipst Fotos. Und schon manches Mal wusste sie Rat, wenn Albert Schettl nicht mehr weiterwußte - wie bei Seine letzte Rose, einem Film über das Handwerk des Kunstschmieds. "Der wollt ned mitmocha. Unbedingt ned. Allweil bin i wieder higfohn und hob gredt mit ihm", sagt Schettl. Seine Frau hatte die zündende Idee: Mit einer Schachtel Zigarren hat sich der Kunstschmied Josef Rottler aus Eltheim überreden lassen. Entstanden ist einer von Rosemaries Lieblingsfilmen, eingebracht hat er einen "Bayern-Oscar".

Filme drehen ist nicht immer angenehm

Das Filmen habe sie schon einige Nerven gekostet, sagt sie. "Hundskalt is gwen. Nix zum Essen dabei, weil er gsagt hod: 'Des dauert ned lang'". Es hat doch gedauert. Von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags saßen die Schettls im Forellenhäusl und haben Fischeier gefilmt: Drei Stück, kurz vorm Schlüpfen. Albert Schettl sagt: "Hob i gsagt: 'I nimm des mittlere Ei', is des linke gsprunga. 'Na nimm i des rechte'. Is des mittlere gsprunga. Finster is gwen, wie i's endlich erwischt hob." Heute können beide darüber lachen.

Geschichten wie diese haben die Schettls massenweise zu erzählen. Denn Albert Schettl ist Perfektionist. Noch vor dem Dreh recherchiert er; über das Handwerk, die Technik, die Arbeitsweise. Ein Drehbuch muss her, die Kameraeinstellungen müssen geplant werden. Ist der Protagonist Links- statt Rechtshänder oder er dreht sich unerwartet für den nächsten Arbeitsschritt, kann das den Dreh ruinieren. "Beim Video kost's nix", sagt Albert Schettl. "Einfach drauf. Aber wie i ogfangt hob, hod der Film 21 Mark kost - für ungefähr drei Minuten."

"Mei, da hamma gstrittn", sagt Rosi Schettl. Sie spricht von einen Film über die Herstellung von Antikglas bei der Glashütte Lamberts in Waldsassen. "Sigst du den Schatten ned?" soll ihr Mann sie angeblafft haben. Rosemaries Antwort: "'Nein. I film ja ned. Du filmst'. Den Schatten sigt der doch bloß hinter der Kamera", sagt sie heute dazu.

"Ein Film muss Hand und Fuß haben"

Noch mehr ärgerte sich Albert Schettl aber oft über das Unverständnis so mancher Mitwirkender. Beim Dreh eines Films über das bäuerliche Handwerk von früher seien die "Bauern" in Jeans und mit Uhr am Handgelenk am Set aufgekreuzt und wollten Sportpferde vor die Sämaschine spannen. "De moanan, des is schee. Schee is wos andersts. Ein Film muss Hand und Fuß haben", sagt Schettl. Wenn im Film etwas nicht authentisch ist, merke das der Zuschauer. Das Projekt hatSchettl fallengelassen.

Dabei ist er keiner, der vorschnell aufgibt. Er hat es schon mit dem Landesamt für Denkmalpflege aufgenommen, als er an der Walhalla nicht drehen durfte, obwohl es keine diesbezüglichen Hinweisschilder gab. Er hat zehn Jahre gewartet, bis er seinen Film über den Radi-Anbau in Schwabelweis fertigstellen konnte - eine Geschichte, hinter der sogar der Bayerische Rundfunk her gewesen wäre. Mit dem wollte aber keine der Radi-Bäuerinnen drehen.

Ein Oscar-Preisträger als Konkurrent

Die Frage, ob er Vorbilder gehabt habe, beantwortet Schettl nicht. Zeitweise hatte er aber einen kleinen Konkurrenten: Thomas Stellmach, der Trickfilmer und Oscar-Preisträger. "Oamol war i erster, oamol war er erster", sagt Schettl und lacht. Ein richtiger Oscar für Schettl? Als Dokumentarfilmer ein Traum und Glückssache, sagt er.

Dabei hat Schettl sich im Dokumentarfilm einen großen Namen gemacht. Wenn er in der Tür stand, hieß es oft: "Mit deinem Namen is des überhaupt koa Problem", sagt er. Auch die Ergebnisse überzeugten: "Wenn i des ned wüsst, dass der Film von ihnen is, würd i's ned glauben", soll der Lamberts-Chef gesagt haben. Sogar ein Regisseur des Bayerische Rundfunks bestätigte Schettl sein Können, als er einen kleinen Beitrag über ihn drehten. Jeden Film könne man über das Fernsehen laufenlassen, soll er gesagt haben.

Dokumentar- statt
Urlaubsfilm

Woher Schettls Leidenschaft für das Filmen kommt? Es war 1965, Campingurlaub in Österreich: Albert Schettl beobachtet einen Mann, der seine Tochter filmt. Er schwenkt eine Super-8-Kamera. So eine will Schettl auch. "Er hod gsagt: 'Kemma in Urlaub fohn, mach ma Urlaubsfilme.' Urlaubsfilme sand koa gmacht worn", sagt Rosemarie Schettl. Sie schüttelt den Kopf. Trotzdem verbinden die beiden mit jedem der über 100 Dokumentarfilme, die Albert Schettl bisher produziert hat, eine besondere Erinnerung. "Des war a schöne Zeit", sagt Rosemarie Schettl. Sie ist sich sicher, dass Albert Schettl bald wieder hinter der Kamera stehen wird. "Weil des is des, wos ihn aufrecht holt."