Bogener Zeitung
"Ich schreibe meine Lieder aus Begeisterung"
28. Juni 2011, 8:49 Uhr aktualisiert am 28. Juni 2011, 8:49 Uhr
Hans-Jürgen Buchner ist als Multiinstrumentalist weit über die Grenzen Bayerns bekannt. Im Rahmen seiner aktuellen Tournee spielt er am 30. Juni in Neurandsberg. Zusammen mit seiner Band werden den Zuhörern wieder bekannte Hits, neue Lieder und freie Improvisationen geboten. In einem Interview spricht Buchner über seine Musik, das Leben und seine jahrelange Konzerterfahrung.
Herr Buchner, man bezeichnet Sie als musikalische Visitenkarte Bayerns. Ist es Ihnen wichtiger als Botschafter Bayerns in der Welt aufzutreten oder in der Heimat vor bayerischem Publikum?
In Bayern und Österreich verstehen die Menschen meine Sprachform besser. Es gibt viele die nach einem Haindling-Konzert zu mir kommen und sagen, dass sie, wenn sie Haindling hören, stolz sind Bayer zu sein und die bayerische Sprache auch in Zukunft erhalten wollen. Aber ich bin stolz darauf, dass ich ein fester Bestandteil meiner Heimat bin und ich freue mich, das kulturelle Aushängeschild Bayerns zu sein.
Selbst in Deutschland werden Sie in manchen Gegenden nicht verstanden, aber im Ausland ist es noch schwerer, den Text zu vermitteln. War das je ein Problem für Sie?
Als wir in China gespielt haben, war eine Übersetzerin auf der Bühne, die die Texte in kurzen Worten an das Publikum weitergab. Das war schon seltsam. Aber wir begeistern überall durch unsere Spielfreude und unseren Multiinstrumentalismus, da ist manchmal der Text nicht so wichtig. Ich habe ein chinesisches Volkslied uminstrumentalisiert und als wir das in China gespielt haben waren die Menschen so begeistert, dass sie geweint haben. Instrumentalmusik ist international verständlich und die Menschen begeistern wir überall mit unseren Instrumenten.
Auf Ihren Tourneen und im Urlaub haben Sie schon die Musik vieler Länder gehört. Welche Länder haben Sie auf Ihren Reisen musikalisch am meisten beeindruckt?
Ägypten, Indien und China. In China gibt es diese kleinen Flöten, die mich fasziniert haben. Ich habe einen Instrumentenbauer in Vietnam, der mir nach Wunsch alle Instrumente, die ich auf meinen Reisen entdecke, nachbaut. Ich versuche auch nie, ein Instrument so zu spielen wie die Einheimischen, die damit aufgewachsen sind, sondern ich spiele es auf meine eigene Art.
Wenn man an Haindling denkt, kommen einem sofort die besonderen Klänge der Musik in den Sinn. Wie würden Sie Ihren "eigenen Klang" beschreiben?
Das kann ich nicht. Das Klangspektrum habe ich in mir, wahrscheinlich schon seit meiner Kindheit. Als ich jung war, wollte ich eine Band gründen, aber es war die Hippie-Zeit und alle wollten nur Jimmy Hendrix spielen. Da habe ich mir ein 4-Spur-Tonband gekauft und meine Instrumente und die Klänge, die ich mit vorstellte, selbst aufgenommen. Mein Vorbild war Mike Oldfield, weil er ein ganzes Orchester verkörpern konnte. Das wollte ich auch. Jetzt bin ich Multiinstrumentalist und alle Instrumente die ich spiele, tragen meine klangliche Handschrift.
Hat sich die im Laufe der vergangenen 30 Jahre verändert?
Ja, hat sie. Viele Bands haben nur eine Single und die muss ein Erfolg werden. Sie haben keine Zeit, sich zu entwickeln. Ich hatte diese Zeit. Ich habe einen der wenigen Plattenverträge auf der ganzen Welt, bei dem die Plattenfirma kein Einspruchsrecht hat. Meine Alben kommen so auf den Markt, wie ich sie zu Hause einspiele.
Ihre Musik, sagen Sie oft, entsteht intuitiv und durch das Probieren vieler Instrumente. Wie aber entstehen die Texte dazu?
Meine Ideen nehme ich eigentlich von überall: Nachrichten, Zeitung und philosophische Gedanken, die ich selber in mir trage. Ich lese täglich Zeitung, da stehen viele Dinge, die ich aufnehme. Ich schreibe jeden Tag, obwohl ich vieles verwerfe, denn so bleibe ich im Fluss.
Schreiben Sie alleine oder auch mit Ihrer Frau zusammen?
Ich schreibe immer mit Ulli zusammen. In geschmacklichen Fragen ist sie meine wichtigste Ansprechperson. Wenn ich ihr meine neue Filmmusik zeige, dann sagt sie, was ich unterbewusst meist schon spüre. Nur war ich wahrscheinlich zu faul, alles noch einmal zu machen. Wenn sie es sagt, mache ich es noch einmal. Bei anderen Menschen ist mir der Zufriedenheitsgrad zu schnell erreicht.
Würden Sie sich als Perfektionist bezeichnen?
Ja, ich lasse nichts raus, bevor ich nicht absolut zufrieden damit bin. Ein Album ist immer zuerst für mich, weil ich etwas Neues schaffen will. Dann will ich es auch richtig machen.
Die Gruppe Haindling kommt nur auf der Bühne zusammen. Ihre Band ist also im wahrsten Sinne des Wortes nicht besonders tonangebend. War das je ein Problem für Ihre Musikerkollegen?
Nein. Ich mache meine Lieder hier und wir proben dann zusammen vor einer Tournee. Manchmal gehe ich zu meinem Keyboarder und nehme etwas dort auf oder mein Bassist kommt mal vorbei und wenn ich etwas Dreistimmiges brauche, dann kommen wir auch einmal zusammen, aber ansonsten sind es meine Ideen.
Wenn Ihre Bandkollegen eigene Ideen haben, können sie die dann einbringen?
Sie spielen es mir vor und wenn es mir passt, nehmen wir es mit.
Die Haindling-Musik ist frei von Rahmen, komponieren Sie aber Filmmusik, muss sich diese an Gegebenheiten anpassen. Ist es schwer für Sie, entsprechende Vorgaben einzuhalten?
Nein, das ist recht leicht. Wenn ich ein neues Album machen möchte, stehe ich vor dem Nichts und muss einen Anfang finden. Schreibe ich Filmmusik, habe ich ein Video und einen Timecode darüber. Ich weiß, von da bis da brauche ich dramatische Musik, von da bis da spannende. Das allerwichtigste ist, ich brauche keinen Text. Bei der Filmmusik entstehen spannende Stücke, die ich vorher so nie gemacht hätte. Man wechselt plötzlich von dramatisch zu fröhlich. Filmmusik ist immer ein Auftrag, aber eigenständig entwickelt sich etwas Neues.
Ist eine besondere, künstlerische Stimmung notwendig, um sich in die Dramatik des Films hineinzuversetzen?
Nein, wenn ich nach einer Besprechung mit dem Regisseur alle Vorgaben habe, setze ich mir einen Starttag und dann lege ich los. Musik ist für mich wie eine Reise, denn was man sich vorstellt, wird meist ganz anders.
Suchen Sie sich die Filme aus, zu denen Sie die Musik schreiben?
Prinzipiell nehme ich jeden der kommt. Außer ich habe keine Zeit. Bei den Rosenheimcops zum Beispiel. Da wollten sie mich für die Musik, aber ich hatte einfach keine Zeit und das wäre auch zu aufwendig geworden, denn die laufen ja immer noch. Jetzt haben sie nur ein Stück von mir als Titelmelodie und jemand anderen, der den Rest schreibt. Der hat jetzt natürlich ein Problem, denn es sollte schon so klingen, wie meine Musik und das ist sehr schwierig. (lacht)
War es schwer für Sie - nachdem Sie jahrelang als Keramikkünstler gearbeitet haben - mit 38 noch einmal in ein ganz neues Berufsfeld einzusteigen?
Ich war froh, dass ich mit 38 noch meinen Beruf wechseln und Musiker werden konnte, denn das wollte ich schon immer. Ich schreibe meine Lieder aus Begeisterung, nicht aus Ehrgeiz.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Bühnenauftritt erinnern?
Da war ich alleine in Würzburg mit meinen Playbackaufnahmen. Ich habe dazu gespielt und gesungen. Erst meine Plattenfirma wollte eine Band für die Konzerte. Also habe ich eine Anzeige geschaltet und die ersten fünf, die sich gemeldet haben genommen. Ich habe sie nicht ausgewählt und nicht gecastet oder so ein Quatsch. Ich bin ein Mensch, der das Nahe liegende ergreift. Nächstes Jahr feiern wir schon 30-jähriges Bühnenjubiläum mit einer neuen Platte.
Sie haben schon auf großen Weltbühnen gespielt. Während Ihrer jetzigen Tournee besuchen Sie aber eher kleine Orte und kleinere Bühnen, unter anderem am 30. Juni die Kulturbühne in Neurandsberg. Hatte das einen bestimmten Grund?
In Neurandsberg ist es zwar eine kleine Bühne, aber ein großes Zelt. Wir spielen oft auf dem Land und ich spiel da gerne, denn dann kann die ganze Familie mitkommen und die Freude ist groß, weil Haindling bei ihnen spielt. Es ist ein anderes, entspannteres Publikum. Ich freue mich sehr auf das Konzert in Neurandsberg, denn es ist das einzige Konzert hier in der Umgebung. Ich habe mir bei diesem Programm sehr viel Mühe gegeben und jedes Lied ist mit anderen Instrumenten besetzt. Dadurch ist jedes Lied einzigartig. Das Konzert besteht aus den bekannten Hits und neun Liedern von meiner neuen CD. Natürlich improvisieren wir auch wieder viel.
Sie engagieren sich offen gegen Atomkraft und für die Umwelt. Wie sehr lassen Sie die Politik eine Rolle in Ihrer Musik spielen?
Meine Texte werden nicht politisch verstanden. Sie kommen aus meinem Inneren. Ich beschäftige mich eher mit der Umwelt und seit jeher interessiert mich die Natur. Daher handeln auch viele meiner Lieder davon. Es muss nicht jedes Lied vom Fortbestand der Menschheit handeln. Aber im höchsten Fall sind sowieso nur 20 % meiner Lieder mit einem politischen Hintergedanken.
Beschäftigen Sie sich viel mit den Fragen des Lebens?
Ich beschäftige mich mit den Missständen in unserer Gesellschaft. Meine Texte sind vielleicht weniger politischer als philosophischer Art. In dem Lied "Ein Schaf denkt nach" geht es zum Beispiel um die Lebensqualität des Menschen. Ein Schaf steht den ganzen Tag auf der Wiese und grast und der Mensch rennt von einem Ort zum nächsten und fragt sich nach dem Sinn des Lebens, doch den kann man nicht finden, wenn man die Zeit damit verschwendet darüber nachzudenken und das Leben nicht mehr genießt.
Was haben Sie in den kommenden Jahren vor?
Ich habe keine große Tournee oder so etwas geplant. Ich mag die großen Konzerte nicht so sehr wie die kleinen. Sie sind nie so locker und entspannt wie kleinere Konzerte. Mich stört auch wahnsinnig, wenn die hinteren der 5000 Besucher nichts mehr sehen. Ich will, dass die Leute ein Konzerterlebnis haben und Wärme und Freude mit nach Hause bekommen. Wir machen deshalb auch keine Pause in unserem zweieinhalb-stündigen Programm, weil man die Spannung nimmt.
Ihr letztes Album "Haindling - Instrumental International" erschien im Mai 2011. Haben Sie im Moment ein aktuelles Projekt?
Im Moment arbeite ich mich wieder neu ein, da ich im August die Filmmusik zu einem Kinofilm komponieren werde. Es geht um Bergsteiger, die eine Steilwand erklimmen. Ich habe den Rohschnitt gesehen und bin schon sehr gespannt.
Sie arbeiten sich neu ein?
Es gibt Wochen, in denen ich überhaupt nicht spiele und das tut mit auch gut. Dann freue ich mich um so mehr, wenn ich wieder ein Instrument in die Hand nehme. Ich lege gerne Pausen ein. Das tut dem Menschen gut.
Interview: Vanessa Erlmoser