Freilich
Intensivstation der Lüfte: Unterwegs mit dem Rettungshubschrauber Christoph 15
12. Februar 2014, 14:09 Uhr aktualisiert am 12. Februar 2014, 14:09 Uhr
Er ist ein heimlicher Mitpassagier, oft auf einer Plakette abgebildet und gilt als Schutzpatron der Autofahrer: der Heilige Christophorus, der das kleine Jesuskind auf seinen Schultern über einen Fluss trägt. Doch nur wenige wissen, dass Christophorus auch fliegen kann. Und zwar in Form des Rettungshubschraubers Christoph 15. Dieser Helikopter ist am St.-Elisabeth-Krankenhaus in Straubing stationiert und nach dem Heiligen benannt. Freistunde hat das Team dort besucht und einen Einsatz des fliegenden Retters nachempfunden.
Ein Piepser klingelt, eine kurze Sprachnachricht von der Rettungsleitstelle ist zu hören und dann kommt das große Laufen, denn jetzt muss es schnell gehen: So ähnlich läuft es ab, wenn in der Einsatzzentrale ein Notruf eingeht. Einen langen Weg muss die Besatzung dabei nicht zurücklegen. Nur eine Treppe runter, durch eine Tür und da steht er schon auf dem Vorplatz: Christoph 15. Innerhalb von zwei Minuten ist der Rettungshubschrauber startklar und los geht's. Im Gegensatz zu einem Flugzeug braucht ein Hubschrauber keine Anfahrtsstrecke, sondern kann einfach steil nach oben steigen. Mit an Bord darf aber nicht jeder: "Die Standardbesetzung besteht aus drei Menschen: dem Piloten, der den Hubschrauber fliegt, dem Notarzt, der den Patienten medizinisch versorgt, und dem Rettungsassistent, der die beiden anderen unterstützt", erklärt der Hubschraubernotarzt Christian Thiel. Vor dem Start checkt der Pilot noch die Wetterlage in Straubing und am Zielort. Denn leider hat auch Christoph 15 seine Grenzen. "Wir können zum Beispiel nicht starten bei Nebel, Eisregen oder nachts. Beim Flug verlassen wir uns nur auf unsere Sicht. Im Dunkeln wäre die Gefahr zu groß, dass man in Stromleitungen fliegt", sagt Pilot Gerald Semmler. Aber woher weiß er überhaupt, wohin er fliegen muss? Dafür gibt es eine Art Navigationsgerät, ähnlich wie im Auto. "Und parallel bekommen wir immer neue Infos von der Leitstelle über den Einsatzort und darüber, was passiert ist", fügt er hinzu.
Passender Ort für Landung gesucht
Ist das Ziel gefunden, kommt es auf das Geschick des Piloten an. Er muss so nah wie möglich heranfliegen und sich einen passenden Ort zum Landen suchen. "Das können leere Bauplätze sein, Waldlichtungen, Sportplätze oder Straßen", zählt der 43-Jährige auf. Sobald der Hubschrauber gelandet ist, rennt der Notarzt zum Patienten. Er untersucht und stabilisiert ihn. Dann entscheidet er in Absprache mit dem Piloten, ob der Patient mit dem Hubschrauber oder dem Rettungswagen zurücktransportiert wird. Denn ein solcher fährt immer parallel zu Christoph 15 zum Einsatzort. Christian Thiel erklärt: "Ich muss überlegen, ob der Zeitvorteil wichtiger ist oder ob ich für die Versorgung eher Platz brauche." Der ist bei Christoph 15 ziemlich beschränkt. Der Patient wird auf einer Trage fixiert und hinten durch eine schmale Luke eingeladen. Der Notarzt steigt hinzu, eventuell noch eine Begleitperson - damit ist der Hubschrauber gesteckt voll. Doch obwohl der Arbeitsraum für den Notarzt sehr eingeschränkt ist, hat der Patient dadurch keinen Nachteil. "Wir sind technisch genauso gut ausgerüstet wie ein Rettungswagen. Sozusagen eine kleine fliegende Intensivstation", beschreibt der 41-Jährige. An Bord finden sich zum Beispiel Wärmedecken, Überwachungsmonitore und ein Beatmungsgerät - alles platzsparend untergebracht. Trotz aller Fürsorge kommt es schon mal vor, dass Patienten zum Beispiel Flugangst haben, sich übergeben oder panisch werden. Für solche Fälle sind Beruhigungsmittel an Bord. "Wenn es gar nicht anders geht, muss man - wie bei einem normalen Flugzeug auch - im Notfall zwischenlanden", wirft Gerald Semmler ein. Meistens läuft der Rückflug aber relativ ruhig ab. "Kinder vergessen vor lauter Hubschrauberfliegen sogar oft ihre Schmerzen oder schlafen mit dem Rettungsteddy, den sie von uns bekommen, ein", sagt Christian Thiel schmunzelnd. Ist das Zielkrankenhaus erreicht, wird gelandet und der Patient an die bereits wartenden Ärzte von der Intensivstation übergeben. Christoph 15 und seine Mitflieger haben ihre Mission erfüllt - bis zum nächsten Notruf.
Wenn jede Minute zählt
Was sehr zeitaufwendig klingt, dauert in Wirklichkeit zwischen 15 Minuten und einer Stunde. Das ist einer der größten Vorteile von Christoph 15. Es gibt oft Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder Unfalltrauma. Gerade da zählt Schnelligkeit. Außerdem erreicht der Hubschrauber schlecht befahrbares Gelände. "Wir hatten auch schon Einsätze oben am Arber", erinnert sich Gerald Semmler. Doch es sind nicht nur solche Aufgaben, wegen derer Christoph 15 startet. Er verlagert zum Beispiel auch Patienten von einem Krankenhaus ins andere oder hilft bei der Suche nach Vermissten. Seltener gibt es auch Fehleinsätze. Etwa wegen Scherznotrufen am 1. April. Darüber kann das Team nicht lachen. Es ist sich seiner verantwortungsvollen Aufgabe sehr bewusst. "Bei Christoph 15 mitzufliegen, ist das Ziel fast eines jeden. Es ist eine Herausforderung", findet Gerald Semmler. Schafft man es da immer, sofort abzuschalten und an den nächsten Patienten zu denken? "Meistens ja. Wir bauen da eine gewisse Schutzmauer auf", erklärt Christian Thiel.
Es seien eher die Happy Ends, die im Gedächtnis bleiben. "Einmal haben wir einen Mann transportiert, dem bei einem Arbeitsunfall der Arm abgetrennt wurde", erinnert sich Pilot Gerald Semmler. "Von der Reha hat er uns dann ein Video geschickt, in dem er die Finger wieder bewegen konnte." Solche Momente sind auch für das erfahrene Team um Christoph 15 etwas ganz Besonderes.