Agnes-Bernauer-Festspiele

Wie Akteure in der Badestuben-Szene des Festspiels noch bei 30 Grad Hitze einfrieren


Impressionen der Badestube-Szene

Impressionen der Badestube-Szene

Von Katharina Binder

Dass mindestens ein Raunen durch die 1 000 Zuschauer auf der Tribüne geht, ist den Szenen im Augsburger Badhaus garantiert. Leicht bekleidete Gäste, frivole Bademägde und eine bodenständige Badersfamilie samt Agnes' Vater und Schwester gehören zu den bei Hitze von den Pelz- und Robenträgern meistbeneideten, bei Kälte meistbemitleideten Akteuren. Aber, egal welche Temperatur der jeweiligen Aufführung beschieden ist, Einfrieren ist Programm. Während Agnes und Albrecht verliebt turteln, verharrt die Szenerie um sie herum wie auf Knopfdruck regungslos.

"Dass man frei spielen kann" schätzt nicht nur Bademagd Martina Chavez-Weiß an der Badestuben-Szene. "Das ist nach den eher steifen, starren Adelsszenen so etwas wie Freestyle", bestätigt Stefan Füchsl, der noch als Paul Aresinger, Kammermeister des Herzogs, in einer weiteren Sprechrolle auf der Bühne steht. Man könne sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen. "Da ist was los, da ist Stimmung, es macht Spaß." Aber, sagt Karl-Heinz Baumhof, der in jeder Aufführung vom Bader rasiert wird, "man muss sich auf den Einsatz konzentrieren, wann die Szene einzufrieren hat". Günstigenfalls könne man in einer halbwegs bequemen Position verharren, sonst kann das Einfrieren "gefühlt mehrere Stunden dauern". Arme und Beine werden bleischwer. Der Muskelkater ist programmiert. Karl Fuchs, mit 80 Jahren ältester Akteur und Badegast, seit es diese Szene gibt, hat einen Trick parat. Er lehnt sich an eine Säule. "So kann man's gut aushalten", sagt er und grinst. Die Sicherheit jedenfalls wachse mit jeder Aufführung, betont Bademagd Sonja Prasch. Sicherheit sei nicht mit Routine zu verwechseln, "Routine wäre tödlich". Im Gefühl der Sicherheit traue man sich mehr, aber man bleibe konzentriert genug, den Einsatz nicht zu verpassen.

"Wenn es kalt ist, kuscheln wir mehr"

Wenn es ein kühler Aufführungsabend ist, "kuscheln sich Badegäste und Bademägde einfach mehr aneinander", verrät Martina Chavez-Weiß. Den jungen Mädchen unter den Bademägden sei es anfangs nicht so leicht gefallen, ein bisschen frivol zu sein, aber mit jeder Aufführung sei die Gelassenheit gewachsen. "Und einige sind ja auch im richtigen Leben Paare", sagt Karl-Heinz Baumhof.

Während des Spiels merke man Kälte oder Hitze gar nicht so, sagt Sonja Prasch. Die Quittung kommt erst später. Viele der Akteure müssten sich im Anschluss gleich umziehen, weil sie weitere Rollen spielen. Sonja Prasch spielt noch eine Hofdame, Karl-Heinz Baumhof einen Patrizier und einen Kaufmann aus dem Volk. Fünfmal zieht er sich pro Abend um. Je eiliger das passieren muss, umso mehr kommt man ins Schwitzen. "Ziehen Sie mal schwitzend eine Strumpfhose an", sagt er. "Und erst recht, wenn sie regennass sind." Enge Ärmel von noblen Adelsgewändern werden da zur Geduldsprobe. Nass werden einige der Akteure nicht nur, wenn es regnet. Badersknecht Kaspar Bernauer schüttet einem Kontrahenten (Wolfgang Warmdt) einen ganzen Eimer Wasser ins Gesicht, dass er nur so trieft. Zum Trost für den Begossenen: "Wenn es arg kalt ist, machen wir das Wasser im Eimer mit dem Tauchsieder warm", verrät Martina Chavez-Weiß.

Badestuben-Szene früher ohne Wasser

Eigentlich komisch, bei früheren Inszenierungen ist ausgerechnet die Badestuben-Szene ohne viel Wasser ausgekommen. Die Badegäste saßen in Zubern auf dem Trockenen, während es jetzt mitten auf der Bühne einen Whirlpool à la Mittelalter gibt. "Das Zuber-Schleppen fällt jetzt auch weg", freut sich Karl Fuchs. Bei den Zuschauern komme das Wasser gut an, meint Karl-Heinz Baumhof. Wenn Kaspar Bernauer sich wütend mit dem Eimer voll Wasser wehre, gebe es immer einen Aufschrei im Publikum. "Da kann man drauf warten." Genauso, wenn Kammerdiener Kilian (Rupert Kohlhäufl) ins Badhaus hereinplatzt, große Augen macht und sich nach einem kurzen Aufschrei schnell die Hand vor den Mund hält, als Agnes und Albrecht sich gerade küssen. "Da lachen alle."

Mit Unterwäsche Marke Mittelalter würde übrigens keiner der Bühnenakteure tauschen wollen. "Ich hab das gleiche Trumm wie vor vier Jahren", flachst Karl-Heinz Baumhof. Von praktisch und bequem war die damalige Unterwäsche noch weit entfernt. Da gab es noch kein Schießer Doppelripp und auch keine Büstenhalter. Die Amerikanerin Mary Phelps-Jacob ließ sich letztere als ihre Erfindung erst 1914 patentieren. Ins Mittelalter passen allerdings auch keine Tatoos. "Die müssen natürlich mit Camouflage abgedeckt werden", sagt Sonja Prasch. Und Piercings haben beim Festspiel auch Bühnenverbot.

Die stumpfe Seite des Rasiermessers

Karl-Heinz Baumhof rasiert sich an den Aufführungstagen immer besonders sorgfältig, obwohl er regelmäßig einer Bühnenrasur unterzogen wird. "Mit stumpfer Klinge, versteht sich." Das wäre bei Bartstoppeln besonders unangenehm. Dass der Bader (Theo Herwicht) seinen Kunden bei der Rasur schneidet, ist ein Regieeinfall. Er hat dazu sein Messer mit einer Kapsel Theaterblut ausgerüstet, die im richtigen Moment geöffnet wird. Nur einmal hat sich Karl-Heinz Baumhof gewundert, da rann tatsächlich ein bisschen echtes Blut über seine Wange. Der Bader hatte da wohl die scharfe Seite des Messers erwischt. Sechs mal in dieser Festspielsaison muss sich Baumhof noch rasieren lassen.

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