Gäubodenvolksfest Straubing
Mit zwei alten Hasen auf Lampionfahrt
1. August 2022, 8:00 Uhr aktualisiert am 1. August 2022, 8:00 Uhr
„Uns gucken heute mehr Leute zu als bei Olympia“, sagt Florian. Er ist schon seit 20 Jahren dabei – „aber das beeindruckt mich immer wieder.“ Einmal im Jahr, zur Lampionfahrt, kommt er mit seinem alten Studienfreund Peter zusammen, und die beiden paddeln für eine olympische Viertelstunde unter dem Beifall tausender Schaulustiger auf der Donau.
Drei Stunden vor dem Kanonenschuss, der den Beginn der Lampionfahrt markiert, steht Peter noch etwas verloren im Bootshaus des Kanuclubs. Er ist ein bedächtiger, zerstreuter Typ um die 50, „a bissal a Vogelbeobachter“ und wohnt in Augsburg.
Unentschlossen sieht er sich nach einem geeigneten Boot um. Er wählt einen grünen Canadier, an dem ein Zettel mit der Aufschrift „Loch – gesperrt!“ klebt.
Draußen, auf dem Pflaster zwischen Damm und Bootshaus, wird es eng: Immer mehr Kanuten treffen mit ihren Booten ein. Da ist das exotische China-Boot mit seinen fernöstlichen Lampions in Rot und Gold, daneben ein Kanu mit weiß-blauem Bayern-Thema; der High-Tech-Canadier mit LED-Farbenspiel und einem über drei Meter hohen Maibaum samt Kranz und Kamera an der Spitze; ein Kanu mit fünf olympischen Schaumstoffringen und das „Straubing ist bunt“-Schiffchen: Es trägt einen Luftballonregenbogen und gibt mit dem „Peng!“ immer wieder platzender Ballons dem Treiben einen Rhythmus.
Wird schon schief gehen
Nun ist auch Florian eingetroffen, er trägt den grünen Canadier mit Bootshauswart Robert Ernst hinaus, findet am Rumpf zwar kein Loch, aber zwei sichtbar geflickte Stellen. Ernst will für nichts garantieren: „Geflickt ist er, getestet nicht.“ Peter zaudert etwas, Florian begutachtet das Flickwerk.
Es gäbe noch einen zweiten Canadier, sagt Ernst, braun, etwas besser geflickt aber auch nicht getestet. Florian, entscheidungsfreudiger als Peter, spricht ein Machtwort – sie nehmen den braunen, kleben noch schnell zwei LED-Bänder als Beleuchtung an die Seiten und lassen es drauf ankommen.
Florian verkauft in der Nähe von Regensburg Lastwagen für Mercedes, erzählt er mit rauer Stimme und gesundem Selbstbewusstsein. Er ist im Kanu-Duo mit Peter der Anschaffer und Anpacker. Außerdem weiß er ein Gespräch so zu lenken, dass man unvermittelt bei irgendeinem Bootsrennen landet, das er mal gewonnen hat – aber er hat ziemlich viele gewonnen, da ist das nicht schwer.
„Ich bin bei den Junioren für Köln und München gefahren“, sagt er, „war bayerischer Meister, westdeutscher Meister – 1995 hab’ ich meine Karriere dann beendet.“ Jetzt paddelt er zwei, drei Mal nach der Arbeit in Regensburg, Peter hält sich im Augsburger Eiskanal fit.
Gegen halb neun geht es los: donauaufwärts zum Treffpunkt mit den Ruderern. Peter und Florian pflügen mühelos gegen den Strom, Florian schaufelt sein Paddel am Bug tief in die Donau und zieht das Kanu voran. Peter paddelt hinten – jetzt, auf dem Wasser, schafft er an: Achtung Wellengang, Flori, Ziehschlag, Vorsicht Steine, m-hm, Flori, genau.
Eisvogel-Karussell und Schwarzenegger-Probleme
Es wird langsam dunkel über der Donau und die Ruderer kommen in Sicht. Vier in Alufolie gehüllte Ruderinnen mit Silberfransen am Boot, der als Kreuzfahrtschiff verkleidete Riemenvierer des Ruderclubs, das Kanu mit Maibaum blinkt schon in Diskobeleuchtung und erntet viel Bewunderung.
Es ist noch Zeit bis zum Start, Peter und Flori wollen weiterpaddeln. Während es flussaufwärts geht, liefert Peter von hinten eine Art Dauerkommentar aus dem Off zu Gänsen, Raben und Rehen rundherum: „Da oben in der Bucht is oiwei a Eisvogel drin, der nistet da in der Wand – durch das Loch kann nur je ein Junges den Schnabel raushalten, beim Füttern rutscht immer einer nach.“ Eisvogel-Karussell heißt das, erklärt er.
Flori erzählt lässig von weiteren seiner Siege: An diesem Abschnitt der Donau habe er den Kanu-Halbmarathon gewonnen, dreimal sogar. „1984, ‘86 und ‘91. Da wäre ich fast Ehrenbürger von Straubing geworden“, sagt er – „Schwierig als Regensburger“, bemerkt Peter trocken.
„Mir geht’s wie Arnie Schwarzenegger“, sagt Flori, „der darf als Österreicher auch nicht US-Präsident werden.“
Viel zu schnell ist die Wende vorbei. Peter und Flori legen am Kanu-Club an, als die Fackelschwimmer aufbrechen. Hastig werden alle Boote verstaut, sich umgezogen und geduscht, von der Gstütt-Insel schallt Johannes Ringlstetters „Niederbayern“ herüber – bis ein Donnerschlag aus der Kanone den Beginn des Feuerwerks ankündigt.
Nach der beeindruckenden Lichtshow trinken Flori und Peter noch eine Freibier-Halbe zusammen, Kanuclub-Chef Hubert Hilmer zapft.
Peter erzählt von seinen Wanderungen entlang der Ilz, Flori merkt an, dass er darauf schon ein Rennen gefahren ist. Peter unterbricht: „Um es kurz zu machen: Er hat’s gewonnen.“
Dieser Artikel erschien erstmals am 20. August 2016 im Straubinger Tagblatt.