Rückblick auf 1860

Wie Clemens Attenkofer das "Straubinger Tagblatt" gründete

Elf Jahre nach dem ersten Erscheinen der "Landshuter Zeitung" geht der Sohn des LZ-Gründers nach Straubing, um dort eine Buchhandlung zu erwerben. Dann folgt die Gründung der Tageszeitung in Straubing.


Der Titel des ersten "Straubinger Tagblatts" vom 1. Oktober

Der Titel des ersten "Straubinger Tagblatts" vom 1. Oktober

Von Redaktion Straubing Stadt

Am 2. Juli 1860 erschien der junge Landshuter Buchhändler Clemens Attenkofer, Sohn des früh verstorbenen Landshuter Buchdruckers Johann Nepomuk Attenkofer, auf dem Straubinger Rathaus. Er bat den Stadtmagistrat um die Erlaubnis, sich als Drucker in der Stadt ansässig machen zu dürfen. Einen Tag vorher hatte er den Betrieb von Franz Seraph Lerno erworben.

Die Straubinger Stadtväter stimmten zu, da der am 21. April 1838 in Landshut geborene Attenkofer auch dank seines wohlhabenden Stiefvaters, des Landshuter Verlegers Johann Baptist von Zabuesnig, eine ausreichende finanzielle Ausstattung und von seinen Lehrherren in Landshut, Friedrichshafen und Bozen beste Zeugnisse vorweisen konnte: "ein braver, bescheidener junger Mann, treu und fleißig", der "alles Lob verdient", auch hinsichtlich seines "moralischen Lebenswandels".

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Grabstein von Clemens Attenkofer auf dem Friedhof St. Peter in Straubing

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Geschäftsanzeige von Josephine Attenkofer im "Straubinger Tagblatt" vom 3. April 1866

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Clemens Attenkofer, um 1862 (Gemälde im Verlagsgebäude)

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Verleger Georg Huber (1839-1904, mittig oben) mit Mitarbeitern des "Straubinger Tagblatts", um 1870

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Josephine Attenkofer, um 1862 (Gemälde im Verlagsgebäude)

Schließung einer Marktlücke in Straubing

Attenkofer übernahm die Lerno'sche Druckerei nicht nur, um in gewohnter Weise Bücher und Broschüren, Todesanzeigen, Billets und Ähnliches zu drucken. Von Anfang an war wohl seine beziehungsweise Zabuesnigs Absicht, in Straubing endlich die fehlende Tageszeitung zu gründen - also eine Marktlücke zu schließen: "Auch Straubing entbehrte, wie die allgemeine Stimme darthut, seit längerer Zeit sehr ungerne eines Lokalblattes, das Heimisches und Hiesiges mitgetheilt und besprochen, das was im engern und weitern Vaterlande und draußen in der Fremde sich zuträgt, erzählt und Sonstiges für die Oeffentlichkeit und das allgemeine Interesse Wichtiges und Passendes berichtet hätte."

An anderen Orten hatten sich im Zuge der 1848er Revolution, als die liberale, nationale Bewegung vor allem Gewaltenteilung, Rechtstaatlichkeit und Pressefreiheit einforderte, dauerhaft Tageszeitungen etablieren können. In Straubing, einer Stadt mit etwa 9500 Einwohnern, waren zaghafte Zeitungsversuche zu Revolutionszeiten gescheitert. Es gab nur das "Straubinger Wochenblatt", das als amtliches Organ des Rathauses fast ausschließlich wichtige Verlautbarungen des Königs, der Ministerien, des Magistrats, dazu gelegentlich Vereins- und Werbeanzeigen enthielt.

Am Montag, den 1. Oktober 1860 erschien die erste vierseitige Ausgabe des "Straubinger Tagblatts". Attenkofer versprach darin als Devise seiner Zeitung: "… ohne sich in Partheidifferenzen einzulassen, ohne das religiöse Gefühl zu verletzen, ohne irgendwie Anstoß zu erregen, wird es treu dem Könige und Vaterlande einfach und wahrheitsliebend, kurz und gut die politischen Ereignisse berichten, Oertliches, Bayerisches und vermischte Nachrichten geben, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, die Mittelstraße zu wandeln suchen." Im Unterschied zur konservativ-klerikal ausgerichteten "Landshuter Zeitung" seines Stiefvaters gab Attenkofer seiner Zeitung einen gemäßigt liberalen Charakter.

Nicht nur für den Zeitungs-, sondern auch für den Akzidenzdruck war eine Modernisierung der Lerno'schen Druckerei nötig, die in der Fürstenstraße lag. Am 27. Oktober 1860 "empfahl" Attenkofer im "Straubinger Tagblatt" "seine nunmehr vollkommen eingerichtete Buchdruckerei zu allen in dieses Fach einschlägigen Arbeiten", für "größere Druckwerke, als auch tabellarische Arbeiten, Rechnungen, Wechsel- und Anweisungs-Formulare, Circulaire, Frachtbriefe, Visiten-, Empfehlungs-, Speise- & Weinkarten etc.". Zu den festen Aufträgen der Lerno'schen Druckerei gehörte unter anderem die Herstellung des "Straubinger Wochenblattes" und die Herausgabe des "Straubinger Kalenders". Der junge Unternehmer war auf Expansion bedacht, suchte zudem eine geeignete Wohnung. So erwarb er am 28. März 1861 das Anwesen Flurlgasse 12, das er zum Verlags-, Druckerei- und Wohngebäude umgestaltete. Trotz der Heirat mit der wohlhabenden Landauer Bierbrauerstochter Josephine Rohrmayr im Juli 1862 plagten Attenkofer finanzielle Probleme. Immer wieder musste er seinen Stiefvater Johann Baptist von Zabuesnig und seine Mutter Ursula um Unterstützung bitten.

Früher Tod von Clemens Attenkofer durch TBC

Was das Leben und Arbeiten weiter erschwerte, war die schleichende Krankheit Tuberkulose, an der Clemens litt. So wollte er zum Beispiel 1865 neben der bereits existierenden Verlagsbuchhandlung eine Sortimentsbuchhandlung eröffnen, was er dann aber trotz der Genehmigung durch die Behörden nicht verwirklichte. Anfang 1866 verschlimmerte sich sein Leiden, seine Mutter und Halbschwester Marie begaben sich zur Pflege nach Straubing. Am 1. März schrieb Clemens seinem Stiefvater: "Ich hatte wieder eine sehr schlechte Woche. Vorige Woche bekam ich plötzlich einen heftigen Lungenkatarrh, der mir die Tage sowie die Nächte sehr hart machte. … Fieber habe (ich) auch fortwährend. Das Essen geht gar nicht …" Auf diesen Brief notierte Zabuesnig: "Lezter Brief des guten Sohnes Clement in Straubing. Sein Krankheits Zustand nahm einen so rapiden Verlauf, dass er schon am Freitag den 16 Merz 1866 um 6 Uhr Abend im Herrn verschied." Zur "Schwindsucht" war eine Hirnhautentzündung gekommen.

Mit dem noch nicht ganz 28-jährigen Clemens war nicht nur der Verleger der ersten Straubinger Tageszeitung gestorben, sondern auch ein Mann, der sich in der Straubinger Gesellschaft rasch Anerkennung und Ansehen verschafft hatte. So gehörte er bereits 1860 zu den Mitbegründern der Freiwilligen Feuerwehr, ein Jahr später initiierte er den Turnverein (TSV) mit, war Mitglied der "Gesellschaft der Schildler". Sein "rechtlich fühlendes Herz" und sein "biedern Charakter" waren geschätzt, die Witwe Josephine schilderte ihn als im "Leben sanft und gut". Am Sonntagnachmittag, den 18. März 1866, wurde Clemens Attenkofer auf dem Friedhof St. Peter in Straubing bestattet. Auf dem bis heute erhaltenen Grabstein ließ ihn die "trauernde Gattin" als "Gründer des Straubinger Tagblatts" rühmen.

Familienunternehmen bis in die heutige Zeit

Der 24-jährigen Witwe gelang es, den Druckereibetrieb und die Zeitung weiter zu führen. Unterstützt wurde sie vom Priester Georg Aichinger, der seit 1868 die Redaktion fast 30 Jahre lang leitete und dem "Straubinger Tagblatt" eine an der damaligen Zentrumspartei orientierte, konservativ-katholische Ausrichtung gab. Sie kam ihrem Informationsanspruch auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene so gut nach, dass sie sich als einzige Straubinger Tagespresse behaupten konnte - im Unterschied zu anderen Tageszeitungen, die in den folgenden Jahrzehnten in Straubing erschienen und wieder verschwanden.

1870 fand Josephine Attenkofer in dem Buchhändler Georg Huber aus Neuburg an der Donau einen neuen Ehe- und engagierten Zeitungsmann, mit dem sie - nach der kinderlosen Ehe mit Clemens - auch Nachwuchs bekam. Die Nachkommen von Josephine und Georg Huber führen nun mit Dr. Martin Balle schon in fünfter Generation das Verlagsgeschäft weiter. Derjenige, der den Grundstein zu diesem modernen Medienunternehmen legte, lebt immer noch fort im Firmennamen "Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei. Verlagsbuchhandlung KG" - und seit 2015 auch in einem Straubinger Straßennamen.

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Literaturhinweis: Heinrich Egner, Clemens Attenkofer (1838 bis 1866) und die Anfänge des "Straubinger Tagblatts", in: Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt. Eine Chronik, Straubing 2010, S. 49 - 81


Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Beilage "175 Jahre Mediengruppe Attenkofer".