Lesung in Straubing

Der Apfelbaum der Geschichte ist bunt

Der Schauspieler Christian Berkel schildert seine bewegende Familiengeschichte - Am 22. März liest er in Straubing


Christian Berkel ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Nun hat er mit  Der Apfelbaum  seine Familiengeschichte literarisch verarbeitet.  Foto: Gerald von Foris

Christian Berkel ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Nun hat er mit Der Apfelbaum seine Familiengeschichte literarisch verarbeitet. Foto: Gerald von Foris

Straubing. Christan Berkel, geboren 1957 in Berlin, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war in zahlreichen internationalen Produktionen beteiligt, unter anderem Der Untergang und Operation Walküre und wurde mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Seit 2006 ist er in der ZDF-Serie Der Kriminalist zu sehen. Er lebt mit seiner Frau, der Schauspielerin Andrea Sawatzki, und den beiden Söhnen in Berlin.

Im Oktober 2018 erschien sein Debütroman Der Apfelbaum . Darin schildert er die Geschichte seiner Familie über drei Generationen hinweg. Im Zentrum stehen Otto und Sala, die aus unterschiedlichen Hintergründen kommen: Er ein Sohn aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. Sie verlieben sich als Teenager 1932 in Berlin, verlieren sich durch die Wirren des Krieges aus den Augen und finden schließlich im Berlin der Nachkriegszeit wieder zusammen. Gäuboden aktuell hat sich mit dem Autor über seinen Debütroman unterhalten.

Gäuboden aktuell: Sie sind dem Publikum als Schauspieler bekannt. Was hat Sie bewogen, sich literarisch mit Ihrer Familiengeschichte zu beschäftigen?

Christian Berkel: Einen unmittelbaren Anlass dafür gab es nicht, aber ich hatte die Geschichte immer im Hinterkopf. Ich stellte mir nur die Frage, was die richtige Form dafür sein könnte. Irgendwann bin ich zum Schluss gekommen, dass ein Roman das beste wäre. Meine Familiengeschichte sollte als Basis dienen. Damit ist mein Text wohl das, was man heute als Autofiktion bezeichnet.

Für das Buch haben Sie intensiv mit Ihrer Mutter über ihr Leben gesprochen. Wie formt man aus dem biografischen Material einen literarischen Text?

Berkel: Die Trennung zwischen Biografie und Literatur ist nicht so einfach. Ich glaube, jede künstlerische Äußerung hat einen realen autobiografischen Anteil. Selbst wenn ich eine Geschichte vollständig erfinde, steckt dahinter immer noch meine biografisch beeinflusste Sicht auf die Dinge.

Wie viel vom Roman ist Fakt, wie viel Literatur?

Berkel: Zu den Personen hatte ich gewisse Anhaltspunkte - ich wusste zum Beispiel, wer wann an welchem Ort war. Aber meine Eltern haben kaum je über ihre Erlebnisse (Berkels Mutter saß im französischen Gefangenlager Gurs, Berkels Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft, Anm. d. Red.) gesprochen. Noch dazu setzte bei meiner Mutter Demenz ein, als ich begann, mich mit ihr zu unterhalten. Wie sich die Figuren gefühlt haben müssen, das ist komplett erfunden. Ich wusste auch nicht, wie es dort wirklich aussah, wo meine Eltern waren. Also habe ich umfangreich vor Ort recherchiert.

Hatten Sie Angst, zu viel vom Privatleben Ihrer Eltern preiszugeben?

Berkel: Nein. Das wäre aber sicherlich etwas anderes gewesen, wenn das Buch noch zu Lebzeiten meiner Mutter erschienen wäre. Sie ist vor acht Jahren gestorben. Keine der im Buch vorkommenden Figuren ist noch am Leben und könnte sich verletzt fühlen.

Ihr Buch ist auch ein Text über die Suche nach Identität. Ihre jüdische Mutter möchte an einer Stelle ausdrücklich eine "Halbjüdin" sein, was eine Bezeichnung aus dem Dritten Reich ist.

Berkel: Dieser Ausdruck hatte für meine Mutter vermutlich eine andere Bedeutung. Sie gewann etwas Positives daraus: Sie forderte damit eine Zugehörigkeit zu einem Land ein, zu dem sie nicht mehr gehören durfte.

Wie lange hat die Arbeit am Buch gedauert?

Berkel: Es war eine Arbeit in Etappen. Ich habe 2011 begonnen, aber die Arbeit wurde natürlich immer wieder durch meine Dreharbeiten unterbrochen. Ich habe lange gebraucht, bis ich eine Form gefunden hatte, mit der ich zufrieden war. Vielleicht habe ich meine Figuren zu gut gekannt. Ich musste die Personen erst ein Stück weit wieder vergessen, um dann literarische Charaktere daraus zu formen. Für die Niederschrift habe ich dann ein Jahr gebraucht.

Ihre Eltern lassen sich mit dem Sprichwort "Gegensätze ziehen sich an" charakterisieren. Sie waren auch mehrere Jahre getrennt. Was hat sie nach vielen Umwegen wieder zusammenfinden lassen?

Berkel: So genau kann man das nie wissen. Bei allen Unterschieden hat vermutlich der eine im anderen etwas gesehen, was ihn an sich selbst erinnerte. Eine entscheidende Gemeinsamkeit waren die Verlusterfahrungen meiner Eltern. Mein Vater hat seinen Vater nie kennengelernt, meine Mutter hat ihre Mutter früh verloren. Beide waren im Grunde genommen heimatlos. Schon meine Großeltern hatten beide Verbannung erfahren. Diese Zerrissenheit wurde wohl auch an mich weitergegeben. Meine Biografie schwankt zwischen verschiedenen Polen: Judentum und Christentum, Frankreich und Deutschland.

Sie schildern eine Geschichte über Generationen hinweg. Lassen sich daraus auch Ideen für den Umgang mit Ihren eigenen Kindern gewinnen?

Berkel: Die unausgesprochenen Dinge, die blinden Flecken, mit denen ich mich im Buch beschäftige, formen einen wohl stärker als das, was uns klar und deutlich bewusst ist. Manches davon gebe ich wohl auch unabsichtlich an meine Kinder weiter. Aber ich versuche, ihnen klar zu machen, dass Uneindeutigkeit nichts Negatives ist.

Um es mit dem Titel des Buches zu sagen: Könnte man sagen, der Apfelbaum der Geschichte ist nicht schwarz-weiß, sondern grau?

Berkel: Nicht nur grau, sondern bunt! Die Geschichte spielt in verschiedenen Farben. Das Schwarz-weiße ist eigentlich nur etwas Abstraktes, in der Natur ist nie nur schwarz und weiß vorhanden. Die absolute Eindeutigkeit im Leben gibt es nicht.

Hat Ihre Frau Andrea Sawatzki das Buch im Entstehungsprozess gelesen?

Berkel: Zu Beginn meiner Arbeit habe ich ihr gelegentlich etwas vorgelesen. Aber ganz hat sie das Buch erst gelesen, als es dann fertig war.

Wenn ein Schauspieler einen Roman schreibt, denkt man da schon an seine Verfilmung? Käme eine Rolle für Sie in Frage?

Berkel: Beim Schreiben des Romans habe ich nie daran gedacht. Aber jetzt ist der Roman fertig und es gibt bereits Überlegungen für eine Verfilmung. Meine Ansprechpartner sind der Meinung, die Rahmenhandlung, die in der Gegenwart spielt, soll ebenso im Film auftauchen. Da läge es nahe, dass ich mich dann selbst spiele.

Christian Berkel liest am Freitag, 22. März, um 20 Uhr in der Buchhandlung Rupprecht, Theresienplatz 23, aus Der Apfelbaum . Karten: 14 Euro, Tel. 09421/84140