Unfallrisiko und eine Frage der Vernunft

Epilepsie: Die tickende Zeitbombe im Straßenverkehr?


Ein Bild der Verwüstung: Am 3. April 2010 erleidet ein 23-jähriger einen epileptischen Anfall am Steuer. Bei dem Unfall kommt ein 63-jähriger Mann ums Leben. (Foto: Archiv)

Ein Bild der Verwüstung: Am 3. April 2010 erleidet ein 23-jähriger einen epileptischen Anfall am Steuer. Bei dem Unfall kommt ein 63-jähriger Mann ums Leben. (Foto: Archiv)

Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Samstag, 3. April 2010: Ein damals 23-Jähriger aus dem Landkreis Straubing-Bogen kracht mit seinem schwarzen Kombi auf der Staatsstraße von Knöbling nach Radling frontal in den Gegenverkehr. Der Grund für den Unfall wird nach einem Gutachten ermittelt: Der junge Mann hatte einen epileptischen Anfall am Steuer. Später verurteilt ein Richter den 23-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 9.000 Euro. Die Begründung: Der Angeklagte habe wegen seiner Erkrankung mit möglichen Anfällen rechnen müssen - trotz medikamentöser Behandlung.

Beileibe kein Einzelfall. Montag, 29. Juni 2015: Ein 62-jähriger Autofahrer schleudert auf der Autobahnbrücke in Eching plötzlich nach links gegen die Leitplanke. Zwei Ersthelfer ziehen den am ganzen Körper krampfenden Mann aus seinem Wrack.

Der nächste schwere Unfall am Samstag, 4. Juli 2015, auf der B11 bei Landshut: Der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagens erleidet am Steuer plötzlich einen Krampfanfall. Schlimmeres kann nur durch das beherzte Eingreifen seiner Kollegin verhindert werden.

Epilepsie im Straßenverkehr: eine tickende Zeitbombe? Den Führerschein müssen Epileptiker im Regelfall nicht abgeben. "Eine grundsätzliche Entziehung der Fahrerlaubnis auf bestimmte Zeit sieht der Gesetzgeber nicht vor", so ein Sprecher der Führerscheinstelle Straubing gegenüber idowa. Es sei denn, es liegt ein fachärztliches Gutachten vor, in dem bescheinigt wird, dass die jeweilige Person aufgrund der Erkrankung nicht mehr geeignet ist, am Straßenverkehr teilzunehmen. In diesem Fall wird der Führerschein entzogen.

Dadurch ergibt sich allerdings eine prekäre Situation, denn die Behörden sind hier auf die Mithilfe der Erkrankten angewiesen. "Wir können erst tätig werden, sobald Tatsachen über die Epilepsie bekannt werden oder wenn derjenige freiwillig Angaben dazu macht. Somit liegt es in der Verantwortung des Einzelnen", heißt es von Seiten der Führerscheinstelle. Bedeutet im Klartext: Meldet ein Epileptiker seine Erkrankung nicht freiwillig, drohen ihm in puncto Fahrerlaubnis auch keine Konsequenzen.

Zwar finden bei Epilepsiekranken regelmäßige Kontrollen durch Fachärzte statt und es gilt die ärztliche Verordnung, dass man erst nach dreimonatiger Anfallsfreiheit wieder ein Fahrzeug führen darf, trotzdem öffnet das Schlupflöcher. Denn in der Praxis ist es für die Behörden schlichtweg nicht nachzuvollziehen, ob sich jemand tatsächlich an diese Verordnung hält. "Nach einem epileptischen Anfall beraten und informieren wir Ärzte die Patienten bezüglich der Gesetzeslage und dokumentieren diese Aufklärung natürlich. Wegen der ärztlichen Schweigepflicht melden wir dem Landratsamt ein Fahrverbot zunächst nicht", so Dr. Roman Nester, Neurologe am Klinikum St. Elisabeth in Straubing. Ein automatischer Führerscheinentzug sei daher nicht so einfach.

Auch der Polizei sind hier die Hände gebunden. Verständlich, wer kann schon nach einem Unfall beurteilen, ob der Fahrer nur unter Schock steht oder gerade einen epileptischen Anfall hatte? "Wir bräuchten hierfür schon eindeutige Indizien, wie zum Beispiel die jeweiligen Medikamente im Fahrzeug oder aber die Aussage des Fahrers", bestätigt Stefan Hartl, Pressesprecher der Polizei Oberpfalz auf idowa-Nachfrage. Laut Hartl müsse man sich in solchen Fällen ohnehin auf die Vernunft der Fahrzeugführer verlassen, "dass sie ihre Medikamente regelmäßig nehmen und das Anfallsrisiko somit minimiert werden kann". Man könne Menschen, die einen solchen Anfall hatten, nicht pauschal einfach den Führerschein nehmen.

"Wenn es konkrete Hinweise gibt, dass sich der Betroffene nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält und somit eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt, haben wir die Möglichkeit, uns über die ärztliche Schweigepflicht hinwegzusetzen", klärt Dr. Nester auf. Er räumt aber auch ein: "Zunächst verlangt der Gesetzgeber von jedem Verkehrsteilnehmer die Verantwortung, zu entscheiden, ob er am Straßenverkehr teilnehmen kann oder nicht." Eine Frage der Vernunft also, die im Straßenverkehr über Leben und Tod entscheiden kann.

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)

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Die B11 bei Landshut. Hier erlitt der 37-jährige Fahrer eines Rettungswagen einen Krampfanfall am Steuer. Schlimmeres konnte hier nur durch das beherzte Eingreifen seiner Beifahrerin verhindert werden. (Foto: FD)