Landgericht Regensburg

Freispruch im Neutraublinger Vergewaltigungsprozess

In dubio pro reo: Das Landgericht Regensburg konnte das Geschehen in der Neutraublinger Wohnung wegen Widersprüchen in den Zeugenaussagen nicht nachvollziehen.


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Der Angeklagte muss für die erlittene U-Haft entschädigt werden, urteilte das Landgericht am Freitag.

War es ein Seitensprung im Alkoholrausch, so wie der 39-jährige Angeklagte von Anfang an beteuert hatte? Die Neutraublingerin und ihr Lebensgefährte, die im Juli 2023 eine Vergewaltigung erlebt haben wollen, konnten Landrichter Alexander Guth jedenfalls nicht überzeugen: Zu viele unauflösbare Widersprüche hatten sich in ihren Aussagen gehäuft.

Im Zweifel für den Angeklagten: Das Landgericht sah keine eindeutigen Beweise dafür, dass der 39-jährige Angeklagte die Lebensgefährtin seines neuen Saufkumpanen tatsächlich kurz nach Mitternacht auf dem Weg zwischen Toilette und Wohnzimmercouch in ihrem Schlafzimmer überfallen und vergewaltigt haben soll. Viel Wodka war im Spiel, bei den Männern auf jeden Fall, womöglich noch mehr aber bei der Frau, wie sich aufgrund einer Blutentnahme ergab. Die Alkoholisierung von 1,3 bis 1,65 Promille sei “nicht ohne Widerspruch vereinbar mit den Aussagen der Zeugin”, die lediglich zwei oder drei Stamperl getrunken haben wollte. “Wahrnehmungsverzerrungen” seien da durchaus anzunehmen, erklärte der Richter.

Gewaltanwendung: Wo waren die Hände

Und so könnte man vielleicht auch den nächsten Widerspruch erklären: Mal hatte die Zeugin während der Ermittlungen ausgessagt, der Angeklagte habe ihr bei der Vergewaltigung die Hände auf dem Rücken zusammengehalten, mal habe sie die die Hände vor sich unter dem Kissen gehabt. Im Gerichtssaal damit konfrontiert, “wiederholte sie zunächst die erste Version und korrigierte sich darauf hin”, erinnerte Guth. Dabei hätte gerade hier die Erinnerung am klarsten und eindeutigsten sein müssen, “Das ist kein Randgeschehen, sonder der zentrale Moment, in dem Gewalt ausgeübt wird.” Dennoch könne es sein, dass die Zeugin sich nur falsch erinnere, “nicht, dass sie notwendigerweise die Unwahrheit sagt” – der Alkohol und seine Folgen eben.

Unerklärlich: der verdrängte Telefonmitschnitt

Nicht mit einer alkoholbedingten Ausfallerscheinung zu erklären war jedoch der nächste, mit Abstand schwerste Widerspruch: Nachdem der Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, war er mehrfach von dem Paar angerufen und per Whatsapp kontaktiert worden. Ein etwa acht minütiges Gespräch drehte sich zunächst um geschäftliche Fragen zwischen den Beiden Männern und erst danach wurde der Vorwurf der Vergewaltigung erhoben. An dieses Gespräch, das zwischen dem Notruf beid er Polizei und deren Eintreffen stattfand, wollten sich weder die Zeugin noch ihr Partner vor Gericht erinnern, obwohl sie es selbst mit ihrem Smartphone aufgenommen hatten.
Nur der Angeklagte habe hier von seiner Verhaftung bis zur Verhandlung die Wahrheit gesagt und habe sich auch bei kritischen Nachfragen in keinerlei Ungereimtheiten bringen lassen, begründete Guth schließlich den Freispruch vom Vergewaltigungsvorwurf. Es könne tatsächlich sein, dass die Zeugin ihn nach einem Streit mit ihrem Partner selbst in ihr Schlafzimmer gerufen, die Decke angehoben und ihn zum Sex eingeladen habe. Das wäre zwar “ebenso Lebensfremd, wie dass sich der Angeklagte nach der Vergewaltiung nochmal in aller Ruhe auf die Couch gesetzt hätte, bis das Opfer wieder dazu kam”, jedoch, wie gesagt: im Zweifel für den Angeklagten.
Wegen des Freispruchs sei der 39-Jährige für die U-Haft zu entschädigen udn die Staatskasse müsse seine Gerichtskosten tragen, urteilte Guth.

Lediglich Geldbuße wegen Alkohol am Steuer

Ganz straffrei ging der Angeklagte aber doch nicht aus: Weil er laut Gouachen mit immerhin 0,69 Promille Blutalkohol nach Hause gefahren war, wurde ihm wegen vorsätzlicher Trunkenheit eine Geldbuße von 1000 Euro auferlegt. Ein Fahrverbot darüber hinaus brauche es dagegen nicht, so der Richter; der Führerschein des Angeklagten war bereits vorläufig eingezogen worden und die Ordnungswidrigkeit somit längst geahndet.