Joseph Vilsmaier über "Bayern - sagenhaft"

„Ich wollte einen Film machen, bei dem man optimistisch aus dem Kino geht.“


Joseph Vilsmaier hat am Samstag seinen neuen Film "Bayern - sagenhaft" in Straubing vorgestellt. Unterstützt wurde er von Hans Jürgen Buchner, der für die Filmmusik verantwortlich zeichnet.

Joseph Vilsmaier hat am Samstag seinen neuen Film "Bayern - sagenhaft" in Straubing vorgestellt. Unterstützt wurde er von Hans Jürgen Buchner, der für die Filmmusik verantwortlich zeichnet.

Am Samstag hat der bayerische Filmemacher Joseph Vilsmaier zur Vorführung seines neuesten Werkes "Bayern - sagenhaft" Straubing besucht. Begleitet wurde er von Hans Jürgen Buchner, alias Haindling, der für die Filmmusik verantwortlich zeichnet. Als Vilsmaier nach der Vorstellung vor die Kinogäste trat und sie fragte "Hat's euch gefallen?", erntete er begeisterten Applaus. Im idowa-Interview spricht Vilsmaier darüber, was er mit seinem Film erreichen will, über seinen Werdegang und die nächsten Projekte, über die Bedeutung von Brauchtum - und einen Haifischkäfig in Südafrika.

Herr Vilsmaier, Sie haben wegen Ihres neuen Films "Bayern - sagenhaft" schon seit einiger Zeit ein sehr enges Programm. Wie geht es Ihnen damit?

Joseph Vilsmaier: Seit vier Monaten habe ich ein enges Programm. Am Anfang sagt man sich: Bis zum Filmstart, da ist noch lang hin. Und dann schlampt man a bisserl, und dann merkt man: Jetzt wird es eng, jetzt musst du aufpassen.

Beschreiben Sie doch kurz, um was es in Ihrem Film geht.

Mein Film beginnt im Weltall mit der Monika Gruber - das ist mir einfach so eingefallen, war alles spontan. Da sieht man die original nachgebaute ISS, dafür habe ich die Rechte gekauft. Es schaut aus wie damals in dem Clooney-Film. Dann kommen die Böllerschützen in Berchtesgaden, die das neue Jahr einschießen. Dann kommt das Neujahrsgebet in Metten von den Mönchen, und dann kommt das Neujahrskonzert der Bayerischen Polizei im Herkulessaal. Und dann geht's weiter - was im Januar ist, was im Februar ist: immer das, was in Bayern monatlich passiert. Es ist wie bei einem Kaleidoskop, nicht wie bei einem Kinofilm, in dem eine Geschichte da ist, die sich durchzieht. Ich habe es als einen kuriosen Reigen beschrieben, so steht es auf dem Plakat.

Sie zeigen die bayerische Landschaft in wunderschönen Panoramaaufnahmen, schweben also über der Materie, die sie betrachten. Als Journalist habe ich gelernt, dass man möglichst nahe ran gehen sollte, um Details wahrzunehmen… Sieht man aus der Ferne nicht nur das Schöne?

Die Landschaften in der Totale sind natürlich gewaltig. Aber im Vergleich zum vorhergehenden Film von vor acht Jahren, bei dem 80 Prozent von oben war, habe ich bei diesem Film nun 80 Prozent Menschen. Ich habe mich bei diesem Film also wirklich auf die Menschen konzentriert, natürlich aber mit Blick darauf, wo man nun gerade ist - ob das das Maibaumaufstellen in Anzing ist oder die Wallfahrt am Steinernen Meer. Die kannst du zum Beispiel von unten gar nicht machen. Das ist einfach nicht so schön, wenn man von nah die Leut' vorbei kommen sieht. Es ist gewaltig, wenn man vom Hubschrauber aus 8.000 Menschen wie Ameisen durch Felsen gehen sieht - soweit das Auge reicht. Das sind einfach super Eindrücke.

Es geht also um imposante Bilder….

Es sind total imposante Bilder. Die werden auch immer gelobt. (lacht)

Kann man Ihren Film als Liebeserklärung an Bayern verstehen?

Das kann man sagen. Dazu sagen möchte ich, und das steht auch in meinem Pressetext drin, dass ich auch weiß, was in Bayern nicht so gut ist. Wenn man das zeigen will, muss man aber einen anderen Film machen. Ich wollte einen Film machen, bei dem die Leute optimistisch sind, wenn sie aus dem Kino gehen. Sie sollen Freude an dem Film haben. Auf der Welt gibt es so viel Elend, das jeden Tag passiert. Und wenn ein Mensch nicht blöd ist, dann weiß er sowieso, was täglich los ist. Ich wollte einen Film, bei dem man optimistisch aus dem Kino geht - nichts anderes habe ich vorgehabt.

Auf was kann sich das Publikum aus Niederbayern und der Oberpfalz bei Ihrem Film freuen?

Ich habe vorsichtig vorgehen müssen, weil ich in dem Film vor acht Jahren schon viele Dinge drin hatte - zum Beispiel aus Niederbayern das Rottal. Das habe ich in diesem Film nicht mehr drin. Landshut mit der Landshuter Hochzeit ist drin. In der Oberpfalz ist zum Beispiel Wisent Thema. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen. Ich frage in allen Kinos, aber es kennt kein Mensch. Dieser Nepal-Himalaya-Pavillon ist beim Publikum wahnsinnig gut angekommen. Dann das Wolfaustreiben in Rinchnach, dann der Further Drachenstich. Es gibt auf jeden Fall in dem Film viele Sachen, die viele Leute in Bayern noch nicht kennen. Das zu zeigen, war auch die Absicht.

"Ich wollte, dass mir keiner drein redet."

Es geht in Ihrem Film um Traditionen, um das Sagenhafte in Bayern, um Mythen. Sind solche Inhalte wichtig, um sich eine eigene Identität zu schaffen?

Meine Identität ist ganz einfach: Ich bin in München geboren, im Rottal aufgewachsen, ich liebe meine Heimat. Heimat ist ein Gefühl. Monika Gruber würde sagen: Heimat ist die Familie.

Momentan gibt es extreme Ausprägungen der Rückbesinnung auf die eigene Region. Wie stehen Sie zu den Abgrenzungstendenzen, die in manchen Regionen Europas derzeit zu beobachten sind? Zum Beispiel die Situation in Spanien.

Sowas kann man nicht machen. Gesetzesmäßig liegen die Katalanen einfach falsch. Und bei Bayern muss man sagen: Ein eigener Staat sein - das ist einfach Blödsinn. In Bayern gibt es halt gegenüber den anderen Bundesländern - man kann schon fast sagen - mehr Kultur. Die Feste sind hunderte Jahre alt. Am Land wird das Brauchtum hochgehalten. Man sieht dieses Brauchtum zum Beispiel bei Trachtenumzügen: Die Leute, die da mitgehen, stehen dazu. Und das finde ich toll. Das sollte man ihnen auch lassen und es nicht wegnehmen - sonst nimmst du alles weg. Ich finde es ganz toll, dass es so viele Menschen gibt, die ihre Traditionen noch pflegen.

Ich habe gelesen, dass Sie den Film selber finanziert haben. Das heißt, Sie haben auch auf Filmförderung verzichtet. Wieso?

Weil ich einen Film ohne Bürokratie machen wollte. Ich wollte, dass mir keiner drein redet. Entweder untergehen, oder aufgehen. Ich habe alle Rechte, auch die Fernsehrechte, nächstes Jahr bringe ich die DVD raus. Das habe ich mir mal gewünscht - auch, dass ich ihn selber verleihe. Das war aber auch das Schwierige. Jeder Verleiher hat fünfzig Leute, wir waren zu zweit. Ich muss mit jedem Kinobesitzer der 103 Kinos reden, in denen er gestartet ist.

Mit "Herbstmilch" und "Comedian Harmonists" hatten Sie zwei große Publikumserfolge. Die Filmkritiker waren Ihren Filmen gegenüber nicht immer so positiv eingestellt. Lesen Sie überhaupt noch professionelle Filmkritik?

Eigentlich nicht mehr. Bei "Herbstmilch" standen im "Spiegel" vier Zeilen - verwässerte Liebesgeschichte. Bei "Stalingrad" war ich in Köln. Da bin ich in allen Zeitungen vernichtet worden. Sechs Jahre später lief bei der Berlinale, Eröffnungsfilm, der Stalingrad-Film. Ich fahre ins Büro und um acht Uhr in der Früh kommen Nachrichten. Ich bleibe rechts stehen und höre zu: Und es reden alle über Vilsmaiers Stalingrad-Film, wie toll der war. Da habe ich mir gesagt: Schau her, vier Jahre hat es gedauert. Das einzige, was mich ärgert, ist, wenn Unwahrheiten geschrieben werden. Zum Beispiel hat mal jemand geschrieben, dass ich von der Industrie finanziert wäre. Ich schwöre: Ich habe keinen Cent gekriegt. Ich habe von keinem einen Cent angenommen. Oder man schreibt, dass das der Film zur Bayerischen Landtagswahl wäre, und alle Industrieunternehmen müssten vorkommen. Ich arbeite das dann in den Kinosälen auf. Es kommt mir keiner aus, wenn er irgendwas schreibt, was nicht richtig ist. Den führe ich dann im Kino vor, mit Namen. Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass es viele tolle Filmkritiker gibt.

"Ich wollte Musiker werden."

Stimmt es, dass Ihre Töchter Schauspielerinnen sind…

Das ist eine dieser Unwahrheiten. Meine älteste Tochter lebt seit sechs Jahren in London und arbeitet als Sales-Managerin bei HanWay. Sie war jetzt in Südkorea und verkauft Filme für Ihren Arbeitgeber. Die haben 18 Oscar-Filme, also ganz groß. Die mittlere Tochter ist Gynäkologin, die jüngste hat Social Media in Berlin studiert. Sie ist gerade bei Bulgari.

Wollten Ihre Töchter alle nicht selber Filme machen?

Die Mittlere hatte als Mädchen die Hauptrolle im "Fliegenden Klassenzimmer". Die Josi war bei "Bergkristall" die Hauptdarstellerin. Die wollte gerne. Dann habe ich ihr gesagt: ‚Pass auf, wenn du zu den 90 Prozent HartzIV-Empfängern in der Branche gehören willst, dann machst du es.' Ich weiß ja genau, wie es bei den Schauspielern ist, denn ich kriege ja die Anfragen. Es tut mir wahnsinnig in der Seele weh, dass die so kämpfen müssen. Es gibt vielleicht zwanzig, die Kohle verdienen, und die anderen halt nicht.

Haben Sie selbst jemals Ihren Weg bereut?

Bei mir war das anders. Ich habe 300.000 Schulden bei "Herbstmilch" aufgenommen. Das war mein erster Film. Ich habe mir gesagt: Wenn es nicht funktioniert, dann werde ich die Schulden über 10 Jahre wieder abzahlen, und zwar mit meiner Arbeit als Kameramann. Ich habe mir genau ausgerechnet, dass das so hingekommen wäre. Dann war es aber der erfolgreichste Film 1989. Dann habe ich weiter gemacht. Der eigentlich erfolgreichste Film ist "Stalingrad" - nicht in Deutschland, aber im Ausland.

Warum haben Sie sich überhaupt dazu entschlossen, diesen Weg zu gehen? Sie hätten doch einfach Kameramann bleiben können.

Es hat mich einfach gereizt, als mir das Buch von der Wimschneider untergekommen ist. Da habe ich gesagt: Das ist meine Gegend, da bin ich aufgewachsen, ich weiß, wie die Leute ticken. Also mache ich das. Zu mir hat mal jemand im Kino gesagt: ‚Sie haben ja keinen Moslem in Ihrem Film.' Darauf habe ich gesagt, dass Bayern ein christlich geprägtes Land ist, mit jüdischen Einflüssen. Mit Juden, die 1945 die Flucht überstanden hatten, bin ich aufgewachsen, weil wir in einer gemeinsamen Wohnung waren. Ich kann heute alles sagen, und darf auch mit der Frau Knobloch schimpfen. Das trauen sich andere gar nicht. Was man nun im Film noch hat, ist der Buddhismus durch den Nepal-Park. Das ist ein sehr friedlicher Glaube, so wie wenn man schwebt. Aber am besten daran gefällt mir, dass es so gut riecht. Zu dem Moslem-Frager habe ich dann noch gesagt: ‚Wissen Sie, ich kenne die Moslems zwar ein bisschen. Aber ich würde mich nie trauen, sie darzustellen.'

Sie sind Jahrgang 1939. Das heißt, Sie haben die Kriegs- und Nachkriegszeit erlebt…

Ich war fünf Jahre alt, da hat uns kleine Buben ein englischer Tiefflieger gejagt. Ich kenne Krieg ganz genau. Ich war im Hochbunker, mit meiner Tante. Da waren die Türen wegen dem Luftdruck zugesperrt. Wenn man zu spät gekommen ist, dann ist man draußen gestanden. Das habe ich in "Rama Dama" verarbeitet. Dreißig, vierzig Kinder in Korbkinderwägen, die nicht mehr reingekommen sind. Und überall hat es gekracht und gebrannt. Ich kann mich ganz genau erinnern.

Wie sind Sie damals in die Filmbranche gekommen?

Ich wollte Musiker werden. Das hätte auch funktioniert. Aber ich wollte nicht ein halbes Jahr nach Stockholm in ein Hotel mit der Band. Es war schon klar, dass ich eventuell zur Bavaria kommen könnte. Da haben Sie einen neuen Pianisten gesucht. Die anderen sind alle Berufsmusiker geworden. Ich war dann am Anfang der Depp, der Kaffeeholer. Das hat mir aber auch nichts ausgemacht. Ich habe die "hohen" Kameramänner gesehen und für sie Aufgaben erledigt - damals war ein Kameramann noch viel mehr als ein Regisseur. Ich habe dann gemerkt: Irgendwie geht da was. Und die merkten wohl, dass ich nicht maule.

"Ich kann nicht mehr soweit in die Zukunft denken."

Wenn Sie zurückblicken: Wie waren für Sie all die Jahre im Filmgeschäft und wie ist die Zeit heute im Vergleich dazu?

Ich habe im Filmgeschäft die schönste Zeit erlebt. Die kommt nicht mehr, und das sage ich ohne Nostalgie. Heute haben alle kein Geld mehr, man hat nicht mehr solche Partner wie früher. So Filme wie "Stalingrad" oder "Comedian Harmonists" haben zwischen 13 und 14 Millionen Mark gekostet. Man hat die Bavaria gehabt, Arri und Kirch. Das gibt es alles so nicht mehr. Bei der Förderung sind zwanzig Filme in jeder Sitzung, was soll man da jedem geben? Da kriegt einer zwanzigtausend, einer vielleicht dreihunderttausend Euro. Was soll man damit anfangen?

Die allermeisten Ihrer Altersgenossen sind schon im Ruhestand, Sie scheinen darauf keine Lust zu haben. Auf was dürfen sich die Zuschauer als Nächstes freuen?

Als Nächstes mache ich Herbert Rosendorfer: "Briefe in die Chinesische Vergangenheit". Ein großer Film. Wir hoffen, dass wir im kommenden Jahr das Geld zusammenbringen. Wir fahren im Dezember nach China, weil es eine chinesisch bayerische Koproduktion wird. Dann habe ich noch einen Film mit der Monika, geplant ist der für 2019. Sagen muss ich aber auch, dass ich nicht mehr so weit in die Zukunft denken kann. Man sagt, wenn man eine Krankheit hat: Du hast ungefähr noch ein Jahr. So ungefähr läuft das auch bei mir ab. Man weiß nie, was passiert.

Überlegen Sie, was mit Ihnen passiert, wenn Sie krank werden? Haben Sie Angst davor?

Ich würde nie in ein Altersheim gehen. Ich war letztes Jahr in Kapstadt und bin zu der Insel gefahren, wo sie Käfige mit Haifischen haben. Ich war in einem solchen Käfig. Im Fall der Fälle brauche ich nur wieder runter fahren und in dem Käfig das Türl aufmachen - dann hast du keine Friedhofsgebühren und musst keinen Grabstein und das ganze Zeug zahlen. (lacht) Das ist jetzt natürlich nur Spaß. Man darf einfach nicht immer so ernst sein. Wenn man den Fernseher einschaltet oder Zeitungen liest, dann sieht man nur Unheil. Den ganzen Tag ist man mit irgendwelchen schlimmen Sachen konfrontiert. Deshalb habe ich auch den Film gemacht. Kein sozialkritischer Film. Aus dem Kino gehen, und Freude daran haben - das ist das Ziel.

Sehen Sie sich den Trailer zu "Bayern - sagenhaft" an.

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Joseph Vilsmaier hat am Samstag seinen neuen Film "Bayern - sagenhaft" in Straubing vorgestellt. Unterstützt wurde er von Hans Jürgen Buchner, der für die Filmmusik verantwortlich zeichnet.

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