Regensburg
Nach Räumungs-Androhung: Flüchtlinge verlassen Bistum freiwillig
8. August 2016, 17:47 Uhr aktualisiert am 8. August 2016, 17:47 Uhr
Die Protestaktion im Pfarrheim St. Emmeram in Regensburg ist vorbei: Die verbliebenen Flüchtlinge haben das Gebäude am Montagnachmittag verlassen.
Fünf Wochen nach der Besetzung des Regensburger Doms durch 45 Flüchtlinge aus den Balkanländern beschlossen Kirche und Polizei am Montag, 8. August, die restlichen 16 Personen aus der Gruppe - mehrere Roma-Familien mit Kindern - mit einem größeren Polizeiaufgebot zur Räumung des Pfarrheims St. Emmeram zu veranlassen. Der Polizeieinsatz endete kurz nach 18 Uhr, Zwang musste nicht angewendet werden. Nachdem die sanitäre Versorgung im Dom schwierig geworden war, hatten sich die Flüchtlinge sehr bald bereiterklärt, in das von der katholischen Kirche angebotene Pfarrheim umzuziehen. Einige waren dann der Aufforderung gefolgt, sich in ihre Sammellager in Manching und Ingolstadt zurückbringen zu lassen. Die anderen harrten selbst dann noch aus, als gegen sie Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt wurde. Ihr Status war seit Beginn der Protestaktion nicht das klassische "Kirchenasyl", sondern sie wurden aus "humanitären Gründen geduldet", wie Generalvikar Michael Fuchs erklärte.
Die Flüchtlinge wollen mit ihrer hartnäckigen Präsenz in Dom und Pfarrheim für sich ein Bleiberecht erzielen, sie wollten gegen die Einstufung ihrer Heimatländer als "sichere Herkunftsländer" protestieren und sie wollten auf die katastrophalen Lebensbedingungen von Sinti und Roma in den Balkanländern hinweisen. Die Kirche hatte die Gruppe "aus Nächstenliebe" wie es hieß, zunächst in ihren Räumen "geduldet", sie via Malteser mit Essen versorgt, Toilettenanlagen installiert und medizinische Hilfe für die Kranken unter den Gästen bereitgehalten. Vor der Liegenschaft schlugen Unterstützer aus der linken Szene ein provisorisches Zelt auf und beobachteten in Wechselschichten das Geschehen.
Für Art Demo-Tourismus instrumentalisiert?
Als aus dem Kreis der Besetzer bekanntwurde, dass unter der Regie mehrer Personen die auch jetzt in Regensburg "Pressearbeit" machten, ähnliche Aktionen in anderen Großstädten durchgeführt worden waren, mehrte sich bei vielen Regensburgern der Verdacht, dass hier leidende Menschen aus etlichen Städten in Deutschland zusammengeführt worden seien, um für eine Art Demo-Tourismus instrumentalisiert zu werden. Die von anfänglichem Mitgefühl geprägte Stimmung kippte dann, als Forderungen seitens mehrerer Flüchtlinge mit Drohungen unterfüttert wurden, sich und die eigenen Kinder zu verbrennen.
Nach Duldungsphase erfolgte Strafanzeige
Der Generalvikar wies in einer Folge immer schärfer formulierter Mitteilungen darauf hin, dass die Phase der Duldung am Freitag durch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs beendet würde, und die verbleibenden Protestierer sodann ihre Position durch Straffälligwerden empfindlich verschlechterten. Am Samstag ließ das Bistum die Essenversorgung einstellen, und die zuvor schon eigens engagierten Sicherheitsleute wurden angewiesen, Lebensmittellieferungen in das Anwesen zu unterbinden. Wer vor der Kirchenliegenschaft abgestellte Behältnisse holen wollte, durfte zwar das Grundstück verlassen, aber nicht mehr zurückkehren.
"Dieses Vorgehen der Bistumsleitung ist empörend und stößt auf völliges Unverständnis", kritisierte Gotthold Streitberger, Mitglied Bürgerinitiative Asyl des Sprecherrats des Bayerischen Flüchtlingsrats.
Scharfe Proteste der bayerischen Unterstützer Plakate mit Aufschriften wie "Deutschland ist tödlich" und "Barmherzigkeit=Abschiebung" wurden vor der Gasse aufgespannt, während der Polizeieinsatz lief. Als gegen 17.30 Uhr mehrere weiße VW-Busse der Regierung in die abgesperrte Gasse gelassen wurden, zeichnete sich der Erfolg des Auftritts etlicher Dutzend Polizeibeamter ab: Die Regensburger Einsatzkräfte, verstärkt durch die Bereitschaftspolizei Nürnberg, mussten keinen unmittelbaren Zwang anwenden. Die zuletzt 16 Personen verließen auf polizeiliche Aufforderung hin das Pfarrheim und wurden zu den Behörden gebracht, die das Weitere klären. "Damit steht das Pfarrheim für die pfarrliche Nutzung wieder zur Verfügung, die notwendigen Wiederherstellungsarbeiten können beginnen", so ein Bistumssprecher. Die Verantwortlichen des Bistums zeigten sich erleichtert über den Ausgang, es bleibe "jedoch eine gewisse Nachdenklichkeit", so Generalvikar Michael Fuchs. "Uns war von Anfang an wichtig, dass Menschen, die in Not zu uns kommen und um Hilfe bitten, nicht im Stich gelassen werden. Das wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten so beihalten, auch wenn die letzten Wochen uns dabei deutlich Grenzen vor Augen geführt haben", so Fuchs.
Auch Bayerns Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer (CSU) beobachtete die Situation in seiner Heimat-Diözese seit Wochen mit Sorge. "Es kann keine Lösung sein, dass Asylbewerber ein Aufenthaltsrecht erzwingen", sagt er. "Das hätte zahlreiche Protestaktionen in Kirchen zur Folge." Behörden dürften sich nicht erpressen lassen - bei allem Verständnis für die schwierige Situation der Roma. Mit dem Versuch, Kinder zu instrumentalisieren, hätten sie jedoch Sympathien verspielt - auch unter den Helfern.
Generalvikar Fuchs ist es indes ein Anliegen, klarzustellen, dass das umfassende Engagement vieler Frauen und Männer in den unterschiedlichen Bereichen der Diözese zum Wohl von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten ungeschmälert bleiben wird. Fuchs: "Dies gilt auch für den Ausnahmefall, in Extremfällen für eine bestimmte Zeit bei einem Pfarrer um Kirchenasyl zu bitten."
Auch die Sorge, die Diözese werde zukünftig mehr Kirchen aus Angst vor Wiederholungsfällen zusperren, sei unbegründet. "Unsere Kirchen bleiben offen für alle Menschen, die beten wollen, die Stille suchen oder unsere Kirchen bewundern", erklärt der Generalvikar.