Straubinger Tiergarten
Tierrechtler drohen mit Anzeige wegen Schimpansen Lutz
3. November 2020, 17:30 Uhr aktualisiert am 3. November 2020, 18:56 Uhr
Zahlreiche Tierrechtsorganisationen gehen derzeit mit der Geschichte des Straubinger Schimpansen Lutz an die Öffentlichkeit - verbunden mit harscher Kritik gegenüber dem Tiergarten. Jüngst ist die "Aktionsgruppe Tierrechte Bayern" damit hervorgetreten. Was sind die Ziele der Organisation?
Bereits seit längerem ist nach Aussage der Verantwortlichen klar, dass der Schimpanse Lutz den Tiergarten Straubing verlassen muss. Wie Tiergartendirektor Wolfgang Peter gegenüber idowa bestätigt, steht der Affe seit 2018 beim Europäischen Erhaltungszucht-Programm (EEP) auf der Warteliste für eine Verlegung. Zu diesem Zeitpunkt war bei seinem Gefährten Alfons eine unheilbare Krankheit entdeckt worden. Es war klar, dass Alfons nicht mehr lange leben würde.
Vor fünf Monaten wurde Alfons eingeschläfert. Zurück blieb Lutz, als letzter Schimpanse von Straubing. Eine schwierige Situation, sagt Tiergartendirektor Wolfgang Peter. Denn als von Natur aus gesellige Tiere dürfen Menschenaffen eigentlich nicht alleine gehalten werden: "Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit ihm. Unsere Pfleger kommunizieren und spielen viel mit ihm." Einen Artgenossen ersetzen könne das freilich nicht.
Schreiben ging nicht an den Tiergarten
An Lutz Situation haben zwischenzeitlich zahlreiche Tierrechtsorganisationen Anstoß genommen. Sie werfen dem Straubinger Tiergarten die nicht artgerechte Einzelhaltung vor - den Zustand also, den Zoo und Direktor selbst nach eigener Aussage lieber heute als morgen beenden würden. Jüngst hat sich die "Aktionsgruppe Tierrechte Bayern" in einer Anfrage an die Stadt gewandt. Indirekt fordert die Organisation die Stadt zum Handeln auf, mit Formulierungen wie "Ist Ihnen die tierschutzwidrige Haltung bekannt und was planen Sie, dagegen zu unternehmen?" Die Anfrage ging parallel an die Medien, zum Teil wurde sie dort publiziert. Den Tiergartendirektor hat die Aktionsgruppe anscheinend außen vor gelassen. Ihm liege das Schreiben bis dato nicht vor, erklärte Wolfgang Peter auf Nachfrage. Auch persönlich habe sich beim ihm niemand aus den Reihen der Tierrechtsorganisation gemeldet.
Lesen Sie im zweiten Teil des Artikels, welche Konsequenzen die "Aktionsgruppe Tierrechte" angekündigt hat - und wie die Tiergartenleitung Stellung nimmt.
Aktionsgruppe droht mit Anzeige
In einer Pressemitteilung kündigt die "Aktionsgruppe Tierrechte Bayern" und ihr Mitgründer Simon Fischer rechtliche Schritte an, sollte sich die Situation im Straubinger Tiergarten nicht ändern - "gegen den Zoodirektor, aber auch gegen das Veterinäramt", wie es Fischer formuliert. Die Aktionsgruppe ziehe auch Dienstaufsichtsbeschwerden und eine Strafanzeige gegen den Abteilungsleiter des Veterinäramtes wegen Verstoß gegen die Garantenpflicht in Erwägung.
Tiergartendirektor Wolfgang Peter scheint im Gespräch mit idowa wenig beeindruckt von den Ankündigungen: "Das sind Ideologen, die machen viel Musik, aber kennen die Melodie nicht." Die Auseinandersetzung mit Tierrechtlern gehört allem anschein nach zum Alltagsgeschäft eines Tiergartendirektors: "Diese Leute machen es sich einfach zu leicht. Es ist nicht so, dass man für einen Schimpansen ein Zugticket kaufen und ihn auf die Reise in eine andere Stadt schicken kann." Gerade wegen des komplexen sozialen Beziehungsgeflechts, das Schimpansen aufbauen müssen, seien die Vorbereitungen umfangreich. "Leider können wir zurzeit noch keine Lösung für Lutz verkünden - aber wir sind dran."
Zoos, Zirkusse und Tiergärten wohl die Hauptgegner
Wie ist nun die anklagende Partei, die "Aktionsgruppe Tierrechte Bayern", einzuschätzen? Bis auf eine Facebook-Präsenz hat sie bislang wenig digitale Spuren hinterlassen, führt aber allem anschein nach immer wieder Aktionen durch. Auf YouTube haben die Videos der Organisation jeweils 20 bis 50 Aufrufe. Neben dem Münchner Circus Krone scheinen vor allem Zoos und Tiergärten im Zentrum der Kritik der Organisation zu stehen. Zahlreiche Videos auf den Social-Media-Kanälen der Organisation sollen Missstände in der Tierhaltung aufzeigen.
Grundsätzliche Zielsetzung scheint vielfach die Forderung nach einem Stopp der Tierhaltung in Zoos und Tierparks. Tiergartendirektor Wolfgang Peter hält das für weltfremd - gerade für Schimpansen gebe es kaum noch natürliche Lebensräume, die eine ernsthafte Alternative darstellen würden: "Jane Goodall [Verhaltensforscherin und Expertin für Schimpansen, Anm. d. Redaktion] hat einmal gesagt: Wenn sie heute als Schimpanse auf die Welt kommen würde, wäre sie lieber in einem gut geführten Zoo, als in freier Wildbahn. Wenn man Zoos nicht hätte, müsste man sie spätestens heute erfinden."