Interview

Wolbergs: "Ich habe keinen Plan B"


Joachim Wolbergs beim Interview. Mit großem Nachdruck bezieht der suspendierte Regensburger OB Position.

Joachim Wolbergs beim Interview. Mit großem Nachdruck bezieht der suspendierte Regensburger OB Position.

Der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (48) verantwortet sich derzeit vor dem Landgericht Regensburg wegen des Verdachts der Vorteilsnahme und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Es geht dabei unter anderem um Spendenflüsse und die Vergabemodalitäten des Areals der Nibelungenkaserne. Das Verfahren wird voraussichtlich bis Ende April dauern. Im Interview kritisiert Wolbergs die Berichterstattung über seinen Fall, äußert sich über kritische Stimmen zu seiner Person und spricht über seine Zukunftspläne.

Herr Wolbergs, wie geht es Ihnen?

Wolbergs: Es ist unterschiedlich. Natürlich gibt es Tage, da geht es mir "beschissen". Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich stehe auf, gehe zur Tür und will die Post holen. Dann liegt die Zeitung auf meinem Fußabstreifer. Ich sehe die Überschrift des Artikels, in der zum Beispiel steht, dass ich eine dritte Klage auf den Tisch kriege. Dann gehe ich zum Briefkasten und sehe schon dieses gelbe Couvert - und der Tag ist gelaufen. Weil ich dann alles nicht verstehe und mich frage: Wie reagiere ich jetzt darauf? Es gibt auch andere Tage, da geht es mir ganz gut. Es gibt Begegnungen, die mir nach wie vor Spaß machen. Vor Gericht ist es unterschiedlich.

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Gestenreiche Argumentation: Wolbergs im Interview.

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Joachim Wolbergs beim Interview. Mit großem Nachdruck bezieht der suspendierte Regensburger OB Position.

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Gestenreiche Argumentation: Wolbergs im Interview.

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Joachim Wolbergs beim Interview

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Joachim Wolbergs beim Interview

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Gestenreiche Argumentation: Wolbergs im Interview.

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Joachim Wolbergs beim Interview. Mit großem Nachdruck bezieht der suspendierte Regensburger OB Position.

Seit einiger Zeit wenden Sie sich regelmäßig mit selbstproduzierten Videos an die Öffentlichkeit. Wieso gehen Sie nicht den Weg über die klassischen Medien?

Wolbergs: Tatsächlich ist es so, dass ich mit Beginn der Ermittlungen und noch mehr nach der Haft jede Woche Auseinandersetzungen mit meinen Anwälten hatte, weil ich raus wollte mit Informationen. Und die Anwälte haben mir immer empfohlen, auf das laufende Verfahren hinzuweisen und nichts zu sagen. Und dann hatte ich irgendwann entschieden, auch aus Respekt gegenüber dem Gericht, bis zum Beginn der Verhandlung nichts zu sagen. Die Medien haben mich dafür kritisiert und haben darauf hingewiesen, dass, wenn ich nichts sage, sie nur das schreiben könnten, was von der Staatsanwaltschaft kommt. Insbesondere während der Haft sind dann medial Dinge passiert, die für mich unbegreiflich waren …

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wolbergs: Ich habe einen zweiseitigen Bericht in einem großen deutschen Nachrichtenmagazin über meine Verhaftung gelesen. Da war alles falsch. Da stand, dass ich im Stadtwesten in einer Tiefgarage des Herrn Tretzel verhaftet worden wäre. Tatsächlich bin ich im Stadtosten in der Tiefgarage des Hauses, wo ich wohne, verhaftet worden. Weiter hieß es, ich sei von einer SEK-Einheit mit Maschinengewehren im Anschlag festgenommen worden. Tatsächlich bin ich von Beamten in Zivil aus Regensburg festgenommen worden, ohne Handschellen und ohne Waffen. Da frag ich mich einfach, was da los ist. Es gab für mich dann ein Schlüsselerlebnis: Eine Frau hat mir geschrieben: "Herr Wolbergs, bis jetzt habe ich Ihnen geglaubt. Aber das, was ich da lesen muss über die vermeintlichen privaten Vorteile, lässt mich zweifeln." Ab dem Zeitpunkt wusste ich: Ich muss jetzt rausgehen, weil ich sonst noch mehr an Vertrauen verliere. Ich muss mich jetzt erklären.

Möchten Sie mit Ihren Veröffentlichungen politischen Druck ausüben? Ist das Teil Ihrer Strategie?

Wolbergs: Ich habe überhaupt keine Strategie. Mein Vertrauen in die Medien, oder vielmehr in manche Medien, ist einfach grundlegend erschüttert. Und es geht schließlich um meine Existenz. Es geht um Genauigkeit. Für mich kommt es entscheidend auf die Frage an: Wie war das genau? Ich kann in Videobotschaften am Stück meine Sichtweise schildern, ohne dass es jemand für mich interpretiert. Im Moment nutze ich die sozialen Medien, obwohl ich ihnen gegenüber total skeptisch bin - auch, weil ich seit meinem Verfahren sehe, wieviel Hass da unterwegs ist. Teilweise ist ein Kommentar übler als der nächste. Aber ich habe derzeit nur zwei Wege. Der eine ist der digitale. Der zweite Weg ist der analoge. Und der ist mir noch wichtiger. Also mit Leuten direkt ins Gespräch zu kommen.

"Ich halte das für Quatsch"

Sie haben signalisiert, dass Sie sich gerne auch mit Privatleuten treffen und auseinandersetzen möchten. Auf sozialen Netzwerken haben Sie in der Vergangenheit aber Kommentare zum Teil unbeantwortet gelassen. Wieso?

Wolbergs: Ich habe bisher ja Folgendes gemacht: Ich habe in den Videos meine Email-Adresse bekanntgegeben. Die Emails, die ich gekriegt habe, habe ich beantwortet. Ich habe auch schon eine Menge Gesprächstermine, sowohl in der Stadt, als auch im Landkreis. Was zuletzt über Facebook gekommen ist, will ich auch zügig beantworten. Aber ich schaffe es leider nicht immer so schnell.

Wenn jemand Haft hinter sich hat, mit allen Konsequenzen, auch familiärer Natur, dann würde es nicht verwundern, wenn er öffentlichkeitswirksame Auftritte meidet. Sie scheinen da anders zu sein.

Wolbergs: Ich habe zuhause gelernt, dass man sich wehren muss, wenn es ungerecht zugeht. Das haben mir meine Eltern beigebracht. Und das kann ich nur deshalb tun, weil ich erstens felsenfest davon überzeugt bin, dass ich unschuldig bin. Und weil es zweitens eine ganze Menge Leute gibt, die menschlich zu mir halten. Und das ist für mich unglaublich schön. Ich weiß natürlich, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, immer in Gefahr sind, dass sie aus einer bestimmten Schublade nicht mehr rauskommen. Mein Lebtag lang wird mein Name mit Korruptionsvorwürfen verbunden sein, zum Beispiel wenn man danach "googelt". Ich mache aber auf jeden Fall weiter, auch, weil ich es meinen Kindern schuldig bin. Sie wurden jetzt gefragt, ob sie ihrer Schülerzeitung ein Interview geben. Und da ist mir das erste Mal so richtig bewusst geworden, was sich tatsächlich abgespielt hat. Wenn da ein Fünftklässler zu deiner Tochter sagt: "Dein Papa ist aber ein schwerer Verbrecher." Das ist auch etwas, was ich der Staatsanwaltschaft nicht verzeihe: Sie hätten sich mit der Benachrichtigung der Medien auch noch zwei oder drei Stunden Zeit lassen können - um wenigstens sicherzustellen, dass meine Frau meine Kinder von der Schule holt.

Immer wieder haben sich einzelne sehr kritisch Ihnen gegenüber geäußert. Zuletzt hat etwa der pensionierte Vizepräsident des Regensburger Landgerichts, Werner Ebner, in einem Beitrag, der zunächst in verschiedenen Regensburger Medien erschienen ist, Ihre generelle Eignung für das Amt des Oberbürgermeisters angezweifelt. Was sagen Sie dazu?

Wolbergs: Ich habe die Ausführungen des ehemaligen Vizepräsidenten des Regensburger Landgerichts einigermaßen verwundert zur Kenntnis genommen. Dass ein ehemaliger hoher Repräsentant des Landgerichtes sich während eines laufenden Verfahrens, ohne jemals die Verhandlung selbst besucht oder gar mit mir gesprochen zu haben, zu meiner Person äußert, ist nach meiner Einschätzung darauf zurückzuführen, dass dieser Herr unter der eigenen Bedeutungslosigkeit im Ruhestand leidet. Gerade einem Richter hätte man mehr Fingerspitzengefühl zutrauen müssen. Deshalb sind seine Äußerungen meiner Meinung nach weniger ein Affront mir gegenüber, als vielmehr dem Landgericht und der Justiz insgesamt gegenüber. Die Reaktionen vieler Menschen haben mir gezeigt, dass er kaum jemanden damit beeindruckt und sich eher selber disqualifiziert hat.

Hört man den Menschen auf der Straße zu, dann gibt es verschiedene Meinungen zu Ihrem Fall. Eine Meinung: Sie hätten bestehende Beziehungen zwischen der Spitze der Kommune und einzelnen prominenten Persönlichkeiten quasi geerbt. Was sagen Sie dazu?

Wolbergs: Ich halte das alles für Quatsch. Als ich ins Amt gekommen bin, habe ich nie versucht, zu eruieren, was vor meiner Zeit passiert ist. Ich war gewählt, damit ich nach vorne schaue. Ich empfinde es aber auch skandalös, was mit meinem Vorgänger in den letzten Monaten gemacht worden ist. Er ist zweimal durchsucht worden. Er ist abgehört worden. Bei allen Unterschieden zwischen ihm und mir: Er hat auch 18 Jahre alles gegeben. Und nicht unerfolgreich für diese Stadt. Aber das zählt nicht. Die landläufige Meinung ist: Bauträger in Verbindung mit Politik ist immer korrupt. Es geht nur um Kohle und Vorteile. Das ist nur eines: klischeehaft. Wo wären wir heute in Regensburg, wenn nicht auch Bauträger in den letzten 20 Jahren Wohnungen gebaut hätten. Wohnungswirtschaft ist nicht so einfach, wie manche erzählen.

"Das sitzt bei mir sehr tief"

Zu möglichen Auswirkungen Ihres Falles auf die Kommunikation im öffentlichen Raum: Als Journalist hat man den Eindruck, dass man mittlerweile schwieriger an Informationen aus dem Rathaus kommt, als noch vor einigen Jahren.

Wolbergs: Ich glaube, dass die Offenheit sinkt, und auch die Entscheidungsfreudigkeit. Ich kenne städtische Dienststellen, die sichern sich mittlerweile intern mit Anwaltsgutachten ab. Das müssen Sie sich vorstellen! Alle Leute glauben auch immer, dass die Stadtverwaltung eine Firma ist, und zum Schluss mit einer Stimme redet. Das ist ganz anders. Eine Stadtverwaltung ist, wenn man so will, das Konglomerat von unterschiedlichen Interessen, teilweise sogar von unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben. Und dann ist da noch etwas: Die Politik darf keinen Fehler zugeben, Journalisten, die Verwaltung, Ermittlungsbehörden dürfen keinen Fehler zugeben. Und im öffentlichen Dienst ist das natürlich besonders ausgeprägt. Das Problem ist, wenn wir einen Fehler machen, kriegen wir in der Öffentlichkeit und von einigen Medien immer sofort eine drauf. Wenn es schneit und es ist nicht gleich alles weg, dann heißt es, dass die Stadt wieder versagt hat. Oder wenn mal bei einer Veranstaltung etwas schiefläuft. Es sichern sich immer alle ab, weil wir immer schuld sind.

In die Zukunft geblickt. Sie haben sich vorgenommen, bei der nächsten Kommunalwahl zu kandidieren. Mit einer eigenen Liste.

Wolbergs: Naja, ich bin überzeugter Sozialdemokrat. Das ist bekannt. Ich bin seit 31 Jahren in der SPD. Und für mich ist es bis heute unvorstellbar, dass die SPD eine Partei ist, die immer über Solidarität redet, und wenn es dann um die Frage der Solidarität mit einem eigenen Mitglied geht, dann machen sich die Führenden ganz schnell vom Acker. Das sitzt bei mir sehr tief. Die Menschen glauben so einer Partei auch nicht mehr, die ihre eigenen Leute nicht schützt.

Sie sind offensichtlich sehr enttäuscht von ihren Parteifreunden.

Wolbergs: Nicht von den normalen Mitgliedern. Da stehen ganz viele auf meiner Seite. Menschlich auf meiner Seite, nicht im Sinne von Schuld oder Unschuld. Das habe ich auch nicht erwartet. Ich habe auch nicht von einer Landtagsabgeordneten oder sonst jemandem erwartet, dass man sagt: "Der Wolbergs ist unschuldig." Ich habe nur erwartet, dass man sagt: "Das ist einer von uns. Und der muss dieselbe Chance haben, wie jeder andere auch." Das wäre nicht nur menschlich normal gewesen, sondern auch politisch klug. Denn die Tatsache, dass man es nicht gemacht hat, hat dazu geführt, dass die SPD heute aus zwei Lagern besteht. Auf jeden Fall gilt in Bezug auf die Kommunalwahl: Sollte ich schuldig gesprochen werden, als korrupter Politiker, dann ist es vorbei. Das habe ich immer gesagt. Stand heute bin ich aber wild entschlossen, wieder zu kandidieren. Was dabei rauskommt - ich habe keine Ahnung.

Wenn alles für Sie so ausgeht, wie Sie es sich vorstellen, und Sie wieder amtierende Spitze dieser Stadt würden: Was wären die konkreten Projekte, die Sie angehen würden?

Wolbergs: Also das Thema Wohnen ist natürlich ein Dauerbrenner. Mobilität ist es auch. Mit dem zentralen Omnibus-Bahnhof zum Beispiel: das kann alles gar nicht schnell genug gehen. Ansonsten glaube ich, werden wir uns in der Stadt in den nächsten zehn Jahren auch viel mit anderen Dingen beschäftigen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Wohlstand dieser Stadt auch wieder sinken kann. Bei allen Prognosen, was man heute über die Weltwirtschaft weiß, wird es auch in Regensburg nicht immer so bleiben, wie es heute ist. Dann muss man sich fragen: Was ist wirklich wichtig? Und dann zählt Zusammenhalt innerhalb der Stadtgesellschaft. Und das wird das zentrale Thema sein.

Alternativ zu einer Rückkehr ins Rathaus haben Sie keinen Plan?

Wolbergs: Nein. Mich juckt keine andere politische Ebene. Überhaupt nicht. Ich habe eigentlich keinen Plan B.