Von "sportlich fair" bis "Niemandsland"
Das sagen ostbayerische Clubs zum BFV-Voting
21. April 2020, 12:20 Uhr aktualisiert am 13. August 2021, 17:33 Uhr
Die Mehrheit der bayerischen Amateurvereine stimmte für eine Fortsetzung der aktuellen Saison ab September. Auch in Ostbayern. idowa hat bei Vereinsvertretern nachgefragt.
Es war ein deutliches Votum. Ein überraschend deutliches Votum. Viel wurde diskutiert in den vergangenen Tagen über den Vorschlag des Vorstandes des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV). Dieser holte sich am vergangenen Wochenende ein Meinungsbild zu seiner Idee ein, die aktuelle Saison im Amateurfußball bis einschließlich August pausieren zu lassen. Ab September soll dann, sofern es die Corona-Situation denn erlaubt, die Spielzeit zu Ende gebracht werden. Auf jeden Fall, so das Ziel, soll die Saison auf sportlichem Wege ausgespielt, sollen Auf- und Absteiger ermittelt werden.
Die Meinungen über diesen Vorschlag gingen weit auseinander, nicht selten spielte in den Gesprächen dabei auch die aktuelle Tabellenplatzierung eine Rolle. Letztlich stimmten die Vereine dem Vorschlag allerdings mit einer mehr als Zwei-Drittel-Mehrheit (68,13 Prozent) ziemlich klar zu. Auch in Ostbayern votierte die Mehrzahl der Vereine für den BFV-Vorschlag. In Niederbayern waren es - gleichauf mit Unterfranken - allerdings prozentual am wenigsten Befürworter unter den Bezirken (61,56 Prozent). In der Oberpfalz sagten 73,40 Prozent der am Voting teilnehmenden Vereine "Ja".
Vilzing stimmt für "Ja"
Ein "Ja" erhielt der BFV-Vorschlag dabei unter anderem von der DJK Vilzing, dem Tabellenführer der Bayernliga Nord, wie Manager Roland Dachauer im Gespräch mit idowa bestätigt. Für die Vilzinger, den Regionalliga-Aufstieg und damit den größten Vereinserfolg in greifbarer Nähe, kommt die aktuelle Situation besonders ungelegen. Aber darüber mache er sich derzeit keinerlei Gedanken, sagt Dachauer. "Das wäre es nicht wert. Wir müssen mit den Fakten leben und arbeiten. Die Situation ist, wie sie ist, und man muss versuchen, das Beste daraus zu machen."
Als Hauptgrund für das Voting nennt Dachauer den Gedanken der sportlichen Fairness. "Wir haben uns gewünscht, dass die Saison sportlich zu Ende gebracht wird und dass das, was bisher sportlich geleistet wurde, weitergeführt wird", sagt er. Dabei hatten die Vilzinger aber nicht nur ihre gute Situation in der Bayernliga im Sinn, wie der Manager erläutert. Denn der Verein hat in der Kreisliga und der B-Klasse weitere Teams. Gerade bei letzterem könnte es aus unterschiedlichen Gründen, etwa weil Spieler aus Altersgründen aufhören oder tschechische Spieler aufgrund der Grenzschließung nicht mehr zur Verfügung stehen, im September eng werden, genügend Akteure zur Verfügung zu haben. "All das haben wir mit bedacht", so Dachauer.
Chams Altmann: "Der fairste Weg"
Ebenfalls für eine Saisonfortsetzung spricht sich der Vilzinger Nachbar ASV Cham aus, der ebenfalls in der Bayernliga Nord spielt. "Das ist einfach der fairste Weg", findet Abteilungsleiter Matthias Altmann. Entsprechend sei die Entscheidung intern auch schnell klar gewesen. Auch wenn einige Fragen, zum Beispiel beim Thema auslaufender Verträge, noch nicht geklärt sind, hofft Altmann, mit den aktuellen Spielern und Trainern die Saison zu Ende spielen zu können. Beim ASV wäre ja im Sommer ein Trainerwechsel angestanden. Mit den Spielern wolle er sich dann zusammensetzen und die Zukunft besprechen, wenn feststeht, wie es genau weitergeht, sagt Altmann. "Das ist derzeit alles Neuland, eine solche Situation hat es noch nie gegeben und keiner kann in die Zukunft sehen."
Ein Gegner des BFV-Vorschlags war Landesligist TSV Bogen. Man habe beim Voting für "Nein" gestimmt, sagt Vereinspräsident Franz Hilmer. "Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, auf Gedeih und Verderb diese Saison fortzusetzen und keiner weiß, was genau passiert", begründet er. Für ihn wäre eine Annulierung die bessere Wahl: "Aus meiner Sicht wäre es das Sinnvollste, man würde sagen, diese Saison hat nie stattgefunden." Dann hätten die Vereine bessere Planungssicherheit und auch die Frage des Transferfensters wäre geregelt. "So befinden wir uns im Niemandsland und keiner kann planen", bemängelt Hilmer. Dass eine zum großen Teil bereits gespielte Saison keinen Wert erhalten würde, würde der Unternehmer dabei in Kauf nehmen: "In der aktuellen, weltweit schwierigen Situation, ja."
Ungeklärte Fragen
Ein weiteres Argument Hilmers, neben der ungeklärten Frage aufgrund der zum 30. Juni endenden Verträge, ist, dass die aktuelle Saison womöglich nicht schnell genug zu Ende gespielt werden kann, sodass die Saison 2020/21 komplett entfällt. "Dann stehen wir im Frühjahr 2021 vielleicht da und können womöglich wieder ein halbes Jahr nicht spielen."
Würde die Saison 2020/21 gar nicht gespielt werden, befürchtet Hilmer, würden auch die entsprechenden Einnahmen wegfallen. "Wenn die Saison jetzt abgebrochen würde, glaube ich, dass für die ausfallenden Spiele kein Sponsor sein Geld zurückverlangen würde", sagt Hilmer. Schließlich handle es sich auf diesem Niveau sehr viel um ein "Herzblutsponsoring", wie er es nennt. Wenn eine neue Saison aber gar nicht erst stattfindet, dann könne man hier auch keine Einnahmen erzielen.
Hilmer: "Wir akzeptieren das"
Dass das Ergebnis für den BFV-Vorschlag so deutlich ausgefallen ist, überraschte Hilmer. Er kritisiert hierbei allerdings auch das Vorgehen des Verbandes: "Ich finde es nicht richtig, wenn vorher Aussagen getätigt und Vereine in ihrer Meinung beeinflusst werden." Er respektiert aber auch das Votum: "Wir akzeptieren das und sind bereit, wenn es wieder los geht. Nur unsere Entscheidung als TSV Bogen wäre eben eine andere gewesen." Zumal Hilmer einräumt, dass die aktuelle Situation auch für den Verband "nicht einfach" sei.
Auch Roland Dachauer betont, dass er die Entscheider beim Verband nicht beneidet. "Ich bin froh, dass ich die Entscheidung nicht treffen muss", sagt er und lobt den Verband gleichzeitig für sein aktuelles Agieren: "Die Arbeitsweise des Verbandes in den letzten Wochen ist sehr gut, offen und transparent."
Unverständnis über Teilnahmequote
Was Hilmer - genauso wie Dachauer - verwundet, ist die Teilnahmequote an der Abstimmung. "Erschreckend" sei diese, sagt Hilmer. "So schwierig war die Abstimmung nun wirklich nicht." Auch Dachauer hatte mit einer größeren Beteiligung gerechnet: "Jetzt hatten die Vereine die Möglichkeit, sich einzubringen. Dann hätte ich schon gehofft, dass sie das auch machen. Dass rund ein Viertel nicht teilgenommen hat, ist schade."
Die aktuelle Spielpause senkt freilich auch die finanziellen Einnahmen der Vereine. Allein das ausgefallene Spiel gegen Seligenporten habe Vilzing einen Umsatz von knapp 10.000 Euro an Zuschauereinnahmen, Catering und Bewirtung im Vereinslokal gekostet, nennt Dachauer eine Summe. Bei der DJK laufen die Sponsorenverträge quartalsmäßig. Und der eine oder andere habe signalisiert, dass er einmal aussetzen möchte, erklärt der Manager des Bayernligisten. Die Hauptkosten liegen derweil beim Personal. Hier habe man inzwischen mit den Spielern das Gespräch gesucht, erklärt Dachauer: "Das Echo war dabei überwältigend positiv, das ist sehr lobenswert."
Die Spieler ziehen mit
Auch in anderen Clubs sind die Fußballer bereit, ihren Teil beizutragen und dem Verein entgegen zu kommen. "Wir haben mit der Mannschaft gesprochen und die hat das ohne Wenn und Aber akzeptiert", berichtet Bogen-Präsident Hilmer, ohne auf die genaue Regelung einzugehen. "Da sieht man den Charakter unserer Mannschaft."
In Cham habe man mit den Spielern über die aktuelle Phase "vernünftig geredet", wie Abteilungsleiter Altmann sagt. Fußball stehe derzeit nicht an erster Stelle. Entsprechend seien die Spieler auch einsichtig gewesen und seien dem Verein einen Schritt entgegengekommen. Finanziell werde es beim ASV aber ohnehin keine Probleme geben, glaubt Altmann, der mit seiner Firma selbst großer Sponsor der Chamer ist. Theoretisch und rechtlich könnte sich ein Sponsor aufgrund der ausfallenden Spiele vielleicht zurückziehen. "Aber die Sponsoren, die wir haben, kennen wir alle gut und haben ein gutes Verhältnis zu ihnen", geht Altmann davon aus, dass die Geldgeber den Chamern weiter die Treue halten.
Wie geht es nun weiter? In Vilzing will man erst noch abwarten, bis die Entscheidung vom BFV-Vorstand definitiv getroffen wurde. Dann werde man das Training, das derzeit in Eigenregie von den Spielern zu Hause ausgeführt wird, in den nächsten ein, zwei Wochen zuürckfahren und dann auch eine Trainingspause einlegen. Würde die Saison, wie aktuell geplant, ab September weitergehen, würde man wohl ab circa Mitte Juni langsam wieder loslegen, erklärt Dachauer den Fahrplan.