Gefährliches Fan-Chaos
Eiskaltes Real triumphiert über Klopp
28. Mai 2022, 23:39 Uhr aktualisiert am 29. Mai 2022, 1:19 Uhr
Erst Fan-Chaos, dann königlicher Triumph: Rekordsieger Real Madrid hat im verspäteten Champions-League-Finale von Paris den europäischen Fußball-Thron erobert.
Jürgen Klopp ging als fairer Verlierer. Nach dem Fan-Chaos und einer extrem bitteren Niederlage umarmte der Teammanager des FC Liverpool erst Carlo Ancelotti, dann spendete er jedem seiner Spieler Trost und winkte mit einer Hand auf dem Herzen in die fast schon leere Kurve. 80 Meter entfernt starteten Toni Kroos und Real Madrid ihre große Champions-League-Titelparty.
"Das muss ganz bestimmt erstmal ein paar Tage sacken. Ich habe diesen Pokal einige Male gewonnen, aber das ist für mich ein ganz besonderer Tag, weil alle meine Kinder diesmal im Stadion sind", sagte Kroos im ZDF-Interview. "Wie schön das ist, das ist für mich kaum zu beschreiben." Das Interview brach er dann genervt ab, weil ihm die Fragen nicht passten.
Courtois hält überragend
Vinicius Junior (59.) und der sagenhaft starke Torhüter Thibaut Courtois hatten Real beim 1:0 (0:0) gegen die überlegenen Reds zum insgesamt 14. Sieg im wichtigsten Europapokal geführt - Titelsammler Kroos schloss mit seiner Nummer fünf zu Cristiano Ronaldo auf.
Das Finale wird allerdings wegen gefährlicher Szenen und eines harten Polizei-Einsatzes am Einlass ein Nachspiel haben. 75.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren Richtung Stade de France geströmt - dabei gab es riesige Sicherheitsprobleme vor den Toren zur Liverpool-Kurve, daher verzögerte sich der Anpfiff mehrmals um insgesamt 37 Minuten. Fans durchbrachen nach stundenlanger Wartezeit in großer Enge Ordnerketten und kletterten über Zäune, laut AFP setzte die Polizei mehrfach Tränengas ein. Ob Menschen verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt.
Liverpool hat mehr vom Spiel
Das Spiel wurde schnell rasant. Klopp stand noch recht ruhig an der Linie, während seine Mannschaft sich um Kontrolle bemühte und entschlossener wirkte. Mohamed Salah (16.) hatte im Fallen die erste gute Chance, der bei Bayern München heiß gehandelte Sadio Mane traf nur den Innenpfosten (21.), weil Courtois erstmals grandios reagierte.
Auf der Gegenseite hielten Ibrahima Konate und Virgil van Dijk die Real-Offensive an der kurzen Leine, auch der 2014er-Weltmeister Kroos brachte anfangs keine Ruhe in den Aufbau, spielte später aber gewohnt sicher. Die Steilpässe auf Super-Torjäger Karim Benzema oder Vinicius wurden zunächst abgefangen, Liverpool verbuchte 8:0 Torschüsse.
Ping-Pong-Tor zählt nicht
Dennoch: Nach einer halben Stunde waren die Königlichen im Finale angekommen, sie zogen das Spiel besser in die Breite. Einem kuriosen Ping-Pong-Tor Benzemas verweigerte Schiedsrichter Clement Turpin (Frankreich) nach minutenlangem Videobeweis wegen einer Abseitsposition die Anerkennung (45.).
Statistisch hatten sich beide Mannschaften problemlos ihre Titelhoffnung einreden können. Real hatte seine letzten sieben Königsklassen-Finals gewonnen - allerdings auch 1981 zum letzten Mal verloren: gegen Liverpool. In Paris. Diesmal war St. Petersburg das Endspiel wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine entzogen worden, Paris sprang mit dem Stade de France ein.
Die Reds-Fans trieben ihre Mannschaft nach der Pause unverdrossen nach vorne. Madrid war diesmal von Beginn an wach und knüpfte an die gute Endphase der ersten Halbzeit an, doch Torgefahr strahlte weiter fast nur Liverpool aus, Trent Alexander-Arnold war ein steter Unruheherd. Carlo Ancelotti traktierte deshalb angestrengt mit dem Kiefer sein Kaugummi - dann aber jubelte der Real-Trainer: Vinicius Junior traf tatsächlich mit dem ersten Torschuss.
Für die Königlichen war es eine Erlösung. Alle Kollegen stürmten auf Vinicius los, auch die Ersatzspieler rannten wie von Sinnen auf den Rasen und feierten den Brasilianer. Klopp und Liverpool waren gefordert, sie gingen nach kurzer Schockphase voran - Courtois parierte aber im Privatduell weitere dreimal stark gegen Salah (64./69./82.). Real nutzte die Kontergelegenheiten nicht, wodurch Liverpool bis zuletzt im Spiel blieb.