AZ-Serie: "Verrückte Spiele"
FC Bayern: Das unangenehmste "Tor" in Helmers Karriere
23. April 2020, 8:36 Uhr aktualisiert am 23. April 2020, 17:43 Uhr
Am 23. April 1994 erzielt Bayerns Thomas Helmer gegen den 1. FC Nürnberg das berühmteste Nicht-Tor der Liga-Historie. Er klärt den Schiedsrichter nicht auf. "Ein Fehler!" Darunter leidet der 55-Jährige immer noch.
München - Die Schiedsrichter-Assistenten der Neuzeit heißen Torlinientechnologie und Videobeweis. Letzterer ist zum Teil nicht minder umstritten wie die Tatsachenentscheidungen der Pfeifenmänner seit jeher, in Zeiten der Corona-Krise wird der berühmt-berüchtigte Kölner Keller aber regelrecht vermisst, doch auch hier gilt: aktuell geschlossen. Kein Zutritt. Wiedereröffnung erst mit Beginn der Geisterspiele im Mai. Damit dann keine Phantomtore mehr fallen.
Dabei haben wir sie doch so liebgewonnen. Das von Leverkusens Stürmer Stefan Kießling 2013 bei der TSG Hoffenheim, aber vor allem das Phantomtor des Jahrhunderts: Wembley 1966, das WM-Finale von London zwischen Gastgeber England und der DFB-Elf, der Schuss von Geoff Hurst zum 3:2, Unterkante der Latte und wieder raus - der war doch nicht drin, oder doch? Wurde als Tor gegeben. Endstand 4:2, zugleich der Anfang vermutlich jahrhundertelanger Diskussionen. Der damals "amputierte" WM-Titel tut den Fußballfans hierzulande heute noch weh - klassische Phantomschmerzen.
Thomas Helmer: "Später hat es nur noch genervt"
Auch die Beteiligten des 23. April 1994 leiden allesamt noch. Diesen Donnerstag vor 26 Jahren erzielte Thomas Helmer das berühmte (Nicht-)Tor gegen den 1. FC Nürnberg. Außer "Wie geht's?" wird Helmer keine andere Frage häufiger gestellt. Er sagt: "Ich habe mich damit abgefunden." Klingt resigniert wie: Okay, die Narbe bleibt für immer. Weiter sagt der Betroffene zur AZ: "Amüsant fand ich das alles nicht damals. Weder in dem Moment, nach diesem 2:1 und auch danach nicht. Später hat es nur noch genervt."
Für alle, die nicht der Familie Helmer angehören, nochmal im Detail (ansonsten bitte diesen Absatz überspringen!): Der 32. Spieltag der Saison 1993/94, FC Bayern gegen Nürnberg im Olympiastadion, die 26. Spielminute: Nach einer Ecke bugsiert der damalige Abwehrspieler der Bayern den Ball kurios-umständlich neben das Netz. Referee Hans-Joachim Osmers gibt das Tor, das keins war, weil Linienrichter Jörg Jablonski auf Treffer entscheidet. "Ich habe Jörg dann noch mal gefragt, ob er sich bei dem Treffer sicher sei", erinnert sich Osmers kürzlich im NDR, "aber Jörg meinte nur, ich müsse mir keine Sorgen machen, der sei auf jeden Fall drin gewesen."
Helmer: Ein Fehler sich nicht zu "outen"
Helmers Erinnerungen sehen so aus: "Ich wusste damals nicht, was Sache ist. Es war turbulent. Ich dachte, der Ball muss, bevor ich ihn ins Tor-Aus gestochert habe, irgendwie drin gewesen sein, weil Nürnbergs Torhüter Andy Köpke hinter der Linie lag. Ich war irritiert - und habe auch nicht gejubelt, wie man im Video sehen kann. Meine Mitspieler aber kamen auf mich zu und jubelten." Osmers fragt Helmer nicht, was Sache ist. Und Helmer "outet" sich nicht. "Ein Fehler", so Helmer mittlerweile. Bayern siegt 2:1 (samt einem wunderschönen und total korrekten Helmer-Tor!), Nürnberg legt Protest ein, bekommt das Wiederholungsspiel - und wird 0:5 abgestraft. Ohne Helmer-Tor.
In 527 Pflichtspielen auf all seinen Stationen (unter anderem für den BVB und Arminia Bielefeld) erzielte Mister Phantomtor 59 Treffer, am meisten in Erinnerung geblieben ist das Nicht-Tor. Künstlerpech? "Kurz nachdem ich meine heutige Frau (Schauspielerin Yasmina Filali, d.Red.) kennenlernte, meinte sie genervt: ,Wenn jetzt noch einer kommt und fragt, dem...' - hat sie aber nicht."
Er lacht. Doch das Ding klebt an Helmer, heute Moderator des "Doppelpass" auf Sport1, wie sein Vorname, der gemeinsam mit seinem Nachnamen am Dienstag seinen 55. Geburtstag feierte. An dieser Stelle: Glückwunsch nachträglich! Auf die nächsten 55 Jahre... Und in 24 Jahren, wenn der Doch-Nicht-Treffer sein großes Jubiläum, den 50. Geburtstag, feiert, melde ich mich wieder. Versprochen.
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