22 Männer tanzen nach seiner Pfeife

Martin Speckner ist Bayerns jüngster Landesliga-Schiedsrichter


"Den Mut, Entscheidungen zu treffen, muss man sich erst erarbeiten", sagt Martin Speckner. (Fotos: privat)

"Den Mut, Entscheidungen zu treffen, muss man sich erst erarbeiten", sagt Martin Speckner. (Fotos: privat)

Von Kerstin Weinzierl

Buhmann für Fans und Spieler, Zielscheibe für Aggressionen - Fußballschiedsrichter haben vor allem in den unteren Spielklassen keinen leichten Stand. So wundert es nicht, dass der Deutsche Fußballbund (DFB) mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat. Die mentale Belastung gerade für einen jungen Schiedsrichter ist enorm. Einer, der dieser Belastung dennoch viele positiven Faktoren abgewinnen kann, ist der 18-jährige Martin Speckner aus Runding im Landkreis Cham. Er ist Bayerns jüngster Landesliga-Schiedsrichter. Im Gespräch mit Freistunde erinnert sich der Gymnasiast an die Anfänge seiner noch jungen Karriere und an Momente, in denen er kurz davor stand, alles hinzuwerfen. Doch er ist überzeugt: "Schiedsrichter zu sein, stärkt die Entwicklung meiner Persönlichkeit und hilft mir in Stresssituationen im Alltag."

Vor sechs Jahren, Martin ist gerade einmal zwölf Jahre alt, meldet sich der junge Bursche zum Neulingslehrgang der Schiedsrichter-Gruppe Cham an. "Ich habe damals bei der SG Schloßberg selber Fußball gespielt, aber es ist nicht mehr viel zusammengegangen", denkt Martin zurück. Ein Bekannter, selbst Landesliga-Schiedsrichter, macht ihm das Amt des Unparteiischen schmackhaft. Und so sitzt Martin kurze Zeit später, mit dem Mindestalter von zwölf Jahren (inzwischen wurde das Mindestalter auf 14 angehoben), zur Regelkunde in den Schulungsräumen. Nach etwa zehn Lehrabenden absolviert er als mittlerweile 13-Jähriger die schriftliche Prüfung und reiht sich ein in die Gruppe der rund 76 000 Schiedsrichter in Deutschland.

Übermotivierte Eltern sind eine Herausforderung

Es geht in die Praxis. Bei seinen ersten Einsätzen, überwiegend D-Jugend-Spiele, steht Martin ein Betreuer zur Seite. An seine Premiere erinnert er sich noch ganz genau: Das Spiel endet 0:19, eine klare Sache, es gibt keine Streitereien. Martins Fazit: "Easy going!" Dabei sind nicht alle Jugendspiele "easy", vor allem aufgrund übermotivierter Eltern. "Ich habe auch schon mal alle Zuschauer von der Seitenlinie verbannt. Die haben die Kinder mit ihrem Geschrei ganz verrückt gemacht."

Ist Martin bei seinem ersten Einsatz im Jugendbereich vor allem mit dem Zählen der Tore gefordert, gestaltet sich sein erster Einsatz bei einem Herrenspiel in der B-Klasse bedeutend schwieriger. "Wenn du als 13-Jähriger auf den Platz gehst, wirst du natürlich von einigen erwachsenen Männern nicht als Autoritätsperson wahrgenommen. Da kommt teilweise schon harte Kritik", erinnert sich Martin. Vier Platzverweise stellt er aus, was nicht gerade zur Beruhigung des Spiels beiträgt. Martin ist sich sicher: "Mit der Erfahrung von heute würde ich das anders pfeifen." Nach dem Spiel will Martin in der Kabine seine Karriere als Schiedsrichter an den Nagel hängen, kaum dass sie begonnen hat. Dank seines Betreuers macht er weiter - und das mit Erfolg!

Steile Karriere hinauf zur Landesliga

Mit 13 Jahren pfeift Martin in der Kreisliga, mit 14 Jahren in der Bezirksliga, mit 15 in der Bezirksoberliga (die es inzwischen nicht mehr gibt), mit 17 Jahren in der Landesliga. In der Schiedsrichter-Gruppe Cham wird er im vergangenen Jahr zum Schiedsrichter des Jahres gewählt. Mit der Auszeichnung werden sein Engagement und seine Leistungsbereitschaft honoriert. Training, Lehrveranstaltungen und die Einsätze an den Wochenenden gehören zur Selbstverständlichkeit in Martins Fußballwoche. In der Regel ist er pro Wochenende zweimal gefordert, am Samstag und am Sonntag. In der Landesliga bedeutet das aufgrund der weiten Fahrstrecken teilweise einen Elf-Stunden-Tag. "Vormittag geht's los und manchmal komme ich dann erst abends um 20 oder 21 Uhr nach Hause." Dafür gibt es in der Landesliga 34 Euro pro Spiel plus Kilometer-Geld, im Jugendbereich sind es zehn Euro, bei den Herren (B-Klasse bis Kreisliga) 20 Euro.

"Als Schiedsrichter kann ich weit mehr erreichen"

Das Taschengeld, das sich der Gymnasiast dadurch verdient, ist nur ein Aspekt, der Martin dazu bewegt, diesen Aufwand weiter zu betreiben. Er hat schnell gemerkt, dass er als Schiedsrichter weit mehr erreichen kann als als Spieler. "Als Fußballer wäre ich definitiv nicht in die Landesliga gekommen. Dazu hätte mein spielerisches Talent nicht gereicht." Außerdem bringe ihm die Schiedsrichterei für sein schulisches und auch für sein späteres berufliches Leben - Martin steht kurz vor dem Abitur - viele Vorteile: Persönlichkeitsbildung, Konfliktmanagement, Selbstbewusstsein und der Umgang mit Führungspersonen wie Trainer und Betreuer sind nur einige Schlagworte, die Martin aufzählt. Im Alltag agiere er inzwischen viel gelassener, könne Kritik besser einschätzen, in Krisensituationen bewahre er die nötige Ruhe. Und nicht zuletzt mache es einfach Spaß: "Wir sind ein super Team, ich lerne viele interessante Menschen kennen, Freundschaften entstehen."

Der Spaßfaktor kommt natürlich mit der Erfahrung und mit dem Aufstieg in höhere Ligen. Den Mut, Entscheidungen zu treffen, muss man sich erst erarbeiten. Ebenso den Mut, zu seinen Entscheidungen zu stehen, auch wenn es ein Fehler war. "Nimmst du eine Entscheidung zurück, verlierst du an Autorität und dir entgleitet das Spiel", erklärt Martin und ergänzt: "Wenn man bedenkt, dass ein Schiedsrichter pro Spiel zwischen 100 und 150 Entscheidungen trifft und ein bis zwei Prozent der Entscheidungen falsch sind, macht ein Schiedsrichter definitiv weniger Fehler als ein Spieler auf dem Platz."

"Verbale Gewalt ist schon sehr belastend"

Dass viele Jugendliche die Schiedsrichterei wieder aufgeben, kann er verstehen. Die "verbale Gewalt" vor allem von Betreuern und Fans sei gerade in den unteren Ligen sehr belastend. Das Ziel eines Miteinanders, einer harmonischen Mischung aus zwei Mannschaften und dem Schiedsrichter, sei auf diese Weise kaum zu erreichen. Er selber könne mit den Pöbeleien inzwischen sehr gut umgehen. Er habe seine Methoden entwickelt, sich durchzusetzen. Körperliche Gewalt sei ihm Gott sei Dank noch nicht entgegengeschlagen.

Und wie sieht die Zukunft des "Schiedsrichters des Jahres" aus? "Da ich noch sehr jung und schon relativ weit gekommen bin, hat mich natürlich der Ehrgeiz gepackt." Martin hat sich das Ziel gesetzt, die Regionalliga zu erreichen. "Alles weitere ist ein Traum!" Und träumen ist ja erlaubt.

Der 18-jährige Gymnasiast Martin Speckner aus Runding im Landkreis Cham ist Bayerns jüngster Landesliga-Schiedsrichter. (Foto: Weinzierl)

Der 18-jährige Gymnasiast Martin Speckner aus Runding im Landkreis Cham ist Bayerns jüngster Landesliga-Schiedsrichter. (Foto: Weinzierl)