Nach Bierofka-Abschied
Quo vadis, Löwen? Fragen und Antworten zum Chaos bei Sechzig
7. November 2019, 06:33 Uhr aktualisiert am 7. November 2019, 06:33 Uhr
Bei einem Abendessen mit Ismaik wird Bierofka als Löwen-Trainer verabschiedet. Wie reagiert der Klub auf seine Aufgabe? Wer trägt Schuld daran? Und wie geht es jetzt weiter? Die AZ hat die Antworten.
München - Zum Abschluss der Ära Daniel Bierofka gab es für den Ex-Trainer der Löwen und seine Mannschaft Burger. Im "Hans im Glück" München-Isarpost von 1860-Unterstützer Thomas Hirschberger trafen der scheidende Cheftrainer und sein Team Dienstagabend Investor Hasan Ismaik, obwohl der Hunger vielen vergangen sein dürfte. Bierofkas Aufgabe inmitten der Giesinger Intrigen - sie wirft eine Menge Fragen auf.
Eine davon wurde am Dienstag kurz nach 23 Uhr beantwortet, als der TSV 1860 endlich bestätigte: "Daniel Bierofka und 1860 beenden die Zusammenarbeit." Der Grund für die späte Bekanntgabe: Ismaik wollte den 40-Jährigen nach AZ-Informationen noch umstimmen - zu spät.
Beim Abendmahl nur noch Abschiedsworte
Wie die AZ erfuhr, blieben Ismaik in einer 20-minütigen Rede beim letzten Abendmahl nur noch Abschiedsworte, die Motivation der Spieler ("Ich glaube an euch!") und Beschwichtigungsversuche nach neuerlichen Niedergangs-Gerüchten: "Macht euch keine Gedanken über eine Insolvenz, ich werde das nicht zulassen."
In der Pressemitteilung äußerten sich schließlich alle Beteiligten offiziell wie positiv - obwohl von einem Miteinander zuletzt keine Rede sein konnte. Das Vereinsmotto "vereinen statt spalten" gerät immer mehr zur Farce.
Die AZ mit den wichtigsten Fragen und Antworten rund um die denkwürdige Demission von Sechzigs Vereinsikone.
Bierofka: Entscheidung "sowohl für mich als auch den Verein das Beste"
Was sagt Daniel Bierofka? "Die letzten 2,5 Jahre waren sehr kräfteaufreibend. Für mich gilt es jetzt erst einmal die Tanks wieder aufzufüllen. Dazu will ich viel Zeit mit meiner Familie verbringen, die zuletzt viel zu kurz kam", ließ der zweifache Vater verlauten und dankte 1860 für Vertrauen und Verständnis - seine Entscheidung sei "sowohl für mich als auch den Verein das Beste".
Scheinbar versöhnliche Worte, hätte Bierofka nicht am Samstag erklärt, von innen heraus bekämpft worden zu sein. Seine Zukunft? "Mit etwas Abstand werde ich mich dann sicher wieder dem Fußball zuwenden." Laut "Sport1" wird Bierofka nach dem Aus von Coach Damir Canadi mit dem 1.FC Nürnberg in Verbindung gebracht. Nach AZ-Informationen hat der Club Bierofka zumindest auf der Liste, dieser derzeit aber kein Interesse.
Wie reagiert das Präsidium? "Für 1860 ist dies eine sehr traurige Nachricht. Daniel ist das Gesicht des Vereins. Sein Kampfgeist, sein Siegeswille verkörpern die Werte des Vereins. Vielen Dank für den unermesslichen Einsatz", erklärte Oberlöwe Robert Reisinger. Um fünf Uhr Früh trudelte eine weitere Stellungnahme ein - inklusive Rückkehr-Angebot: "Beim TSV 1860 steht ihm auch in Zukunft immer eine Tür offen." Inwieweit diese Worte zutreffen, weiß wohl nur Reisinger selbst.
Ismaik: "Für mich geht Daniel Bierofka als Held"
Wie reagiert Investor Ismaik? Die offizielle Version: "Für mich geht Daniel Bierofka als Held. Er steht wie kein Zweiter für 1860", wird Ismaik zitiert, er bedauere, dass sein Überredungsversuch gescheitert sei.
Per Facebook schoss er zudem gegen Sechzigs Intriganten, sowohl im e.V., als auch in der KGaA: "Das Ausscheiden von Bierofka müssen die Menschen verantworten, die ihn seit dem Aufstieg in die Dritte Liga ohne Rücksicht auf Verluste hinterhältig bekämpft haben." Bierofka habe Ismaik erklärt, sich "nicht mehr willkommen" gefühlt zu haben. Und in einem Interview beim Bayerischen Rundfunk erklärte er: "Der Verein zollte der Arbeit von Bierofka keinerlei Anerkennung." Das Verhalten des Klubs sei "schlecht" gewesen.
Wer trägt Schuld am Bierofka-Beben? Der Machtkampf zwischen Kluboberen und Ismaik hat Bierofka zermürbt. Nicht nur einmal hat der Coach über andauernde Auseinandersetzungen geklagt. Sechzigs aktueller Konsolidierungskurs, an dem die Bosse ohne konkrete Auskünfte über erfolgsorientierte Zukunftspläne festhalten, sorgt für zunehmende Perspektivlosigkeit. Ismaik dagegen ließ ebenfalls Aussagen und Taten darüber vermissen, wie er 1860 nach oben führen wolle. Der Hauptgesellschafter half Bierofka zwar mit den Rückholaktionen von Timo Gebhart und Prince Owusu, doch Aufstiegspläne konnte auch Ismaik dem ambitionierten Bierofka nicht aufzeigen. Dieser hatte sich inmitten der Auseinandersetzungen mehrfach als neutral bezeichnet, dürfte daher nur äußerst ungerne vom Jordanier manches Mal als Spielball benutzt worden sein.
Wer wird Nachfolger von Löwen-Legende Bierofka?
In den letzten Monaten gesellten sich nach AZ-Informationen Differenzen mit dem Geschäftsführer-Duo Günther Gorenzel und Michael Scharold und Vertrauensverlust in Teile seines Trainerstabes dazu. Nicht nur die mutmaßlichen Gorenzel-Verpflichtungen von Dennis Erdmann und Owusu sollen zu Streitigkeiten geführt haben. Tief blicken ließ, als Bierofka während seines letzten Auftrittes auf dem Rasen Torwarttrainer Harry Huber herzlich per Handschlag begrüßte und um Co-Trainer Oliver Beer einen großen Bogen machte.
Wie geht es nun weiter? A-Lizenz-Inhaber Beer hat am Mittwoch eine gespenstische Trainingseinheit geleitet, wird am Samstag in Halle auf der Trainerbank sitzen. Fußball-Lehrer Gorenzel schloss aus, danach selbst zu übernehmen: "Das gebührt der Respekt vor Daniel." Stattdessen wird Gorenzel auf Trainersuche gehen. Unterdessen werden schon erste Ex-Löwen wie Jens Keller, Torsten Fröhling oder Wolfgang Schellenberg gehandelt. Aber wer tut es sich in dieser Gemengelage tatsächlich an, Nachfolger von Löwen-Legende Bierofka zu werden?
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