Löwen-Coach: Aufstieg ist "Träumerei"

TSV 1860: Michael Köllner und der Fluch der guten Tat


Trainer des TSV 1860: Michael Köllner.

Trainer des TSV 1860: Michael Köllner.

Von Julian Huter

Vor dem Spiel gegen Magdeburg ruft Michael Köllner, Trainer des TSV 1860 München, das Umfeld zu Demut auf - und schiebt Aufstiegsträumereien schnell beiseite. "Der Mensch ist leider viel zu gierig geworden."

München - Kein Platz für Rassismus. Nicht in Münster. Nicht bei den Löwen. Nirgends in der Dritten Liga. "Die Spieler werden ein klares Zeichen gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung setzen", erklärte Michael Köllner über eine starke gemeinsame Aktion aller Drittligisten (siehe links), nachdem Würzburgs Leroy Kwadwo beim Auswärtsspiel bei Preußen Münster - unter den Augen Köllners - rassistisch beleidigt worden war.

Was die unersättliche Gier in der heutigen Gesellschaft anbelangt, fand der Trainer des TSV 1860 ebenfalls klare Worte. "Demut ist, was der Gesellschaft momentan fehlt. Das merke ich auch ein Stück weit im Fußball", erklärte der TSV-Chefcoach vor dem Duell gegen den 1. FC Magdeburg am Sonntag (13 Uhr "Magenta Sport" und im AZ-Liveticker) im heimischen Grünwalder Stadion.

Köllner: "Die Erwartungshaltung ist gestiegen"

Und zwar, so erzählte der Oberpfälzer auf der Pressekonferenz zum Spiel, läge das auch an Sechzigs Serie. "Die Erwartungshaltung ist gestiegen. Das ist der Fluch der guten Tat, der Fluch, dass du seit elf Spielen ungeschlagen bist", so der 50-Jährige über den Knackpunkt der häufigen Punkteteilungen: In neun Spielen unter Köllners Regie siegte Sechzig drei Mal, doppelt so oft spielte man remis. "Man meint, wir können uns über Unentschieden nicht mehr freuen", klagte Köllner - Sechzigs Fluch des Serientäters.

Neun Spiele, 15 Punkte - faktisch eine gute Bilanz, die der Ex-Nürnberger Aufstiegscoach bisher eingefahren und 1860 ganz nebenbei einen spielerischen Feinschliff verpasst hat. Zu wenig, obwohl noch nicht eine einzige Pleite zu Buche steht? "Ich kenne diese Gier: 'Mensch, lasst uns doch das Spiel noch gewinnen!' Das kann ich verstehen, dass die Leute im ersten Moment das Gefühl haben: ‚Mist, jetzt haben wir eine Chance verpasst'", schildert Köllner seine Versuche, sich in die Köpfe der Fans und Beobachter hineinzuversetzen. Und widerspricht: "Aber nein, wir haben keine Chance verpasst! Du darfst nicht zu gierig werden. Der Mensch ist leider viel zu gierig. Wir müssen Schritt für Schritt gehen." Den Reflex, stets aufs Neue von richtungsweisenden Partien zu sprechen, bezeichnete er in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für ein bisserl mehr Giesinger Genügsamkeit als "absoluten Käse".

Köllner: "Platz eins, zwei, oder drei sind Träumereien"

Hintergrund der Schnappatmung rund um die Sechzger ist freilich, dass der geschwundene Abstand des Tabellen-Neunten (35 Punkte) auf den direkten Aufstiegsrang zwei (nur sechs Zähler) zum Träumen verleitet. Köllner stellt erneut klar: "Platz eins, zwei, oder drei sind Träumereien. Die harte Realität ist Platz 17." Dabei spricht der Übungsleiter seinem Team um Torjäger Sascha Mölders ab, schon eine Spitzenmannschaft zu sein: "Ich kann nur immer darauf hinweisen, die Dinge realistisch einzustufen. Im Sommer hat man keine Spitzenmannschaft bei 1860 zusammengebaut, und als ich übernommen habe, habe ich auch keine gehabt." Welche Qualitäten 1860 bereits hat? Köllner zählt auf: "Eine riesen Mentalität, eine gute Struktur und eine gute Spielkontrolle." Aber: In dominanten Spielen wie gegen Waldhof Mannheim oder SG Sonnenhof Großaspach (beide 1:1) oder bei den Auswärtsauftritten beim FC Ingolstadt und dem FSV Zwickau (je 2:2) müsse man "die Dinge zu Ende bringen".

Ohne Timo Gebhart (Achillessehnenprobleme), Markus Ziereis und Simon Seferings (beide Muskelverletzungen) sowie den gesperrten Marius Willsch soll es gegen Magdeburg wieder mit einem Dreier klappen. Den 1.FCM, für Köllner aufgrund eines "super Kaders" der Favorit, wolle man mit dem Selbstvertrauen der Serie, dem Support der Fans und dem Ziel, den Abstand auf die Abstiegsränge auszubauen, in die Knie zwingen. Ganz ohne die eingangs geschilderten Ärgernisse.

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