Löwen-Präsident im AZ-Interview

TSV 1860: Robert Reisinger - "Lamentieren fühlt sich nicht richtig an"


Präsident des TSV 1860: Robert Reisinger.

Präsident des TSV 1860: Robert Reisinger.

Von Michael Schleicher / Online

Der TSV 1860 im Krisenmodus: Präsident Reisinger spricht im großen AZ-Interview über die Folgen der Pandemie für Sechzig und den Fußball allgemein: "Staatliche Hilfe kann ich mir nicht vorstellen."

München - Die AZ hat mit 1860-Präsident Robert Reisinger gesprochen. Großes Thema war natürlich die Corona-Krise.

AZ: Herr Reisinger, wie gehen Sie persönlich in diesen Tagen mit der Corona-Krise um?
ROBERT REISINGER: Ich versuche, persönliche Kontakte soweit wie möglich zu reduzieren, habe geplante Termine abgesagt und bin mit meinen Kunden hauptsächlich per Telefonkonferenz oder per E-Mail in Kontakt. Das funktioniert.

Inwieweit lassen sich wichtige Vereinsthemen beim TSV 1860 derzeit vorantreiben?
Es gibt zwar kleinere Einschränkungen, aber auch hier konnten wir alle persönlichen Treffen verschieben. Dadurch kommt es vereinzelt zu Verzögerungen, aber nicht zu einem Stillstand. Einzig unsere Vorhaben zum 160-jährigen Vereinsjubiläum stocken und wir können die Dinge nicht wie geplant umsetzen.

Welche Folgen hat die Pandemie für den e.V. nach der Einstellung des Trainings- und Wettkampfbetriebs?
Ein Sportverein hat naturgemäß den Zweck, dass seine Mitglieder Sport treiben. In diesem Punkt sind wir - wie jeder andere Verein auch - derzeit stark eingeschränkt. Unsere Mitglieder haben die außergewöhnliche Situation aber sehr gut akzeptiert und bringen viel Verständnis auf. Zum Schutz besonders gefährdeter Menschen müssen sich alle äußerst diszipliniert verhalten. Es geht nicht anders.

Die Löwen sind unter Trainer Michael Köllner noch ungeschlagen.

Die Löwen sind unter Trainer Michael Köllner noch ungeschlagen.

Was sagen Sie zur Entwicklung der Löwen, deren Lauf in der Dritten Liga durch das Virus ausgebremst wurde?
Das ist natürlich sehr schade für uns, weil die Mannschaft mit Michael Köllner eine außerordentlich erfreuliche Entwicklung genommen hat. Aber vor dem Hintergrund der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe in Deutschland, die Gesundheitskrise und die damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme, in den Griff zu bekommen, will ich nicht groß über unseren unterbrochenen sportlichen Lauf lamentieren. Das fühlt sich nicht richtig an.

Saison-Fortsetzung? "Ich habe keine Glaskugel"

Wie bitter wäre ein Saisonabbruch für 1860 einen Spieltag vor dem möglichen Sprung auf einen Aufstiegsplatz?
Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich keine Prognose über die weitere Entwicklung der Corona-Krise erstellen, dazu ist ihr Verlauf zu dynamisch. Was vor ein paar Tagen kaum vorstellbar war, ist heute Realität. Ob - und wie - die Saison fortgesetzt werden kann, weiß ich nicht. Ich habe keine Glaskugel. Ein Saisonabbruch wäre für die meisten Klubs bitter, ob sie nun auf einem Abstiegsplatz stehen oder auf den Sprung nach oben hoffen. Alle Drittligisten stecken in der gleichen Situation.

Käme ein Aufstieg inmitten des Konsolidierungskurses und vor einer endgültigen Entscheidung über einen Ausbau des Grünwalder Stadions ohnehin zu früh?
Ein sportlicher Aufstieg käme für uns nie zu früh. Ich bin ein Mensch, der nach pragmatischen Lösungen sucht - und nicht nach Problemen schürft. Die Frage nach der Spielstätte wird sich lösen. Im Falle eines Aufstiegs womöglich noch schneller.

Welche Konsequenzen könnte eine finanzielle Schieflage der KGaA mit sich bringen - auch für den e.V.?
Der gemeinnützige Verein ist finanziell stabil. Zur ungleich schwierigeren Situation in der Profi-Fußballtochter haben sich die Geschäftsführer dezidiert geäußert. Wir wollen mit einer Stimme sprechen. Ich habe Michael Scharold und Günther Gorenzel aktuell nichts hinzuzufügen.

"Staatliche Hilfe für Profifußball kann ich mir nicht vorstellen"

Erhoffen Sie sich Unterstützung von Hauptgesellschafter Hasan Ismaik, von den Verbänden oder vom Staat?
Beide Gesellschafter müssen ihren vertraglichen Pflichten nachkommen. Der Deutsche Fußballbund hat ein Bündel an Maßnahmen angekündigt und seinen Mitgliedsvereinen Unterstützung zugesagt. Spezielle staatliche Hilfe für Profifußball kann ich mir nicht vorstellen. Die Mittel werden anderswo im Land gebraucht. Vielmehr wird sich zeigen, wie weit die Solidarität innerhalb der viel beschworenen Fußballfamilie reicht.

Kann man die drohende Notlage auch als Chance für 1860 begreifen, die angedachte Kapitalerhöhung anzupacken?
Das Ansinnen einer Kapitalerhöhung haben wir als Verein unserem Mitgesellschafter schon im vergangenen Jahr vorgetragen. Sie ist unabhängig von der aktuellen Situation ein Instrument, um dem Unternehmen eine wirtschaftliche Perspektive zu eröffnen. Es finden Gespräche über eine mögliche Umsetzung statt, die ich aber nicht öffentlich kommentieren will.

Planen Sie bereits einen Alternativtermin für die anstehende Mitgliederversammlung?
Bislang gehen wir davon aus, die Mitgliederversammlung am 12. Juli 2020 durchführen zu können. Unsere Planungen sind darauf ausgerichtet. Sollte die Situation in vier Wochen eine andere Bewertung erfordern, werden wir den Termin neu ansetzen.

Stichwort "Corona-Partys": Manche Menschen scheinen die Notwendigkeit, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, noch nicht begriffen zu haben. Welcher Appell lässt sich an alle Löwen richten?
Wir haben in einer Mitteilung an unsere Mitglieder auf "tsv1860.org" die wichtigsten Hinweise gegeben und rufen alle dazu auf, den Empfehlungen der Sachverständigen dringend Folge zu leisten. Ich denke nicht, dass die Menschen darüber hinaus Verhaltensratschläge von einem Vereinspräsidenten brauchen.

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