Dino Zoff im Interview

"Unter Mancini sind die Azzurri auferstanden"


Dino Zoff (79) ist schweigsam, oft nachdenklich und damit alles andere als ein "typischer" Italiener. Und dennoch ist der einstige Weltklasse-Torwart eine Ikone des italienischen Fußballs.

Dino Zoff (79) ist schweigsam, oft nachdenklich und damit alles andere als ein "typischer" Italiener. Und dennoch ist der einstige Weltklasse-Torwart eine Ikone des italienischen Fußballs.

Von sid

Dino Zoff (79) ist schweigsam, oft nachdenklich und damit alles andere als ein "typischer" Italiener. Und dennoch ist der einstige Weltklasse-Torwart eine Ikone des italienischen Fußballs.

Als einziger Spieler des Landes gewann er mit den Azzurri den Welt- und Europameistertitel. 1982 wurde er im stolzen Alter von 40 Jahren als ältester Profi der Geschichte Weltmeister. 2000 führte er die Squadra Azzurra zudem als Coach ins EM-Finale in Rotterdam gegen WM-Champion Frankreich (1:2 nach Golden Goal).

Obwohl er als "großer Schweiger" gilt, weil er kaum in der Öffentlichkeit auftritt und seine Worte gründlich abwägt, ist der legendäre Keeper aus der norditalienischen Bergregion Friaul ein Volksheld. Vor dem EM-Endspiel zwischen Italien und England am Sonntag (21.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) sprach der Sport-Informations-Dienst (SID) mit ihm über Italiens Renaissance.

"Wir haben uns auch aufgrund der bisherigen Leistungen in dieser EM den Einzug ins Finale verdient"

"Wie haben Sie den Halbfinale-Elferkrimi Italiens gegen Spanien erlebt?"

Dino Zoff (ehemaliger italienischer Nationaltorwart und -Coach/79): "Es war hart. Ich dachte nicht, dass Spanien so zäh sein würde. In den anderen Spielen hatten die Spanier nicht besonders geglänzt, doch diesmal haben sie uns wirklich unter Druck gesetzt und mit ihrem Pressing das Spiel über weite Strecken beherrscht. Doch letztendlich zählt das Resultat, und wir haben uns auch aufgrund der bisherigen Leistungen in dieser EM den Einzug ins Finale verdient."

"Viele Jahre lang galten Sie als bester Torwart der Welt. Dann kam Gianluigi Buffon. Betrachten Sie Gianluigi Donnarumma als den legitimen Nachfolger von Zoff und Buffon?

Zoff: "Ja, er ist ein sehr talentierter Tormann und erst 22 Jahre alt. Für die Azzurri ist er ein idealer Nachfolger von Buffon. Er muss jedoch noch viel Erfahrung sammeln, er hat noch einen langen Weg vor sich."

"Bedauern Sie, dass Donnarumma die AC Mailand verlässt und voraussichtlich zu Paris St. Germain wechselt?"

Zoff: "Donnarumma, der mit 16 Jahren bei Milan debütiert hat, will wahrscheinlich eine internationale Erfahrung außerhalb der Serie A machen. Es wird sich aber wenig für ihn ändern, denn PSG ist wie Milan ein Klub auf Topniveau."

"Mancini hat ein offensives Spiel aufgebaut, Italien ist längst nicht mehr nur Catenaccio"

"Die Azzurri haben seit 1968 keine EM mehr gewonnen. Damals waren Sie der Torhüter der italienischen Elf von Coach Ferruccio Valcareggi. Was ist Ihnen von dieser EM in Erinnerung geblieben?"

Zoff: "Es war ein spannendes Duell im Halbfinale gegen die Sowjetunion, die damals die besten Spieler aus 15 Republiken vereinte. Im Finale spielten wir dann gegen eine weitere Nationalelf, die es nicht mehr gibt, nämlich Jugoslawien, das Fußballer aus heute fünf verschiedenen Ländern zählte. Das waren zähe Widersacher."

"1968 war für Europa ein revolutionäres Jahr..."

Zoff: "Ja, es war ein Jahr mit vielen politischen und sozialen Turbulenzen, doch wir waren alle ganz auf Fußball konzentriert. Der Rasen war für uns ein Schlachtfeld, von allem anderen drum herum haben wir damals wenig mitbekommen."

"Trainer Roberto Mancini hat die Squadra nach der gescheiterten WM-Qualifikation 2018 übernommen und einen Umbruch vollzogen. Was ist Ihrer Ansicht nach sein größtes Verdienst?"

Zoff: "Unter Mancinis Regie sind die Azzurri wieder auferstanden. Das beweist auch die lange Länderspiel- Erfolgsserie Italiens. Mancini hat ein offensives Spiel aufgebaut, Italien ist längst nicht mehr nur Catenaccio. Für die Azzurri kann jetzt eine erfolgreiche Ära beginnen."

"Sie haben den Vorteil, dass sie zu Hause spielen und mit der Unterstützung vieler Fans rechnen können"

"Wie beurteilen Sie das Verhältnis des Trainers zu seinen Spielern?"

Zoff: "Mancini hat das Vertrauen der Spieler gewonnen und vielen jungen und interessanten Talenten eine Chance gegeben. Er ist ein Coach mit Erfahrung, der das Beste aus seinen Leuten herausholt."

"Ist England im EM-Finale aufgrund des Heimvorteils Favorit?"

Zoff: "Sie haben den Vorteil, dass sie zu Hause spielen und mit der Unterstützung vieler Fans rechnen können. Wir müssen aber keine Angst haben. Die Resultate von Mancinis Team sind beeindruckend, wir können auch noch diesen letzten Schritt gehen."

"Wo werden Sie das Finale verfolgen?"

Zoff: "Zu Hause und am besten allein. So kann ich mich ganz auf das Spiel konzentrieren."