Abschied des Kapitäns
Marco Grüttner: Der SSV Jahn verliert einen seiner Größten
1. Juli 2020, 12:07 Uhr aktualisiert am 19. Juli 2020, 23:44 Uhr
Marco Grüttners Zeit beim SSV Jahn Regensburg ist vorbei. Nach vier Jahren sagt der Kapitän Servus und geht zurück in die Heimat. Damit verliert der Jahn einen seiner Größten.
Das ganze Jahr über hatte sich Marco Grüttner darauf gefreut. Am letzten Spieltag der kürzlich abgelaufenen Saison, seinem letzten Spiel im Trikot des SSV Jahn Regensburg, wollte er noch einmal mit seinen beiden Kindern ins Jahnstadion einlaufen. Es sollte ein Abschiedsfest werden. Grüttner hätte es sich verdient gehabt. Doch diese Pläne wurden durchkreuzt. Wegen Corona hatte der 34-Jährige in diesem speziellen Moment seine Familie nicht dabei.
Dennoch wurde es emotional, als beim Heimspiel gegen Erzgebirge Aue am Sonntag in der 83. Minute die Anzeigentafel hochging und eine rote "15" aufleuchtete. Grüttner wurde ausgewechselt. Ein letztes Mal verließ er als Jahn-Spieler den Platz. Er umarmte auf dem Feld seinen Kumpel Andi Geipl, draußen umarmte er Trainer Mersad Selimbegovic. Und obwohl nicht viele Leute im Stadion sein konnten, konnte sich der Applaus, der Grüttner bei seiner Auswechslung begleitete, hören lassen. "Enorme Emotionen" seien mit dem Abschied verbunden gewesen, sagte Grüttner am Tag danach im Video-Interview mit idowa. "Es war ein unglaubliches Gefühl, nochmal mit den Jungs zusammen auflaufen zu dürfen." Natürlich hätte er sich gewünscht, zum Abschluss nochmal vor den Fans spielen zu können. "Aber in der Phase, in der wir uns befinden, war es ein gelungener Abschluss."
Die Fans haben ihren Kapitän dennoch gewürdigt, auch wenn sie nicht im Stadion sein konnten. Vor der Hans-Jakob-Tribüne hing ein Banner: "Ein wahrer Kapitän geht von Bord! Danke Marco für stets 1889% Einsatz und Leidenschaft!!!" Daneben abgebildet: eine typische Grüttner-Grätsche. Beim Anblick des Plakats bekam Grüttner auch am Tag nach dem Spiel noch Gänsehaut, wie er sagte.
Keller über Grüttner: "Leuchtturm dieser Mannschaft"
Grüttner und der Jahn - das passte vier Jahre lang wie die Faust aufs Auge. In 141 Spielen erzielte er 48 Tore für die Jahnelf und führte sie dreimal in Folge als Kapitän zum Klassenerhalt in der 2. Bundesliga. Damit hat er die erfolgreichste Zeit des Clubs ganz entscheidend geprägt. Grüttner verkörperte die Jahn-DNA wie kaum ein Zweiter.
"Ein Kämpfer für den SSV Jahn" titelte idowa bei der Vorstellung des Angreifers im Juli 2016. Eine Beschreibung, der Grüttner in seinen vier Jahn-Jahren mehr als gerecht geworden ist. Er ging stets voran, mit Mentalität und Kampfgeist. Als "Leuchtturm dieser Mannschaft, der unsere Werte und die eingeforderte Mentalität wahrscheinlich mit der Muttermilch mitgekriegt hat", bezeichnete ihn Geschäftsführer Christian Keller im idowa-Interview Anfang 2019. Als Grüttners Abschied vom Jahn feststand, ging Keller sogar noch einen Schritt weiter - und würdigte den scheidenden Kapitän als "einen der größten Spieler, die der SSV Jahn jemals hatte."
Sportlich schien Grüttner am Ende der seit wenigen Tagen beendeten Saison nicht mehr unersetzlich. In der Rückrunde gelang dem erfolgreichsten Zweitliga-Torschützen der Jahn-Historie nur noch ein Treffer. Nach der Corona-Zeit stand er gar dreimal nicht in der Startelf des Jahn - obwohl er einsatzbereit gewesen wäre. Dabei galt bis dahin das ungeschriebene Gesetz: Grüttner spielt immer, und Grüttner spielt auch immer durch. Doch auch ohne Treffer ging Grüttner voran und war als Leitwolf unglaublich wichtig für das Team.
Niemals geht man so ganz
Nun verabschiedet er sich vom Jahn und aus Regensburg. Er werde aber sicher wieder vorbeischauen - nicht nur einmal, kündigt er an. Schließlich muss er sich auch noch von den Fans verabschieden. "Wir verbinden einiges mit der Stadt und dem Verein. Unser Sohn ist hier zur Welt gekommen, unsere Tochter ist hier vier Jahre lang groß geworden. Wir werden hier nicht nur einmal nochmal aufkreuzen", verspricht Grüttner. Zumal er auf die Zeit beim Jahn ausschließlich positiv zurückblickt: "Ich habe hier wunderschöne Jahre gehabt, viele Erfolge gefeiert, Freunde gefunden."
Nun wartet auf Grüttner ein neuer Lebensabschnitt. Mit der Familie geht's zurück in die Heimat. Fußball wird er zukünftig in der fünftklassigen Oberliga spielen, bei seinem Jugendverein SGV Freiberg. Dort wird er auch die Karriere nach der Karriere beginnen und als Sportlicher Leiter einsteigen. "Ich freue mich auf die Zeit zu Hause mit der Familie, und ich freue mich auf neue Aufgaben", sagt Grüttner. In Freiberg will er "eine gewisse Mentalität reinbekommen, so wie wir es auch hier in Regensburg hatten. Dass man nie aufgibt, immer alles investiert für den Verein." Die Stelle, um das vorzuleben, hätten sie in Freiberg nicht besser besetzen können als mit Marco Grüttner. Einem Typ, der nur 100 Prozent Einsatz und Leidenschaft kennt.