Die "Zaubermaus" im Interview

Niklas Hede: "Die Zeit in Straubing? Extrem schön!"


Niklas Hede ist "Director of Development Youth" an der Red-Bull-Akademie in Salzburg.

Niklas Hede ist "Director of Development Youth" an der Red-Bull-Akademie in Salzburg.

Was macht eigentlich Niklas Hede? Der in Schweden geborene Deutsch-Finne stand ab 2003 zweieinhalb Jahre für die Straubing Tigers und später zwei Jahre für die Eisbären Regensburg auf dem Eis. Heute ist er "Director of Development Youth" an der Red-Bull-Akademie in Salzburg und ist für die Ausbildung der Stars von morgen zuständig. Im idowa-Interview spricht der 49-Jährige über seine Arbeit im Nachwuchs und blickt auf seine Zeit in Straubing und Regensburg zurück.

Herr Hede, Sie sind seit fast drei Jahren Director of Development Youth an der Red-Bull-Akademie in Salzburg. Was darf man sich darunter vorstellen?
Niklas Hede: Ich bin vor vier Jahren nach Salzburg gekommen und habe erst die U16 trainiert. Nach einem Jahr habe ich dann diese Position bekommen. Hier bin ich im Endeffekt für den Bereich von der Laufschule bis zur U16 verantwortlich.

Wie sieht denn Ihr Aufgabengebiet aus?
Hede: Das ist sehr vielfältig. Ich hätte natürlich kommen können und sagen: So machen wir es. Ich habe mir aber erst einmal die Zeit genommen, um alles genau kennenzulernen. Wie wird gearbeitet? Welchen Stellenwert hat der Nachwuchs? Wir haben analysiert, was passiert und dann eine Philosophie erstellt. Nun sind wir dabei, diese Philosophie im Verein zu verankern. Es geht darum, sie an die Kinder und Trainer weiterzugeben, aber auch an die Eltern, damit sie sehen, was wir hier eigentlich machen.

Das hört sich nach einem sehr abwechslungsreichen Job an.
Hede: Das stimmt. Man muss sich um viele Sachen kümmern. Es macht extrem viel Spaß. Unsere Arbeit wird auch nicht an der Ergebnistafel abgebildet. Unsere Aufgabe ist es, eine Gemeinschaft zu bilden. Mir ist Kommunikation sehr wichtig. Und wenn man am Ende lachende Kinder sieht, dann gibt es nichts Schöneres.

Worauf liegt bei Ihnen der Fokus in der Ausbildung der Kinder?
Hede: Da gibt es verschiedene Stufen. Bis sie 12 Jahre alt sind, sollen die Kinder vor allem eine Leidenschaft für den Sport entwickeln. Im Alter von 13 bis 18 Jahren ist die Phase, wo du den Athleten baust. Ab 17 oder 18 Jahren geht es dann darum, die Spieler zu Profisportlern zu entwickeln.

Worauf achten Sie besonders in der Arbeit mit den jungen Sportlern?
Hede: Oberste Priorität genießt bei uns immer die mentale Seite und der Mensch. Danach kommt das Spiel und Spielverständnis. Gefolgt von der Physis und der Technik. Die letzten beiden Punkte sind die Sachen, die man einem Spieler am ehesten noch beibringen kann. Die große Herausforderung sind aber die ersten beiden Punkte. Denn man kann weder beim Menschen noch beim Spieler sehen, was sie denken. Man sieht die physischen Komponenten und die Technik. Aber wenn du das Spiel nicht verstehst, dann wirst du das schnelle Spiel heutzutage nicht mehr spielen können. Du musst auch als Mensch die richtigen Werte haben, um nach oben zu kommen. Wenn du im Jugendbereich deine Tore nur aufgrund deiner Physis und deiner Skills machst, dann wirst du es nicht zum Profi schaffen.

Ab welchem Alter können Kinder in Ihre Akademie kommen?
Hede: Im Internat nehmen wir externe Kinder ab der U15 auf. Davor gibt es bei uns nur ein lokales Programm. Eines meiner Ziele war es, dass wir mehr Kinder bekommen. Das haben wir geschafft. Seit diesem Jahr gibt es erstmals Jahrgangsteams. Das heißt, es spielen nicht mehr zwei Jahrgänge in einem Team, sondern von der U8 bis zur U14 haben wir jeden Jahrgang besetzt. Das macht es für die Kinder besser, weil die Unterschiede sowohl mental als auch physisch in diesem Bereich schon groß sind.

Wie viel Wert legen Sie neben der sportlichen auf die berufliche und schulische Ausbildung der Kinder?
Hede: Das ist sehr wichtig. Die Philosophie des Vereins ist: 51 Prozent Schule, 49 Prozent Sport. Aber im Endeffekt kann man die beiden Seiten nicht trennen. Der Sport ist wichtig für die Schule und die Schule für den Sport. Es ist eine komplizierte Dynamik. Aber wenn die Schule uns schätzt und wir die Schule schätzen, dann klappt das. Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert.

Was muss ein Kind leisten, um in der Akademie zu bestehen?
Hede: Das kann man so nicht festlegen. Es ist wichtig, dass man jedes Kind individuell betrachtet. Die Priorität ist bei uns, wie vorhin schon erwähnt, der Mensch und das Verständnis des Spiels. Wenn ein Kind kommt, das ein offener Mensch ist und das Spiel versteht, aber nur 1,50 Meter groß ist, dann können wir nicht sagen, das reicht nicht. Denn die Kinder entwickeln sich ja. Wir dürfen nicht nur den Ist-Zustand betrachten, sondern müssen auch das Potenzial sehen. Dann geht es darum, aus jedem Kind die Stärken herauszukitzeln.

Niklas Hede über die Nachwuchsarbeit in Schweden und Finnland sowie seine Zeit in Straubing und Regensburg

Was gefällt Ihnen an Ihrem Job am meisten?
Hede: Dass jeden Tag etwas Neues kommt. Mit dem Nachwuchs zu arbeiten ist immer auch eine Reise. Die Arbeit im Nachwuchs verändert sich allgemein. Die Zeit, in der man versucht hat, Krieger zu bauen, ist vorbei. Heute brauchen die Kinder vor allem Leidenschaft und die Trainer müssen ganz anders mit ihnen arbeiten. Das ist aber ein langsamer Umbruch. Schön zu sehen ist für mich auch, dass die Nachwuchsarbeit mehr und mehr geschätzt wird. Hier sind wir allerdings erst am Anfang. Uns muss allen klar sein, dass der Nachwuchs unsere Zukunft ist.

Sie wurden in Schweden geboren und sind in Finnland aufgewachsen. Was kann die Nachwuchsarbeit in Österreich oder Deutschland von diesen Ländern lernen?
Hede: Schweden ist in der Führungskultur sehr weit, Finnland versucht da mitzuhalten. Da fängt es aus meiner Sicht schon an. Dazu kommt, dass Eishockey in Schweden und Finnland die Sportart Nummer eins ist. In Österreich gibt es noch Skifahren und Fußball. In Deutschland gibt es Fußball, Fußball und nochmals Fußball. Ich glaube, dass man im Führungsmodell viele Punkte vom Fußball übernimmt. Aber das sind für mich unterschiedliche Arten von Spiel. Fußball ist ein Strukturspiel, Eishockey ist ein Chaosspiel. Darauf muss man auch in der Arbeit mit den Kindern achten. In Schweden und Finnland ist auch das Band zwischen den Vereinen, Verbänden und Schulen sehr stark. Das ist hier noch nicht der Fall. Aber man merkt, dass sich auch hier etwas entwickelt und noch gute Sachen passieren werden.

Merken Sie aktuell schon eine Verbesserung in der Nachwuchsarbeit?
Hede: Ja, ich denke schon. Man hat jahrelang vor allem Wert auf die oberen Ligen und die Strukturen gelegt, dabei aber den Nachwuchs ein bisschen vergessen. Ich darf da eigentlich gar nicht klagen, denn ich war mit Schuld damals (lacht). Nach dem Bosmann-Urteil 1995 bin auch ich als Legionär nach Deutschland gekommen. Viele Vereine haben damals den einfachen Weg gesucht und haben sich Spieler gekauft. Dann haben sie irgendwann gemerkt, dass es an den eigenen Spielern fehlt. Mit Marco Sturm als deutschen Nationaltrainer hat vermehrt ein Umdenken eingesetzt. Man merkt wieder, dass die Arbeit unten wichtig ist, damit man oben davon profitieren kann. Das muss man erst erkennen und dann die nötigen Strukturen schaffen. Zum Beispiel mit dem Fünf-Sterne-Programm entwickelt es sich allerdings in eine gute Richtung.

Richten wir den Blick weg von Ihrer Arbeit im Nachwuchs hin zu Ihrer eigenen Karriere. Sie haben von 2003 bis Ende 2005 für die Straubing Tigers gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Hede: Das war eine extrem schöne Zeit. Wir hatten eine gute Truppe, hatten Erfolg und meiner Familie hat es in Straubing gefallen. Diese Zeit hat mir auch geholfen, meine jetzige Arbeit besser zu verstehen.

Inwiefern?
Hede: Wir hatten unterschiedliche Trainer mit unterschiedlichen Kompetenzen. Mich haben schon immer die verschiedenen Persönlichkeiten interessiert. Man hat aber auch schon damals Kinder auf dem Eis gesehen, die heute erfolgreich sind. Zum Beispiel Drake Batherson, den Sohn von Norm Batherson, der inzwischen sein erstes NHL-Spiel gemacht hat. Es ist schön, wenn man verschiedene Reisen verfolgen kann.

Sie sind damals während der Saison nach Hamburg in die DEL gewechselt, die Tigers haben später den Aufstieg geschafft. Haben Sie es einmal bereut, das nicht mehr mitgemacht zu haben?
Hede: Sicher habe ich es auch ein bisschen bereut. Aber man muss im Leben einfach Entscheidungen treffen. Manchmal wäre mehr Geduld besser. Aber wer weiß, vielleicht wären die Tigers mit mir gar nicht aufgestiegen. Vielleicht war ich der negative Geist in der Kabine, der durch den Wechsel den Erfolg erst ermöglicht hat (lacht). Aber im Ernst: Mich freut es für Straubing, dass sie in die DEL aufgestiegen sind und jetzt schon so lange dabei sind. Das hätte damals niemand für möglich gehalten.

Nach einem kurzen Gastspiel in Hamburg spielten Sie zwei Saisons in Regensburg. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Hede: Persönlich mit meiner Familie war es eine schöne Zeit. Regensburg ist eine tolle Stadt, meine Tochter hat mit dem Eiskunstlauf angefangen. Aber im Eishockey war es nicht ganz einfach. In meinem zweiten Jahr dort ist der Verein insolvent gegangen. Es war schade, dass es finanziell nicht funktioniert hat. Aber ich habe dennoch auch dort vieles gelernt. Ich habe mich auch da schon im Nachwuchs eingebracht und viele der Spieler, mit denen ich damals gearbeitet habe, spielen inzwischen im Profibereich. Das freut mich. Denn ich bin der Meinung: Eishockey hat mir viel gegeben, dann sollte man auch etwas zurückgeben.