AZ-Interview
Biathlon-Star Arnd Peiffer: "Olympia-Gold war das i-Tüpfelchen"
30. November 2018, 14:06 Uhr aktualisiert am 30. November 2018, 14:06 Uhr
Vor dem Saisonstart spricht Biathlet Peiffer über seinen Triumph bei Olympia und die Kritik am IOC: "Es müsste ein Umdenken geben", sagt der Goldmedallist.
Arnd Peiffer wurde im Februar Olympiasieger im Sprint, in dem er bereits 2011 Weltmeister war. Mit der Staffel holte er 2015 WM-Gold. AZ hat mit ihm gesprochen.
AZ: Herr Peiffer, wie hat sich Ihr erster Sommer als Olympiasieger angefühlt?
ARND PEIFFER: Für mich hat sich ehrlich gesagt nicht so viel verändert. Die tägliche Trainingsarbeit bleibt ja gleich, und meine Innensicht hat sich auch nicht groß geändert.
Ist es nicht so, dass sich Ihre Karriere mit dem Olympiasieg im Sprint von Pyeongchang, den Sie im Februar gefeiert haben, jetzt komplett anfühlt?
Die Goldmedaille ist eine Riesen-Belohnung, eine Riesen-Freude, ganz klar, aber ich wäre auch ohne diesen Olympiasieg zufrieden mit meiner Karriere gewesen. Ich habe vorher schon ein bisschen was gewonnen und so viel erleben dürfen. Pyeongchang war das i-Tüpfelchen, aber ich hätte es nicht so gesehen, dass meine Karriere ohne den Olympiasieg mit einem Makel behaftet gewesen wäre, dass etwas gefehlt hätte.
Was bleiben nun für Ziele, speziell für die kommende Saison?
Mein Gradmesser sind immer die Top Ten im Gesamtweltcup. Dafür muss, auch gesundheitlich, relativ viel passen. Und dann ist es für mich wichtig, bei der WM dabei zu sein und möglichst eine Medaille mit nach Hause zu nehmen. Wenn das gelingt, würde ich sagen, es war eine gute Saison.
Peiffer denkt über Karriereende nach
Sie sind mittlerweile der Älteste im deutschen Männerteam. Sehen Sie sich auch in einer Führungsrolle?
Ehrlich gesagt nicht. Wir sind mit Simon Schempp, Erik Lesser und Benedikt Doll vier Athleten, die alle schon Weltmeister waren und eine Einzelmedaille bei Olympia gewonnen haben. Ich glaube, das gibt es in kaum einem Team. Insofern sind wir alle gleichberechtigt, keiner muss sich verstecken - und umgekehrt sticht auch keiner heraus. Und auch die Jüngeren dürfen jederzeit ihre Meinung sagen. Wir sind ein homogenes und kompaktes Team ohne klare Hierarchie.
Sie sind 31. Ist schon absehbar, wie lange Sie Ihre Karriere noch fortsetzen werden?
Ich denke in letzter Zeit öfter darüber nach, habe aber keinen festen Termin im Kopf. Ob ich noch mal die Olympischen Spiele anpeile, das ist schon fraglich. Ich glaube, irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man einfach nicht mehr mag. Man muss ja im Sommer immer gewillt sein, sich richtig zu schinden. Irgendwann ist man nicht mehr bereit dafür. Im Moment ist es für mich aber noch nicht vorstellbar, zu Hause auf dem Sofa zu sitzen, Biathlon im Fernsehen anzuschauen und zu sagen: 'Das ist doch prima.' Nein, momentan würde ich denken: 'Was mache ich denn zu Hause, ich müsste doch am Start sein!' Am Ende ist aber auch klar, dass die Leistung stimmen muss. Ich denke, das eine, der Wille zur Quälerei, und das andere, die Leistung, bedingen sich auch gegenseitig.
Sie haben die Quälerei im Sommer angesprochen. Können Sie das mal näher beschreiben, gibt es Einheiten, die Sie besonders an die Belastungsgrenze getrieben haben?
Das Harte ist ja die permanente Wiederholung der Belastung, dass man jeden Tag zweimal zum Training geht. Oder wenn man zwei Stunden lang mit Plastikrollern das Stilfser Joch hinaufrollt. Und dann gibt es besondere Highlight-Einheiten. Im Trainingslager in Toblach haben wir am Stoneman, einem Mountainbikerennen mit 4000 Höhenmetern und einigen Trage-Passagen, teilgenommen. Das ist aber eher willkommene Abwechslung.
Arnd spricht sich für härteren Anti-Doping-Kampf aus
Gibt es schon Pläne für die Zeit nach dem Sport? Käme ein Posten im Biathlon für Sie in Frage?
Das schließe ich nicht aus, aber mein erster Ansprechpartner ist mein jetziger Arbeitgeber, die Bundespolizei, wo ich seit 2007 angestellt bin. Und dann gibt es noch andere Möglichkeiten, ein duales Studium bei einem Sponsor könnte ich mir vorstellen. Ich empfinde es als Privileg, dass ich zwischen solchen Möglichkeiten wählen kann.
Sie gelten ja als Kritiker des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der Internationalen Biathlon Union (IBU). Letztere geriet zuletzt wegen der Vertuschung von positiven Dopingproben, Betrug und Bestechlichkeit in die Schlagzeilen. Sie kritisieren die IBU vor allem wegen ihres laschen Anti-Doping-Kampfes und werfen ihr vor, zu wenige Dopingtests durchzuführen.
Das war eine Feststellung. Zu sagen, dass man einen konsequenten Anti-Doping-Kampf führen muss. Da ist die IBU sehr stark gefordert. Momentan ist in der IBU wirklich sehr viel in Bewegung, es wurde ein neuer Präsident gewählt (Olle Dahlin, d.Red.), und ich sehe es eher als eine große Chance, zu zeigen, wie transparent und konsequent man einen Anti-Doping-Kampf führen kann. Was ich momentan wirklich gut finde, ist, dass die Athletenkommission zudem stark eingebunden wird.
Auch das IOC haben Sie stark kritisiert und den Gigantismus der Olympischen Spiele bedauert. Welchen Weg sollte Olympia Ihrer Meinung nach einschlagen?
Gerade die mangelnde Nachhaltigkeit der Spiele stört mich. Ein Beispiel: Wir waren vor der Saison zum Trainingslager in Sjusjøen in Norwegen, in der Nähe von Lillehammer. Dort werden die alten Olympiastätten von 1994 noch voll genutzt. Wir waren in den Krafträumen, in den Hallen waren Kinder unterwegs, es gab Seniorenkurse et cetera. Auch ein Langlauf-Weltcup findet jedes Jahr hier statt. Man hat einfach den Eindruck, dass hier nichts verfällt. Ein solches Konzept, bei dem der Ort nachhaltig profitiert, befürworte ich sehr. Das geht aber nur, wenn man die Olympischen Spiele nicht immer weiter ausdehnt. Der Weg des immer Größer, immer Teurer führt ja zu nichts, kein traditioneller Wintersportort will die Spiele mehr haben, wie man auch zuletzt am Beispiel Calgary gesehen hat, wo sich die Bevölkerung dagegen ausgesprochen hat. Das Entscheidende wird sein, ein nachhaltiges Konzept zu entwickeln: Wie können wir die Sportstätten hinterher nutzen, wie kann der Ausrichter langfristig profitieren? Dafür müsste eine Kurskorrektur, ein Umdenken beim IOC stattfinden.
Sie engagieren sich auch in der Kampagne "Winterfans" eines Wintersport-Sponsors. Was hat es damit auf sich?
Wir als Wintersportler bekommen den Klimawandel ja besonders stark zu spüren, wir wollen uns deshalb für mehr Nachhaltigkeit einsetzen, damit unsere Kinder auch noch Wintersport betreiben können. Mir ist auch bewusst, dass man mit so einer Aktion nicht das Weltklima rettet. Aber man kann ja im Kleinen beginnen und das Bewusstsein der Leute schärfen.