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Der große Landshut-Cannibals-Jahresrückblick 2011
26. Dezember 2011, 12:16 Uhr aktualisiert am 26. Dezember 2011, 12:16 Uhr
Niederbayern-Sport bei idowa blickt mit Ihnen zurück auf das Jahr der Landshut Cannibals, das sehr durchwachsen begann, aber umso besser wurde, je länger es dauerte.
Januar/ Februar 2011: Kampf um die Play-Offs
Der Jahresbeginn ist geprägt vom Kampf der Kannibalen um den Anschluss an Platz sechs, der die direkte Play-Off-Qualifikation bedeutet. Manager Bernd Truntschka erinnert zu Beginn des Jahres die Mannschaft ganz klar an die Zielsetzung: "Wenn wir das Viertelfinale nicht erreichen sollten, dann ist das eigentlich nicht akzeptabel". Doch die Mannschaft zeigt zwei Gesichter: alle Heimspiele im Januar werden gewonnen, auswärts gibts hingegen gerade mal ein Pünkterl - das aber immerhin im intensiv geführten Traditionsderby in Rosenheim vor 5900 Zuschauern. 4:3 n.P. für die Starbulls heißt es am 7. Januar. Die Cannibals treten auf der Stelle.
Nach der 3:1-Niederlage in Dresden und einem pomadigen Auftritt platzt schließlich Manager Truntschka der Kragen: "Ich mache meinen Job jetzt zwölf Jahre", schimpft er, "aber ein Team mit so einem schwierigen Charakter habe ich noch nicht erlebt. Wer ab jetzt keine Leistung bringt, ist weg!" Und auch Trainer Tobias Abstreiter will den Kopf nicht mehr hinhalten für die Leistung seiner auf Platz acht festgefrorenen Truppe: " Wer keine Leistung bringt, pausiert!" Außerdem krempelt Abstreiter die Reihen für das nächste Spiel komplett um.
Das zeigt zunächst Wirkung, denn die nächsten drei Spiele gewinnen die Landshuter. Die Heimstärke des EVL ist immens: zwölf Heimspiele am Stück (!) gewinnen die Kannibalen und setzen am Gutenbergweg auch das ein oder andere Glanzlicht, etwa das 2:0 im Derby vor 4500 Zuschauern gegen Rosenheim oder das 3:1 gegen Spitzenreiter Schwenningen. Doch die Auswärtsschwäche wirft den EVL immer wieder zurück. So gibt es in Bremerhaven (2:7) und beim Tabellenletzten Freiburg (3:6) deftige Klatschen.
Am Ende der Hauptrunde bleibt man auf Platz acht stehen, der immerhin das Heimrecht in den Pre-Play-Offs garantiert.
18. Januar 2011: Jiri Ehrenberger als neuer Sportlicher Leiter vorgestellt
Gerüchte hatte es schon lange gegeben, auf einer Pressekonferenz Mitte Januar wird es amtlich: Jiri Ehrenberger wird zur Saison 2011/12 neuer Sportlicher Leiter bei den Cannibals. Ehrenberger, der seit dem Ende seines Engagements bei den Krefeld Pinguinen in der DEL im November 2009 hauptsächlich als Kiebitz in den bayerischen Eisstadien unterwegs war und in Deggendorf wohnt, sei der absolute Wunschkandidat für die Sportliche Leitung gewesen, wie Bernd Truntschka verdeutlicht: "Ein Diplomsportlehrer mit DEL-Trainererfahrung".
Und auch der neue Sportchef ist glücklich: "Landshut ist eine Eishockeystadt und eine Eishockey-Schmiede. Ich freue mich darauf und ich werde versuchen, den Nachwuchs in der zweiten Liga zu etablieren", sagt Ehrenberg der Landshuter Zeitung. Ob Ehrenberger auch den Trainerposten übernehmen soll, dazu wird zu diesem Zeitpunkt von Vereinsseite noch keine Stellung bezogen, auch wenn alles darauf hindeutet. Der Abschied von Tobias Abstreiter scheint besiegelt, zumal der sagt: "Ja, mir ist bewusst, dass mit mir in der kommenden Saison nicht mehr in der ersten Mannschaft geplant wird"
März 2011: Die Play-Offs
Gegner der Landshut Cannibals in den Pre-Play-Offs sind die Hannover Indians, Neunter nach der Hauptrunde. Manager Truntschka erwartet "eine enge Serie auf Augenhöhe", doch das bewahrheitet sich nicht. Überaus diszipliniert und erstaunlich kompakt in der Defensive präsentieren sich die Kannibalen. Mit zwei souveränen Siegen (6:1 im Heimspiel, 3:0 in Hannover) lösen sie das Ticket fürs Viertelfinale und erreichen damit ihr Minimalziel.
In die Runde der letzten Acht geht die Abstreiter-Truppe freilich als krasser Außenseiter. Und tatsächlich sind die Landshuter gegen Primus Ravensburg Towerstars chancenlos. Mit 0:4 (3:6, 2:5, 4:8, 1:3) unterliegen sie in der best-of-seven-Serie den cleveren, robusten und spielstarken Gegnern, die eine Nummer zu groß für die Dreihelmenstädter sind und bei Bedarf das Tempo anziehen.
So endet am 22. März eine Saison, die als eher enttäuschend bezeichnet werden kann, mit dem Aus im Viertelfinale. Nach einem desaströsen Saisonbeginn hatten sich die Cannibals zwar zum Ende hin gesteigert und eine unglaubliche Heimserie von 13 Siegen in Serie hingelegt, doch für wirkliche Begeisterung bei den Anhängern sorgten die Kannibalen kaum. Bei der Ursachenforschung waren Fans und Experten hingegen geteilter Meinung: Die einen zweifelten an den Fähigkeiten von Coach Tobi Abstreiter, für die anderen waren die Kontingentspieler schlicht und ergreifend zu schwach - die Wahrheit liegt vielleicht auch in der Mitte.
13. März 2011: Der ganz große Coup: Der EVL ist DNL-Meister!
Für weitaus mehr Begeisterung in Landshut sorgt im März die DNL-Truppe des EVL. Nachdem lange Zeit nicht einmal der Klassenerhalt in trockenen Tüchern ist, sichert sich die Truppe von Chefcoach Ewald Steiger mit einem famosen Schlussspurt noch das Play-Off-Ticket. Und in der K.O.-Runde drehen die Youngsters dann richtig auf: Den hoch favorisierten Heilbronner Falken geben sie im Viertelfinale das Nachsehen, den Krefeld Pinguinen im Halbfinale mit 2:0 Siegen.
Im Finale kommt es dann zum prickelnden und ewig jungen Klassiker gegen die Starbulls aus Rosenheim. Das erste Spiel am Freitag gewinnt der EVL vor der sensationellen Kulisse von über 2600 Besuchern mit 5:4. Bis zur Isarbrücke stehen die Anhänger an den Kassenhäuschen Schlange und sorgen für höhere Zuschauerzahlen als in den Play-Offs der ersten Mannschaft. Am folgenden Samstag unterliegen die Steiger-Schützlinge in Rosenheim allerdings mit 3:7 und vergeben den ersten Matchball. Doch im zweiten Anlauf klappt der ganz große Coup, von dem einige Wochen vorher selbst die kühnsten Optimisten nicht einmal geträumt hatten. Vor 2709 Besuchern im Rosenheimer Kathrein-Stadion holen die Landshuter einen 0:2-Rückstand auf und gehen mit einem 3:3 ins Penaltyschießen. Dort behält Sebastian Busch die Nerven und verwandelt den entscheidenden Penalty zum Gerwinn der Meisterschaft. Anschließend ist der Jubel grenzenlos: "Vor sechs Wochen waren wir noch Tabellenletzter und jetzt dieser Erfolg - das ist unglaublich", frohlockt Stephan Kronthaler nach dem überraschenden Triumph. "Das ist eine unglaubliche Leistung. Alles ist abgelaufen wie im Film", ist Trainer Ewald Steiger auch am Tag nach dem Erfolg noch hin und weg.
31. Mai 2011: Transfercoup geglückt: Billy Trew kommt
Nach wochenlangem Poker vermelden die Cannibals Ende Mai die Verpflichtung von Mittelstürmer Billy Trew, der nach fast zwölf Jahren in Straubing an die Isar wechselt. Der 37-Jährige Stürmer erhält bei den Kannibalen einen Ein-Jahres-Vertrag und soll auf und neben dem Eis ein echter Führungsspieler sein. "Bei Billy weiß man einfach, was man hat", findet Sportleiter und Chefcoach Jiri Ehrenberger und ist glücklich über die Verpflichtung des Centers. "Wir haben ja immer noch sehr viele junge Spieler im Team, da braucht man eben jemanden wie Billy, der eine echte Persönlichkeit ist und eine Vorbildfunktion einnehmen kann."
Auch Elia Ostwald gibt den Landshutern in diesen Tagen seine Zusage.
5. Juli 2011: Der Schock: Michael Imhoff zieht sich zurück
Mitten im Sommer gibt eine Nachricht Anlass, sich Sorgen um die Zukunft des Landshuter Eishockeys zu machen. In einem Interview mit der Landshuter Zeitung kündigt Hauptgesellschafter und Bürge Michael Imhoff seinen Rückzug für das Ende der Saison 2011/12 an. Er wolle in Kürze auch im Berufsleben kürzer treten und da treffe es sich ganz gut, wenn er die Verantwortung an andere Leute übergebe, begründet Imhoff seinen Entschluss. In jedem Fall werde er aber die GmbH sauber und ohne Altlasten übergeben. Er habe Geschäftsführer Bernd Truntschka beauftragt, einen neuen Gesellschafterkreis zu akquirieren.
Mit Imhoffs Rückzug geht eine 20-jährige Ära zu Ende, in der der Landshuter Unternehmer dem Eishockey in seiner Heimatstadt als Funktionär, Sponsor, Bürge und Gesellschafter stets unter die Arme griff. Mit Michael Imhoff ziehen sich auch alle anderen Gesellschafter der LES zurück.
September 2011: Start ins Ungewisse
Ende September startet der EVL mit großer Ungewissheit in die Saison. Am drückendsten sind die finanziellen Fragezeichen. Bekanntlich steigen zum Ende der Spielzeit 2011/12 Hauptgesellschafter Michael Imhoff und alle weiteren Gesellschafter aus, Nachfolger sind noch nicht gefunden. Bernd Truntschka will sich dann auch als Geschäftsführer zurückziehen - ist aber noch mit der Akquise von neuen Gesellschaftern betraut. Das wirtschaftliche Korsett ist mit einem Etat von 1,25 Millionen Euro wieder recht eng geschnallt.
Auch sportlich kann man sich noch nicht so recht einschätzen. Jiri Ehrenberger, Trainer und Sportlicher Leiter in Personalunion, hat das Team runderneuert und spricht davon, "dass wir auf jeden Fall um die Play-offs mitspielen werden". Die Vorbereitung ist zumindest ganz ansprechend verlaufen, der Coach scheint eine schlagkräftige Truppe geformt zu haben.
Der Start verläuft dann aber eher ernüchternd: Gegen den ausgebufften Meister Ravensburg setzt es zuhause eine 4:7-Niederlage, in Heilbronn verlieren die Cannibals mit 0:3. Jiri Ehrenberger gibt sich allerdings betont entspannt.
Oktober 2011: Jetzt läufts!
Ab Oktober läufts aber dann richtig bei den Cannibals. Nur beim 5:6 n.P. im fünften Saisonspiel in Crimmitschau geben sie noch zwei Punkte ab, ansonsten gibts nur Siege. Auffällig vor allem: Die Dreihelmenstädter behalten bis in die Schlussminuten einen kühlen Kopf , punkten in den Spielen gegen Dresden (5:3) und beim SC Riessersee (3:2) jeweils noch nach einem Zwei-Tore-Rückstand dreifach - mit Treffern in den letzten Minuten. Der Oktober-Lauf der Landshuter findet am 28.10. einen vorläufigen Höhepunkt: Mit 4:3 stürmt die Ehrenberger-Truppe den Hannoveraner Pferdeturm und erobert zum ersten Mal in der Saison die Tabellenspitze der 2. Liga. Zwar gibts zwei Tage später gegen Kaufbeuren zu Hause einen kleinen Dämpfer, doch auch nach dieser Niederlage bleibt Landshut ganz oben.
Für Trainer Jiri Ehrenberger ist der Erfolg das Resultat harter Arbeit - und der richtigen Mentalität. Kapitän Kamil Toupal sieht in der Taktik einen wichtigen Mosaikstein auf dem Erfolgsweg. "Der große Unterschied ist einfach, dass wir an uns glauben und wissen, dass wir die nötigen Tore schießen werden. Natürlich spielen wir auch anderes Eishockey, sind einfach aggressiver und druckvoller als im Vorjahr und das zahlt sich aus", findet er.
25.10.2011: Der erhoffte Gönner ist gefunden: Rainer Beck steigt bei den Cannibals ein
Dieser Oktober ist wirklich ein goldener für die Cannibals. Neben den sportlichen Fragezeichen, die sich in Luft auflösen, ist nun auch die Zukunft im Profieishockey gesichert: Der neue, lange gesuchte Geldgeber des Landshuter Eishockeys ist gefunden. Am 25. Oktober treffen sich "alle Leute, die für das Landshuter Eishockey wichtig sind" - so formuliert es der bisherige Hauptgesellschafter Michael Imhoff - zu einer "Elefantenrunde" im Landshuter Rathaus. Und Michael Imhoff kann den versammelten Sponsoren, Gesellschaftern und Vereinsverantwortlichen sowie OB Hans Rampf selbst seinen Nachfolger vorstellen. Um dessen Namen wird jedoch zunächst ein Geheimnis gemacht, Tage des Spekulierens beginnen. Bis sich der neue Mäzen selbst outet: es handelt sich um den Münchner Immobilienunternehmer Rainer Beck, der als gebürtiger Landshuter zurückkehrt zu seinen Wurzeln. Beck wird beim Heimspiel gegen Kaufbeuren am 30. Oktober auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt und visiert seinen Einstieg als Hauptgesellschafter zum 1. Mai 2012 an.
20.11.2011: Nach 13 Jahren ist endgültig Schluss: Bernd Truntschka hört auf
Nach 13 langen Jahren bei den Cannibals ist für Bernd Truntschka zum Saisonende endgültig Schluss. Nachdem er bereits im Frühsommer seinen Abschied angekündigt hatte, kann ihn auch der Einstieg von Investor Rainer Beck, der ihn unbedingt als Geschäftsführer behalten will, nicht mehr umstimmen. Truntschka steigt in die Firma "LaVita" seines Bruders Gerd ein, bleibt aber Rainer Beck immerhin als sportlicher Berater erhalten. Zu seinem Abschied hat Truntschka noch einen ganz speziellen Wunsch: "Ich würde mir und allen Fans wünschen, meine 13-jährige Tätigkeit mit der Zweitligameisterschaft vollenden zu können".
November/ Dezember 2011: Der Höhenflug geht weiter
Und die Mannschaft gibt tatsächlich Anlass für solche Hoffnungen: Fünf Siege in Folge feiern die Cannibals Anfang November. Auch kleinere Rückschläge werfen das Team nicht aus der Bahn, das Weihnachten als souveräner Tabellenführer feiern kann. Die Highlights für die Landshuter Eishockeyfans sind nicht zu spärlich gesät: zweimal besiegt der EVL Erzrivale Rosenheim - 2:1 heißt es daheim vor 5000 begeisterten Zuschauern, 6:4 lautet der Endstand im Kathrein-Stadion. Mit 6:1 demontieren die Kannibalen Meister Ravensburg in dessen Stadion und beim Sieg in Dresden am 2. Dezember drehen sie in den letzten fünf Minuten das Spiel von 2:4 auf 6:4. Kurz vor Weihnachten lässt die Ehrenberger-Truppe auch noch ihren ärgsten Verfolger Heilbronn am Gutenbergweg mit 4:2 abblitzen.
Die Aussichten für das Jahr 2013 scheinen somit nun in jeder Hinsicht rosig zu sein und vielleicht geht ja tatsächlich Bernd Truntschkas Wunsch in Erfüllung, als Zweitligameister abzutreten und damit seine erfolgreiche Tätigkeit in Landshut zu krönen. Die Landshuter Zeitung und idowa werden die weitere Entwicklung der Cannibals genau verfolgen.